Ausgerechnet der Ölkonzern Exxon ist eines der bekanntesten Opfer des Klimawandels
Heute vor 30 Jahren verunfallte der Öltanker Exxon Valdez und verursachte die zweitgrösste Ölpest der Geschichte in US-Gewässern. Mittlerweile hat sich die Natur weitgehend erholt, ausser eine Unterart von Schwertwahlen.
Endlich. Öl. Nach Jahren erfolgloser Suche war im März 1968 klar, dass es in der Prudhoe Bucht in Nordalaska tatsächlich Öl gibt. Es sollte das grösste Ölfeld in den USA werden. Doch die Bucht liegt weit nördlich des Polarkreises und ist bestenfalls im Sommer ohne Eisbrecher erreichbar. Für den Transport des Öls nach Süden wurden daher verschiedene Möglichkeiten geprüft, von U-Booten, die unter dem Eis durchtauchen, bis zu Tankflugzeugen. Gebaut wurde dann eine Pipeline – eine 1300 Kilometer lange Röhre mit 1,20 Meter Durchmesser. Diese endet in Valdez an der Südküste, einem 4000-Einwohner-Städtchen mit einem eisfreien Hafen. 1977 erreichte schliesslich das erste Öl das nagelneue Terminal.
Zwölf Jahre später, am 23. März 1998 kurz nach neun Uhr abends, legte der Tanker Exxon Valdez von diesem Terminal ab. Die Ladung: 1,2 Millionen Fass Purdhoe-Öl (zu je 159 Liter). Kapitän Joseph Hazelwood kannte die Strecke. Zuerst musste er den Valdez-Arm passieren, der an seiner schmalsten Stelle nur einen Kilometer misst. Anschliessend kommt der Columbia-Gletscher auf Steuerbord. Ist erstmal der Prinz-William-Sund erreicht, ist man schon fast im offenen Meer. 20 Minuten vor Mitternacht zeigte das Radar Eis im Wasser, das der Gletscher gekalbt hatte. Hazelwood entschied in die südliche Fahrrinne zu wechseln, ein Routinemanöver. Per Funk liess er den Hafen in Valdez wissen: „Sobald wir das Eis vom Columbia hinter uns haben, geben wir euch einen weiteren Funkruf. Over.“ [1] Dann ging er ins Bett und übergab das Kommando an Gregory Cousins, seinen dritten Offizier.
Nach einer Viertelstunde war die südliche Fahrrinne erreicht, doch Cousins korrigierte den Kurs nicht. Eigentlich hätte ihn kurz darauf das Raycas-Radar warnen sollen, doch das Gerät war schon seit über einem Jahr kaputt. Erst um vier Minuten nach Mitternacht realisierte er, dass die Exxon Valdez viel zu weit südlich war. Er steuerte um, doch es war zu spät: Der Tanker lief auf das Bligh-Riff und acht der elf Öltanks schlugen Leck. In den folgenden Tagen flossen 260‘000 Fass Rohöl ins Meer – die grösste Ölpest in US-Gewässern abgesehen von der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Jahr 2010.
Die Ölstadt Valdez war schlecht auf das Unglück vorbereitet. Es fehlte an Chemikalien, um das Öl zu binden und an schwimmenden Barrieren, um dessen Verbreitung zu stoppen. Der Versuch, das Öl abzufackeln, scheiterte am Wetter und dann zog auch noch ein Sturm auf. Dieser warf das Öl an die Steinstrände entlang des Prinz-William-Sunds. Bis zu einer Viertel Million Vögel, 2800 Seeotter und eine unbekannte Zahl an Fischen fielen dem Unglück zum Opfer. Gut 300 Kilometer Küste waren stark mit Öl kontaminiert. Exxon investierte zwei Milliarden US-Dollar in die Behebung der Schäden und hatte zeitweise 11‘000 Arbeiter vor Ort. Doch auch 30 Jahre nach dem Unglück findet sich immer noch Öl zwischen den Steinen und im Sand. Der grösste Verlust ist aber die AT1-Unterart von Schwertwalen (auch Orcas genannt). Diese sind nur aus dem Prinz-William-Sund bekannt und hatten vor dem Unglück eine Population von nur 22 Tieren. [2] Direkt nach dem Unglück wurden vier davon fotografiert, wie sie durch den Ölschlick schwimmen. Mittlerweile ist die Art wahrscheinlich ausgestorben.
Doch zurück zum Funkspruch von Kapitän Hazelwood, denn dieser enthält den eigentlichen Grund für die Exxon-Valdez-Katastrophe. Schon zwei Jahre vor Inbetriebnahme des Valdez-Ölterminals war bekannt, dass der Columbia-Gletscher instabil ist. Dies hat ein Journalismusprojekt der US-Universität Columbia herausgefunden, nach der der Gletscher benannt ist. Im Jahr 1975 warnte der Glaziologe Austin Post: Der Gletscher werde sich voraussichtlich zurückziehen, was dazu führe, dass „massive Eispacken in den Prinz-William-Sund treiben“. [1] Später untersuchten Post und sein Chef bei der US-Geologiebehörde Mark Meier den Columbia mit Radar und setzten den Gletscher auf eine Gefahrenliste. Im Jahr 1983 begann dann der Kollaps des Gletschers und Meier warnte 1985 Exxon, dass der Gletscher zehn Millionen Tonnen Eis verliert – pro Tag. Im gleichen Jahr schrieb Meier in einer Studie: „Gletscher sind Indikatoren, vielleicht die sensibelsten in der Natur, für klimatische Veränderungen.“ [1] Der Ölkonzern Exxon, der jahrzehntelang Alles getan hat, um die Gefahren des Klimawandels herunterzuspielen, wurde so eines der ersten, bekannten Opfer der Erwärmung. 30 Jahre später ist die Gefahr für die Schifffahrt durch den Columbia-Gletscher aber schon wieder gebannt: Der Eisstrom hat sich um knapp 20 Kilometer zurückgezogen und die Hälfte seiner Dicke verloren. mic
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[1] Los Angeles Times, 06.04.2017: The role a melting glacier played in Exxon’s biggest disaster