Wissenschaftler haben geheimnisvolle, neue Quelle eines FCKWs entdeckt
Dank des Montreal Protokolls ist die Herstellung ozonzerstörender Stoffe weltweit verboten. Seit Jahren sinkt daher die Konzentration dieser Stoffe in der Atmosphäre. Doch nun hat sich die Abbaurate eines Stoffes verlangsamt, was auf neue Emissionen hindeuten könnte.
Eins von Tausend Milliarden klingt nach wenig. Dieses Verhältnis entspricht drei Sekunden von 100‘000 Jahren. Doch hier geht es um einen Stoff, der die Ozonschicht zerstört. In den Jahren 2002 bis 2012 ist die Konzentration von Freon 11 (auch Trichlorfluormethan oder CFC-11) in der Atmosphäre jedes Jahr um zwei Moleküle pro eine Billion „Luftteilchen“ gesunken. Doch ab 2012 hat sich diese Rate halbiert auf eine Abnahme um nur noch ein Molekül pro Jahr. [1] „Ich mache das seit 27 Jahren und das ist das Überraschendste, das ich je gesehen habe. Ich war schockiert”, sagte Stephen Montzka von der National Oceanic and Atmospheric Administration, einer Forschungseinrichtung der US-Regierung. [2] Der Grund für Montzkas Erstaunen ist simpel: Seit dem Jahr 2007 wird weltweit kein Freon 11 mehr hergestellt. Folglich müsste die Konzentration dieses Stoffes in der Atmosphäre nun kontinuierlich sinken. Dass sich die Abnahmerate plötzlich verändert hat, lässt aber nur einen Schluss zu: neue Emissionen.
„Es scheint, jemand hält sich nicht ans Montreal Protokoll“ sagt Susan Strahan von der Nasa. [3] Das Protokoll aus dem Jahr 1987 gilt als das erfolgreichste Umweltabkommen der Welt: Es verbietet die Produktion von ozonzerstörenden Substanzen und schützt damit auch das Klima. Freon 11 hat eine 4750 mal stärkere Treibhauswirkung als CO2. Ein Verstoss gegen das Montreal Protokoll gilt als Umweltverbrechen. [4] Daher verwundert es nicht, dass sich Montzka als „Detektiv der Atmosphäre“ versteht. „Wir versuchen zu verstehen, was passiert und warum“, sagte Montzka gegenüber der britischen Zeitung Express. [2] In einem ersten Schritt berechnete er, um wieviel die Emissionen von Freon 11 zugenommen haben. Das Resultat: 13‘000 Tonnen pro Jahr. [1] „Es sieht so aus, als ob jemand das neu produziert“, sagt Montzka. [2] Für Strahan wird der Fall dadurch noch mysteriöser: „Ich weiss, nicht warum jemand Freon 11 braucht. Es gibt viele Ersatzstoffe. Das macht wirklich keinen Sinn.“ [3]
Doch wer ist dieser „jemand“? Um diese Frage zu beantworten, verglich Montzka die Freon 11 Konzentration auf der Nord- und der Südhalbkugel der Erde. Wegen der Emissionen in der Vergangenheit ist die Konzentration im Norden noch immer höher, aber der Unterschied zum Süden ging jahrelang zurück. Seit 2012 ist der Unterschied aber wieder gewachsen, um rund die Hälfte. [1] Mit Hilfe von Computermodellen der Atmosphäre versuchte Motzka dann die Emissionsquelle genauer einzugrenzen und kam zum Schluss, dass diese in Ostasien liegen muss. Mit seiner Studie im Wissenschaftsmagazin Nature habe Montzka den Jagdtrieb von Wissenschaftlern angestachelt, sagt Paul Newman, der Co-Vorsitzende des Wissenschaftspanels des Montral Protokolls: „Sie schauen ihre Daten an und forschen nach. ‚Vielleicht habe ich ein paar gute Freon 11 Messwerte?‘“ [5] Wenn das nicht hilft, blieben nur neue Messungen: „Die Leute werden ihre Instrumente herausholen und lokale Messungen machen, um die Quellen zu finden“, sagte Neman gegenüber der Internetpublikation The Outline. Ausserdem hofft Newman auf die verdächtigten Länder: „Behörden in Ostasien werden sich ihre Chemiefirmen sehr genau anschauen.“
Es gibt allerdings einen weiteren Verdächtigen, wie eine neue Studie aus dem Wissenschaftsmagazin Environmental Science and Technology zeigt: Das Missmanagement von ausgesonderten Klimaanlagen und Kühlschränken in China. [6] Gemäss Montreal Protokoll müssen ozonschädliche Kühlmittel gesammelt und vernichtet werden. Doch dies werde oft nicht getan. Die Autoren gehen daher davon aus, dass die Emissionen beim Abwracken der Geräte noch bis zum Jahr 2025 ansteigen werden und erst dann sinken. Aus Sicht von Montzka sind diese Emissionen aber zu klein: „Die beste Schätzung der Freon 11 Emissionen aus dieser Aktivität ist eine Menge, die keine merkliche Rolle beim Emissionsanstieg spielt, über den wir berichtet haben.“ [7] Noch ist der Fall also ungelöst. Dennoch bestehe kein Grund zur Panik, sagt Montzka. Wissenschaftler erwarten, dass die Ozonschicht zwischen den Jahren 2050 und 2070 wieder den Zustand von 1980 erreicht. „Wenn die erhöhten Emissionen schnell verschwinden, dann ist ihr Einfluss auf den Zeitpunkt der Erholung der Ozonschicht geringfügig“, so Montzka. [2] „Wenn sie nicht verschwinden könnte es eine zehnjährige Verzögerung geben und falls sie ansteigen ist die Verzögerung sogar noch länger.“ mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite
[2] Express, 17.05.2018: Rise in banned ozone-layer damaging chemical CFC-11 leaves scientists baffled
[4] Wikipedia, Stand 31.05.2018: Umweltkriminalität
[7] UPI, 24.05.2018: Improperly recycled refrigerators not enough to explain rise in ozone-eating gas