Trump will unrentable Atom- und Kohlemeiler unter Schutz stellen
Die „nationale Sicherheit“ der USA hängt an unrentablen Atom- und Kohlemeilern, argumentiert ein Plan des US-Energieministeriums. Daher muss deren Abschaltung muss unbedingt verhindert werden.
Den „Krieg gegen die Kohle“ wolle er beenden, versprach US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf. Dieses Versprechen beruhte auf der Annahme, die Politik drücke absichtlich die Kohle aus dem Markt. Mittlerweile ist jedoch klar, dass der Markt selbst dafür sorgt, dass immer weniger Kohle verstromt wird. In den USA ist die Stromerzeugung mit neuen Wind- und Solaranlagen billiger als in alten und voll amortisierten Kohlekraftwerken. Dadurch beschleunigt sich unter Trump der US-Kohleausstieg. Die Beratungsforma Navigant schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren Kohlemeiler mit einer Kapazität von 73 Gigawatt vom Netz gehen – ein Viertel der US-Kohlekraftwerke. „Das ist mehr als doppelt soviel als in unserer Schätzung von letztem Jahr“, sagt Bruce Hamilton von Navigant. [1] Dabei ist Navigant noch konservativ: Max Cohen von der Beratungsfirma IHS Markit schätzt, dass „rund 100 Gigawatt abgeschaltet werden. Das ist etwa ein Drittel der Flotte.“ [1] Ökonomisch wäre das sinnvoll. Die Energiemarktspezialisten von Bnef gehen davon aus, dass die Hälfte aller Kohle- und Atomkraftwerke in den USA ihre laufenden Kosten nicht decken können. [2]
Letzte Woche instruierte daher Trump seinen Energieminister Rick Perry, „sofortige Schritte zu unternehmen, um den Verlust dieser Ressourcen zu stoppen“. [3] Wie das gehen könnte, erklärt ein 41-Seiten-Dokument aus Perrys Ministerium. Dieses stellt fest, das US-Stromnetz sei zuverlässig, aber „Zuverlässigkeit im herkömmlichen Sinn ist nicht ausreichend“. [4] Das Netz müsse auch widerstandsfähig (resilient) sein und das könne nur mit Anlagen gewährleistet werden, die „einen sicheren Brennstoffvorrat vor Ort haben, inklusive Atom- und Kohlekraftwerke“. Aus diesem Grund soll eine „Strategische Stromerzeugungsreserve“ geschaffen werden, „um die nationale Verteidigung zu stärken“. Praktisch handelt es sich dabei um eine Liste von Kraftwerken, deren Abschaltung verhindert werden soll. Dafür sollen Stromnetzbetreiber dazu gezwungen werden, diesen Anlagen genug Strom abzukaufen, damit sie rentabel betrieben werden können. Initial soll dieser Zwangskauf auf zwei Jahre beschränkt werden, während denen das Energieministerium einen langfristigen Plan erarbeitet.
Für einen derart radikalen Eingriff in den Strommarkt bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Das Energieministerium scheint sich aber nicht sicher zu sein, ob das US-Energiegesetz (Federal Power Act) dafür ausreicht. Dieses setzt einen „Notfall“ voraus, um in den Strommarkt einzugreifen. Ausserdem hat Perry schon im Januar dieses Jahres versucht, aufgrund dieses Gesetzes eine Subvention für Atom- und Kohlemeiler durchzusetzen und ist damit an der Regulierungsbehörde für den Energiemarkt (FERC) gescheitert. [5] Daher setzen Perrys Juristen zusätzlich auf ein zweites Gesetz: den „Defense Production Act“ aus dem Jahr 1950. Dieses Gesetz ermöglicht weitreichende Markteingriffe im Namen der „nationalen Sicherheit“. Ausserdem räumt es dem Präsidenten einen grossen Ermessensspielraum ein, „nationale Sicherheit“ zu definieren. Damit gleicht es der Rechtsgrundlage für die US-Stahl- und Aluminiumzölle. Ironischerweise enthält der Defense Production Act aber auch einen Paragrafen zu erneuerbaren Energien: „Die heimischen Energiequellen sollten im größtmöglichen Umfang durch Nutzung erneuerbarer Energien erhöht werden.“ [6]
Wenn unrentable Atom- und Kohlemeiler künstlich geschützt werden, hat das Konsequenzen für den ganzen Strommarkt, sagt Jon Wellinghoff, ein ehemaliger FERC-Chef: „Was Trump macht, ist die Rückkehr zu einem System wie in der Sowjetunion. Wenn man eine signifikante Anzahl subventionierter Kraftwerke hat, dann führt das zu einem substantiellen Verfall der Marktpreise. Während sie ein Marktsegment schützen, könnte daher ein anderes Marktsegment in Konkurs gehen“ sagte Wellinghoff gegenüber der Spezialpublikation Utilitydive. [7] Wer letztlich dafür die Zeche zahlt ist für Wellinghoff klar: „Wenn man von einem marktbasierten System zu einem nicht-marktbasierten System wechselt, steigen die Strompreise.“ Wie schon die Stahl- und Aluminiumzölle würde dies die Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie verschlechtern. Warum sich dadurch die nationale Sicherheit verbessert, ist unklar. Vermutlich geht es daher um etwas anderes bei der „Operation Industriemuseum“. mic
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[1] Forbes, 09.05.2018: Coal Collapsing Faster Under Trump; Wind, Solar, Gas All Benefit
[3] White House, 01.06.2018: Statement from the Press Secretary on Fuel-Secure Power Facilities
[4] DOE, 29.05.2018: Draft Memo – Not for Further Distribution (PDF)
[6] Fema, Oktober 2009: The Defense Production Act of 1950 (PDF)
[7] UtilityDive, 04.06.2018: How Trump’s ‘Soviet-style’ coal directive would upend power markets