Sind die USA in zehn Jahren klimaneutral?

Ambitioniertes Klimaprogramm soll Millionen Jobs schaffen

Mit einer „Mobilisierung wie im Zweiten Weltkrieg“ sollen die USA innert zehn Jahren weitgehend klimaneutral werden. Ausserdem werden Millionen neue, gut bezahlte Jobs geschaffen. Das ist das Ziel des „Green New Deals“, der derzeit in den USA die Schlagzeilen dominiert.

Der CO2-Ausstoss der Welt muss in den nächsten zwölf Jahren halbiert werden, damit die Chance bestehen bleibt, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Das ist das Ergebnis des Berichts des Weltklimarats IPCC zum 1,5-Grad-Ziel des Paris Abkommens. Gleichzeitig stagnieren in den USA die Löhne seit 1970 und die Einkommensungleichheit hat wieder das Niveau des Jahres 1920 erreicht. Diese beiden Probleme wollen zwei Politiker der Demokratischen Partei nun gleichzeitig lösen. Dabei orientieren sie sich am „New Deal“ Reformprogramm des früheren US-Präsidenten Franklin Roosevelt. Dieser kombinierte Wirtschafts- und Sozialreformen sowie Investitionen in die Infrastruktur, um der US-Wirtschaft nach der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder auf die Beine zu helfen. Nun wollen die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und Senator Ed Markey die Klimakrise und die soziale Ungleichheit gleichzeitig angehen – mit einem „Green New Deal“.

Newbie. Kongressneuling Alexandria Ocasio-Cortez und Senator Ed Markey (rechts) stellen den Green New Deal vor. (Foto: House Demaocrats / Wikimedia)
Newbie. Kongressneuling Alexandria Ocasio-Cortez und Senator Ed Markey (rechts) stellen den Green New Deal vor. (Foto: House Demaocrats / Wikimedia)

Dieser sieht vor, dass innert zehn Jahren nach Verabschiedung die Treibhausgasemissionen der USA auf Netto Null gesenkt und Millionen an neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden. Ocasio-Cortez und Markey fordern nicht weniger als eine „neue nationale, soziale, industrielle und wirtschaftliche Mobilisierung in einem Ausmass, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg und der Ära des New Deals nicht mehr gesehen wurde“. [1] Julian Noisecat von der Klimaorganisation 350.org begrüsst die Kombination von Klima und Jobs: „Die Klimapolitik wurde lange aus einer Perspektive von Knappheit und Verzicht betrachtet. Was den Green New Deal so wirkmächtig macht, ist dass er eine neue Perspektive bietet: Wir können Millionen von Jobs schaffen und phänomenale Dinge für normale Menschen tun durch Klimapolitik.“ [2] Damit können sich auch viele Amerikaner anfreunden: Eine Umfrage im Dezember ergab, dass 81 Prozent einen „Green New Deal“ befürworten und nur 18 Prozent dagegen sind. [3] Damals war allerdings den wenigsten bekannt, dass es sich dabei um eine Initiative der Demokraten handelt. Sobald dies Wählern der Republikanischen Partei von US-Präsident Donald Trump bewusst wird, könnte die Zustimmungsrate daher sinken. [3] Sie muss es aber nicht: Eine andere Umfrage hat ergeben, dass 69 Prozent der Amerikaner zumindest „etwas besorgt“ sind wegen des Klimawandels. [4]

Vorerst ist allerdings nahezu ausgeschlossen, dass der Green New Deal Gesetz wird. Die Demokraten haben zwar im Repräsentantenhaus die Mehrheit, nicht aber im Senat. Ausserdem könnte Trump gegen das Gesetz sein Veto einlegen. Noch ist zudem unklar, was der Plan kostet und wie er finanziert werden soll. Ocasio-Cortez erklärt dazu nur, die US-Notenbank Federal Reserve könne „Kredite“ vergeben und „eine Kombination verschiedener Steuern (inklusive CO2- und Vermögenssteuern)“ könne eingesetzt werden. [5] Umstritten ist auch, ob die Ziele etwa im Stromsektor realistisch sind. Vorletztes Jahr stammten 17 Prozent des US-Stroms aus erneuerbaren Quellen und 20 Prozent aus Atomkraftwerken. [6] 100 Prozent CO2-freier Strom innert zehn Jahren ist daher ambitioniert. Ausserdem besteht bei den Unterstützern des Green New Deals kein Konsens bezüglich Atomkraft. Ocasio-Cortez will diese abschaffen, Markey hingegen nicht. Auch das Ziel „alle Gebäude“ in zehn Jahren zu renovieren, um „maximale Energieeffizienz“ zu erreichen, ist eine Herausforderung. Hinzu kommen einige soziale Versprechen, die sich nicht leicht halten lassen. So sollen etwa alle Amerikaner einen Rechtsanspruch auf einen Job bekommen, der gut genug bezahlt ist, um damit eine Familie zu unterhalten. [1]

Vielen Unterstützern des Green New Deals geht es denn auch nicht, um dessen sofortige Umsetzung sondern um die Kandidatenauswahl der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020. Mittlerweile haben 13 Demokraten angekündigt, sich in den Vorwahlen der Partei zu bewerben. „Da mehrere 2020-Kandidaten sagen, dass sie den Green New Deal unterstützen, definiert unsere Bewegung was das heisst“, sagt Waleed Shahid von der Organisation Justice Democrats. „Wir stellen sicher, dass sich diese Kandidaten für eine Mobilisierung unserer Wirtschaft wie im Zweiten Weltkrieg einsetzen.“ [7] Der Green New Deal diene als „Lackmustest“, sagt Stephen O’Hanlon, der Sprecher der Jugendbewegung Sunrise Movement. „Alle 2020-Kandidaten müssen wissen: Wenn sie von jungen Leuten ernst genommen werden wollen, müssen sie den Green New Deal unterstützen.“ [7] Damit haben Ocasio-Cortez und Markey in kurzer Zeit schon viel erreicht. Der Bürochef von Ocasio-Cortez, Saikat Chakrabarti, sagte: „Wir dachten es würde ein Jahr dauern“, um eine Bewegung rund um den Green New Deal aufzubauen. „Aber es dauerte nur Wochen.“ [8] mic

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[1] Alexandria Ocasio-Cortez, 06.02.2019: Resolution – Recognizing the duty of the Federal Government to create a Green New Deal (PDF)

[2] The Guardian, 03.02.2019: Climate change 2020: can the Democrats make it an election issue?

[3] Yale, 14.12.2018: The Green New Deal has Strong Bipartisan Support

[4] Yale, Deyember 2018: Climate change in the American mind (PDF)

[5] Alexandria Ocasio-Cortez, Januar 2018: Draft Text for Prposed Addendum to House Rules for the 116th Congress of the United States (Google Docs)

[6] CNBC, 05.02.2019: Alexandria Ocasio-Cortez’s Green New Deal would reshape the economy in 10 years. That could shock the energy sector

[7] Vox, 07.02.2019: Alexandria Ocasio-Cortez is making the Green New Deal a 2020 litmus test

[8] Vox, 07.02.2019: The Green New Deal, explained