Trump sabotiert unauffällig die WTO

Wenn sich die USA weiter weigern neue Richter zu ernennen, wird ‚WTO-Gericht‘ beschlussunfähig

Die regelbasierte Handelsordnung beruht darauf, dass die Welthandelsorganisation WTO die bestehenden Regeln auch durchsetzt. Wenn sie das nicht tun kann, herrscht das Recht des Stärkeren.

„Die Welthandelsorganisation wurde geschaffen zum Nutzen aller ausser uns.“ Das ist die Meinung von US-Präsident Donald Trump. [1] Vor diesem Hintergrund beginnt am Sonntag in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires das alle zwei Jahre stattfindende Ministertreffen der WTO. Offiziell steht dort vor allem der Kampf gegen den illegalen Fischfang auf der Agenda. In Wirklichkeit geht es aber um die Verteidigung der multilateralen Handelsordnung gegenüber Amerikas Unilateralismus und Chinas Staatskapitalismus.

Gute Luft? Beim WTO-Treffen in Buenos Aires dürfte dicke Luft herrschen. (Foto: Boris G / Flickr)
Gute Luft? Beim WTO-Treffen in Buenos Aires dürfte dicke Luft herrschen. (Foto: Boris G / Flickr)

Diese beiden Probleme sind miteinander verknüpft. „Es gibt momentan eine Herausforderung, die wesentlich schwieriger ist als frühere und das ist China“, sagt Robert Lighthizer, der US-Handelsbeauftragte. „Und leider ist die WTO nicht dafür gerüstet, mit diesem Problem umzugehen.“ [2] Damit meint Lighthizer vor allem das WTO-Streitbeilegungsverfahren. Trump beklagt: „Wir verlieren die Prozesse, fast alle Prozesse in der WTO.“ [1] Diese Aussage ist allerdings falsch, wie die Faktenprüfer von FactCheck nachgewiesen haben. Rufus Yerxa ein früherer Vizechef der WTO sagt: „Die USA sind der häufigste Kläger und haben über 90 Prozent der Fälle gewonnen. Als Beklagter haben sie auch viele Fälle verloren so wie die meisten anderen Länder.“ [4] Trotzdem umgehen die USA seit Beginn der Trump-Regierung das WTO-Verfahren meist. So prüfen sie etwa, ob Stahl- und Aluminiumimporte die nationale Sicherheit gefährden und daher eingeschränkt werden können, statt andere Länder vor der WTO wegen Dumpings zu verklagen.

Eine noch grössere Gefahr für das WTO-Verfahren ist aber die Weigerung der USA, ausscheidende Richter zu ersetzen. Es fehlen bereits zwei von sieben Richtern. Am Montag scheidet zudem Peter Van den Bossche aus, der europäische Richter. [5] Damit ist die Minimalzahl von vier Richtern erreicht. Bleiben die USA bei ihrer Verweigerung von Nachbesetzungen ist das Gericht im Jahr 2019 beschlussunfähig. Was genau die USA bezwecken sei allerdings unklar, beklagt die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström: „Alle sind gewillt, an einer Reform des Systems zu arbeiten. Aber wir müssen wissen, was das bedeutet.“ Malmström warnt: „Wenn wir das WTO-System nicht hätten, wäre es der Wilde Westen und das wäre nicht zum Nutzen der USA.“ [2] Diese Meinung teilt auch WTO-Chef Roberto Azevêdo: Ohne das System „wären wir in einer Welt, die von unilateralen Massnahmen beherrscht wird, was im Grunde ein Euphemismus für ‚Handelskriege‘ ist.“ [2]

Das WTO-Streitbeilegungsverfahren benutzt dafür China. Das Land hat dort die EU verklagt, weil diese nicht willens ist, China als ‚Marktwirtschaft‘ anzuerkennen. Peking meint, diese Kategorisierung stehe China automatisch zu. Für die EU sind dafür aber die Bedingungen nicht erfüllt. China erzwingt etwa einen Technologietransfer, weil ausländische Investoren gezwungen sind Joint Ventures mit chinesischen Firmen zu gründen. Ausserdem verlangt Peking seit Neuestem, dass im Direktorium grosser Unternehmen ein Vertreter der kommunistischen Partei sitzt. Die USA unterstützen die EU in diesem Fall und Lighthizer warnt, eine Entscheidung zugunsten Chinas wäre ein „Endzeitereignis“ für die WTO. [2]

Aber auch ohne ein solches Ereignis ist die WTO in einer schwierigen Lage, meint Daniel Gros, der Chef des Thinktanks ‚Center for European Policy Studies‘: „Die Welt sollte sich auf die Erosion der WTO vorbereiten.“ [6] Für Gros ist das Problem strukturell: Die USA, China und die EU sind in etwa gleich gross. Gemäss einer Studie des Wirtschaftsnobelpreisträgers Paul Krugman sei das aber die ungünstigste Situation für ein regelbasiertes Handelssystem. Hinzu komme, dass die USA kaum noch auf Öl- und Gasimporte angewiesen sind. Daher sinke auch ihr Bedarf Exporterlöse zu erwirtschaften und sich daher für freie Märkte einzusetzen.

Doch nun zum eigentlichen Thema des Treffens: Fisch. Die Länder wollen im Rahmen der WTO, Subventionen für den illegalen Fischfang verbieten. Hierzu liegt mittlerweile ein konsolidierter Verhandlungstext vor. Die USA sind aber „skeptisch“, ob die Zeit für einen Abschluss der Verhandlungen reicht. [7] Ansonsten werden sich die Minister vor allem darüber austauschen, worüber sie in Zukunft verhandeln wollen: Die Entwicklungsländer möchten die noch offenen Punkte der ‚Doha Runde‘ abarbeiten, während die EU über neue Themen wie den Internethandel reden will. Wenn das WTO-Streitbeilegungsverfahren durch das Recht des Stärkeren ersetzt wird, wäre ein Durchbruch bei diesem Streit allerdings müssig. mic

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[1] Forbes, 27.11.2017: Trump Is Quietly Trying To Vandalize The WTO

[2] Financial Times, 06.12.2017: WTO faces an identity crisis as Trump weighs going it alone

[4] FactCheck, 27.10.2017: Trump Wrong About WTO Record

[5] The Economist, 07.12.2017: As WTO members meet in Argentina, the organisation is in trouble

[6] Daniel Gros, 06.12.2017: Whither the Multilateral Trading System?

[7] Bridges, 19.10.2017: WTO Negotiators Consider Integrated Text on Fish Subsidies