Umweltverbände halten Mahnwachen vor deutschen Botschaften ab
Deustschland und Frankreich sollen in der Klimapolitik eng zusammenarbeiten, fordern Umweltverbände. Sie erhoffen sich davon nicht nur mehr Klimaschutz sondern auch, dass der ‚deutsch-französische Motor‘ der europäischen Einigung wieder in Schwung kommt.
Jochen Flasbarth wirkt traurig. „Stellen Sie das Klima in das Zentrum der EU Politik“ hatte Neil Makaroff vom französischen Ableger der Umweltorganisation WWF gefordert. Adressaten waren Flasbarth, der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, und seine französiche Kollegin Brune Poirson. Makaroff beschwört die Chance, dass die beiden neuen Regierungen in Frankreich und Deutschland in der Klimapolitik zusammenarbeiten und in Europa und der Welt Führungsstärke zeigen. Diese Chance sieht auch SPD-Mitglied Flasbarth, aber er selbst wird nicht dabei sein.
Deutsch-französische Führung ist dringend erforderlich, denn das frühere Führungsduo ist weitgehend ausgefallen: Die USA haben in der Klimapolitik fast schon Pariah-Status – als einziges Land der Welt, das aus dem Paris Abkommen aussteigen will. Und China beansprucht zwar den „Fahrersitz“ in der Klimadiplomatie, hat aber an der UN-Klimakonferenz in Bonn keine Initiativen vorgestellt, mit denen es Industrie- und Entwicklungsländer hinter sich scharen kann. Bleibt also die EU, respektive deren ‚Motor‘ Deutschland und Frankreich. Die beiden Länder legen denn auch demonstrative Geschlossenheit an den Tag: „Wir wollen beide so schnell wie möglich klimaneutral werden“ sagt Poirson und Flasbarth konkretisiert: „Um die Ziele des Paris Abkommens zu erreichen, müssen die Industriestaaten ihre Emissionen bis zum Jahr 2050 auf Null reduzieren.“ Einigkeit herrscht auch bei der Notwendigkeit des Kohleausstiegs. Frankreich will diesen bis 2022 umsetzen und Flasbarth sagt: „Wir wissen, dass wir spät gestartet sind, weshalb es jetzt eine grose Aufgabe der neuen Regierung sein wird.“
Wenn man genau hinhört, zeigen sich aber auch Unterschiede: Frankreich will einen CO2-Mindestpreis für die Emissionen aus dem Stromsektor. Das fällt Paris leicht, da in Frankreich der meiste Strom CO2-frei in Atomkraftwerken erzeugt wird. Deutschland will hingegen einen Mindestpreis für alle Sektoren ausserhalb des EU-Emissionshandels. Für den kohlelastigen, deutschen Stromsektor gäbe es somit keinen Mindestpreis.
Die Umweltorganisationen setzen daher darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emanuel Macron derartige Probleme ausräumen. In einem offenen Brief fordern 18 deutsche und französische Umweltverbände nicht nur einen CO2-Mindestpreis sondern vor allem ehrgeizigere Klimaziele. Derzeit will die EU ihre Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren. Doch dieses Ziel stamme noch aus der Zeit vor Verabschiedung des Paris Abkommens, moniert Michael Schäfer vom WWF Deutschland. Erforderlich sei aber ein Ziel von minus 55 Prozent, wie es etwa die neue holländische Regierung fordere. Dabei geht es den Umweltverbänden nicht nur ums Klima, wie ihr Brief zeigt: „Wir sind davon überzeugt, dass eine solche Klima-Agenda, den gesamten EU-Reformprozess voranbringen wird.“
Die Umweltorganisationen haben aber auch eine Forderung nur an Merkel und damit indirekt an die Unterhändler der Jamaika-Koalition: den deutschen Kohleausstieg bis 2030. Dazu werden heute (Dienstag) Mahnwachen vor dem Kanzleramt in Berlin und vor den deutschen Botschaften in New York (deutsche Botschaft bei der UNO), London, Paris, Sao Paolo (Brasilien), Washington und eventuel in Nairobi (Kenia) organisiert. Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung appeliert an die Kanzlerin: „Deutschland als der Mit-Gastgeber der Klimakonferenz sollte der Welt ein Angebot machen.“ Und dieses könne kurzfristig nur in einer Massnahme bestehen, dem Kohleausstieg. Denn im Gegensatz zu allen anderen Klimaschutzmassnahmen sei „Kohle simpel“.
Bei den Verhandlungen in Bonn ging es derweil nicht um kurzfristig wirksame Massnahmen, sondern um Fortschritte bei der Ausarbeitung der Bedienungsanleitung für das Paris Abkommen, das Jahrzehnte gelten wird. Dabei wurde „das Wichtigste“ erreicht, sagt der Chef der Schweizer Delegation, Franz Perrez. „Wir haben in allen Bereichen ein Dokument, das die verschiedenen Position aufzeigt.“ Der Fortschritt war in den verschiedenen Bereichen allerdings unterschiedlich: So habe der Text zu Emissionsreduktionen 180 Seiten und sei „sehr unübersichtlich“. Besser sähe es dafür etwa bei den Transparenzregeln aus. Damit haben die Klimadiplomaten ihre Arbeit weitgehend abgeschlossen und geben nun den Stab an die politische Ebene weiter. Dort lasse sich ablesen, wie wichtig der Welt das Paris Abkommen sei, meint Perrez und stellt erfreut fest: „Es kommen sehr viel mehr Staats- und Regierungschefs als erwartet.“ mic
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