EU geht in Klimaoffensive

USA haben Führungsrolle in der internationalen Klimapolitik und –diplomatie aufgegeben

Bei den Klimaverhandlungen in Bonn stand anfangs die zukünftige Klimapolitik der Trump-Regierung im Mittelpunkt des Interesses. Am letzten Tag trumpfte die EU dann aber auf und schmiedete eine Allianz, der mehr als die Hälfte aller Länder angehört.

Die EU ist bereit die Führung in der internationalen Klimapolitik zu übernehmen. Dies signalisierte sie am letzten Tag der UN-Klimakonferenz in Bonn: Die EU hat sie sich mit 79 Entwicklungsländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik (den ‚AKP-Staaten‘) auf eine gemeinsame Position bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens geeinigt. „Wir werden das Paris-Abkommen verteidigen – Industriestaaten und Entwicklungsländer gemeinsam“, sagte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete. [1] „Unser gemeinsames Eintreten für diesen Vertrag ist heute so wie in Paris: unumkehrbar und nicht verhandelbar.“ [1] Die EU und die AKP-Staaten machen mehr als die Hälfte aller Länder aus. „Die USA geben ihre Führungsposition beim Klimaschutz auf“, sagte Mohamed Adow von der Entwicklungsorganisation Christian Aid und lobte die EU für ihre „klare und starke Botschaft“ „in dieser Stunde der Not“. Wie dringlich die Lage ist verdeutlichte der äthiopische Vorsitzende der ‚Allianz der besonders vom Klimawandel betroffenen Länder‘, Debasu Bayleyegn Eyasu: „Das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, ist eine Frage des Überlebens für uns.” Damit haben die USA geschafft, was dem Paris-Abkommen noch nicht ganz gelungen war: die Aufhebung des Gegensatzes von Industrie- und Entwicklungsländern. „Der Gegensatz verläuft vielmehr zwischen denen, die ein robustes Klimaregime wollen, und jenen, die dies vermeiden möchten“, sagte der Leiter der Schweizer Delegation Franz Perrez.

Wo ist die Kohle? Delegierte in einem 'Huddle' während der Verhandlungen zum Budget. (Foto: IISD)
Wo ist die Kohle? Delegierte in einem ‘Huddle’ während der Verhandlungen zum Budget. (Foto: IISD)

Die Allianz der besonders vom Klimawandel betroffenen Länder, das Climate Vulnerable Forum (CVF), forderte die Staatengemeinschaft zu schnellerem Handeln auf. „Das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, ist einfach eine Frage des Überlebens für uns”, sagte der CVF-Vorsitzende Debasu Bayleyegn Eyasu. Das Pariser Klimaschutzabkommen sei ihr Rettungsanker. Zu den mehr als 40 Ländern gehören kleine Inselstaaten wie Fidschi oder die Maledivien, die vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind, aber auch etliche Entwicklungsländer wie Niger und Senegal, die sich auf eine Zunahme von Wetterextremen und längere Dürren einstellen müssen. In Anspielung auf Trump sagte der philippinische Delegierte Emmanuel De Guzman, dass ohne größere Anstrengungen könne kein Land „ever be great again“ (englisch für: jemals wieder grossartig sein).

Zu Beginn des Treffens standen noch die USA im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auffallend war die US-Mini-Delegation mit nur sieben Diplomaten. Zum Vergleich: Vietnam war mit mehr als doppelt sovielen Verhandlern in Bonn. Ausserdem wollte die Regierung von US-Präsident Donald Trump letzte Woche Dienstag bekannt geben, ob die USA Teil des Paris-Abkommens bleiben. Doch dann wurde diese Entscheidung auf Ende Mai verschoben. Vorher findet so noch Trumps Papstaudienz und der G7-Gipfel statt – zwei Treffen, bei denen der Verbleib der USA im Paris-Abkommen auf der Agenda steht. In Bonn sei die US-Delegation „beinahe unsichtbar“ gewesen, sagte Wendel Trio vom Klimanetzwerk CAN. Fragen nach der US-Klimapolitik beantwortete der US-Chefdiplomat, Trigg Talley, in Bonn stets mit: Diese werde einer „Überprüfung“ unterzogen. Damit hatte die US-Delegation „kein Verhandlungsmandat“ sagte Trio, mit einer Ausnahme: „Der einzige US-Beitrag war, dass die USA kein Klimageld zur Verfügung stellen, aber das wussten eh schon alle.“

Unklar ist hingegen, ob die USA ihr Emissionsziel aufweichen können, wenn sie im Paris-Abkommen bleiben. Der Vertrag lässt hier einen gewissen Interpretationsspielraum in dem relevanten Artikel: Ein Land „kann jederzeit sein (Emissionsziel) anpassen im Hinblick auf eine Erhöhung seines Ambitionsniveaus“. Aus Sicht von Jonathan Church, einem Anwalt der Umweltorganisation Client Earth, erlaubt dies keine Aufweichung des Emissionsziel. Dies wäre eine „übertrieben freizügige Interpretation des Artikels“ und eine Abschwächung des Ziels folglich „ein Bruch des Paris-Abkommens“. [2] Anders sieht dies Laurence Tubiana, eine der Architektinnen des Vertrags: „Natürlich können die USA ihren Beitrag reduzieren, aber sie sollten nicht.“ Diplomatisch gibt sich in dieser Frage derweil die EU: „Wir müssen sehen, womit die Trump Regierung schliesslich rauskommt“, sagte Yvon Slingenberg von der EU-Kommission. „Es ist wichtig, dass die Länder ihren Beitrag in unterschiedlichen Formen leisten können.“

Auch ohne nennenswerten Beitrag der USA haben die Klimadiplomaten in Bonn derweil ihr eigentliches Ziel weitgehend erreicht: die Umrisse der Gebrauchsanleitung für das Paris-Abkommen zu erarbeiten. Hier geht es um sehr technische Fragen etwa: Wer berichtet wann und wie über seine Emissionen und Klimaschutzmassnahmen? Dabei sei der Fortschritt „passabel, wenn auch recht langsam“ gewesen, sagte Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Warum dem so war erklärte Perrez. „Dies hat einerseits damit zu tun, dass viele technische Fragen noch vertiefteres Verständnis benötigen. In anderen Bereichen sind die Parteien aber auch einfach noch nicht bereit, sich zu bewegen. Insgesamt denke ich, sind wir aber immer noch auf Kurs.“

Auf Kurs ist auch das Sekretariat der UN-Klimakonvention. Dabei ging es hier nicht wie so oft um Billionen sondern um einen fast schon trivialen Betrag: Knapp 55 Millionen für das Budget der beiden Jahre 2018 und 2019. Das UN-Sekretariat hatte ursprünglich eine Erhöhung um 9,7 Prozent beantragt. Auf Wunsch der Mitgliedsländer hatte es aber auch einen Budgetvorschlag ohne Erhöhung erarbeitet. Mit diesem gelang es dem Sekretariat aber für einmal alle Länder zu einen: Der Vorschlag den Beitrag der Klimakonvention an den Weltklimarat IPCC zu streichen, wurde von grossen und kleinen, armen und reichen Ländern kritisiert. Schliesslich gelang aber eine Einigung: Dem Klimasekretariat steht in den nächsten beiden Jahren 4,1 Prozent mehr Geld zur Verfügung und der Beitrag an den IPCC bleibt erhalten.

Ob schliesslich auch die Klimapolitik auf Kurs bleibt, zeigt sich schon nächste Woche beim Petersberger Dialog. Für dieses Teffen auf Ministerebene wird eine weitere EU-Initiative erwartet: Die EU, China und Kanada werden dort voraussichtlich die Übernahme des ‚Major Economies Forums‘ (MEF) bekannt geben. Das MEF ist eine Klimainitiative der USA, die Trump wohl nicht weiterführen wird. Sollten die drei Länder das MEF übernehmen, signalisieren sie damit erneut: Es geht auch ohne Amerika. mic (mit Sandra Kirchner)

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[1] EU, 18.05.2017: EU and 79 African, Caribbean, Pacific countries in joint push to defend and implement global climate deal

[2] CarbonBrief, 08.05.2017: Can the US legally weaken its Paris Agreement climate pledge?