Grossbritannien und Kanada planen Heerschau der Kohleausstiegs-Länder
In Deutschland wird noch um den Kohleausstieg gerungen. Viele andere Länder sind da weiter und haben schon ein Ausstiegsdatum. Aus Klimasicht ist die Frage zudem klar: 2030 muss in Europa der letzte Kohlemeiler vom Netz.
«Im Jahr 2006 haben wir noch den Bau neuer Kohlekraftwerke geplant», erzählt Steven Mills vom britischen Wirtschaftsministerium. «Zwei Jahre später wurde das Klimawandelgesetz verabschiedet. Manchmal ändern sich die Dinge rasend schnell.» Im Jahr 2012 hat Grossbritannien dann einen CO2 Mindestpreis von 18 Pfund pro Tonne CO2 eingeführt. Fünf Jahre später ist das Ende der Kohleverstromung absehbar. Zudem hat London vor zwei Monaten ein endgültiges Ausstiegsdatum festgelegt: den 31. Dezember 2025.
Eine ähnliche Dynamik hat das kanadische Kohleausstiegsgesetz ausgelöst. Dort wird nächstes Jahr ein CO2-Preis von zehn kanadischen Dollar eingeführt, der innert fünf Jahren auf 50 Dollar steigt. «Wir haben eine nicht-lineare Reaktion auf den Beschluss gesehen», sagt Binnu Jeyakumar von der Umweltorganisation Pembina aus der kanadischen Provinz Alberta. «Die Stromkonzerne haben bereits vorzeitige Stillegungen, die Umstellung von Kohle auf Gas und einen massiven Ausbau der Erneuerbaren angekündigt.» Dabei ist das Ausstiegsdatum noch relativ weit weg: der 31. Dezember 2029.
Aus Klimasicht ist der Kohleausstieg zwingend, sagt Bill Hare von Climate Analytics: «Ohne den Ausstieg aus der Kohleverstromung können die Ziele des Paris Abkommens nicht erreicht werden.» Hare schlägt einen gestaffelten Ausstieg vor: Bis 2030 müssen alle Industriestaaten, also auch die EU, den letzten Kohlemeiler abschalten. China hat bis 2040 Zeit und der Rest der Welt bis 2050. Denn spätestens dann muss «die globale Stromerzeugung komplett CO2-frei sein».
Abgesehen von Grossbritannien und Kanada werden viele weitere Industriestaaten einen fristgemässen Ausstieg bis 2030 schaffen: Neuseeland (2022), Frankreich (2023) und Österreich (2025) werden die ersten sein. Im Jahr 2030 folgen dann fünf weitere Länder: die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden und Portugal. Ausserdem haben sieben EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen und Island schon heute keine Kohlemeiler. Nach aktuellem Stand werden somit mindestens 19 westliche Industrienationen in 13 Jahren keine Kohlekraftwerke mehr haben.
Um dem Ziel einer Welt ohne Kohlestrom näher zu kommen, schmiedet Grossbritannien zusammen mit Kanada nun eine Allianz der Länder, die eine Kohleausstieg beschlossen haben. Diese Allianz wird nächste Woche vorgestellt, wenn die Minister zur Klimakonferenz kommen. Neben Ländern werden sich dort auch Bundesstaaten und Städte zum Kohleausstieg bekennen. In Frage kommen hier etwa Kalifornien und Hawaii oder das Bundesland Berlin sowie Metropolen wie Peking, Delhi oder New York. Ob München, wo soeben die Abschaltung des letzten Kohlekraftwerks per 2022 beschlossen wurde, sich auch der Allianz anschliessen wird, ist derzeit nicht bekannt.
Absehbar ist hingegen, wer nicht zu dieser neuen Allianz gehören wird: Deutschland. Dennoch wird auch in Berlin die neue Initiative Beachtung finden. «Mit dem Start der Allianz geht eine deutliche Einladung an Deutschland einher, ebenfalls beizutreten», sagt Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. «Es wäre beschämend, wenn ausgerechnet der Gastgeber der Weltklimakonferenz solch eine Einladung ausschlagen würde.» Nach Stand der Dinge wird aber genau das passieren. mic
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