Doch viele wollen verhindern, dass diese Karte gespielt wird
Europa und die Welt haben enorm von der liberalen Weltordnung profitiert, die nicht zuletzt die USA seit dem 2. Weltkrieg aufgebaut haben. Doch nun wurde diese Ordnung zum Abriss freigegeben. Dagegen kann Europa nicht viel machen, oder doch?
Im Jahr 2015 erreichte der Multilateralismus seinen Höhepunkt. Erst verabschiedeten die Länder der Welt die ‚Nachhaltigen Entwicklungsziele‘ (SDGs). Sie nahmen sich vor, innert 15 Jahren Hunger und Armut – weltweit – abzuschaffen und die Übernutzung der Natur zu beenden. Nie zuvor hat sich die Menschheit ehrgeizigere Ziele gesetzt. Das Versprechen war: „Niemand wird zurückgelassen.“ Drei Monate später ging es dann bereits an die Umsetzung von einem der 17 Ziele. In Paris verabschiedeten die Länder ein Abkommen, mit dem die Klimaerwärmung auf zwei Grad oder besser sogar auf 1,5 Grad begrenzt werden soll.
Keine 18 Monate später sieht die Welt ganz anders aus. Die liberale Weltordnung ist zum Abriss feigegeben. Das Imperium wird zum Schurkenstaat und grölt: ‚America First, America First‘. Die multilaterale Zusammenarbeit, die regelbasierte Ordnung, die Rechte und Freiheiten des Einzelnen, Verträge und Abmachungen gelten nur noch wenig. Wo Politik früher auf Interessen und Werte gestützt war, zählen plötzlich nur noch Interessen. Freunde und Allianzpartner werden einzig daran gemessen, welchen finanziellen Nutzen man aus ihnen schlagen kann. Wissenschaft und Expertise werden in den Dreck gezogen. Innert Monaten wurde das alte Links-Rechts-Schema durch ein neues ersetzt: ‚Globalisten‘ gegen ‚das wahre Volk‘.
Vor diesem Hintergrund muss Europa handeln, schliesslich sind Freiheit, Wohlstand und Sicherheit in Gefahr. Doch was tun? Europa hätte sich in jedem Fall für die Entwicklungsziele und das Paris Abkommen eingesetzt. Genau so wie für die Achtung der Menschenrechte, für humanitäre Hilfe, für Krisenprävention und –management etc. Doch in all diesen Bereichen ist Europas Engagement ‚eingepreist‘. In anderen Bereichen fehlen Europa die Mittel: Europa kann nicht im südchinesischen Meer das Urteil des Internationalen Seegerichtshof zum Inselstreit durchsetzen. Selbst in der Nachbarschaft braucht Europa US-Rückendeckung. Deutschland und Frankeich haben im Ukrainekonflikt vermittelt, aber es war immer klar, auf welcher Seite die Regierung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama stand.
Eine Trumpfkarte hat Europa aber: den grössten und offensten Markt der Welt. Doch ausgerechnet diese Karte kann Europa nur schwer spielen. Kein Thema hat in den letzten Jahren so viele Menschen auf die Strasse gebracht wie die Ablehnung von Freihandelsverträgen. Selbst das Abkommen mit Kanada stand kurz vor dem Scheitern, obwohl das Land in der Weltpolitik in etwa die Rolle von Knut hat, dem Eisbärbaby. Damit spielen die ,Globalisierungskritiker‘ direkt in die Hände der Vetreter ‚des wahren Volks‘. Globalisierung hat mehrere Elemente und man kann nicht gegenüber Menschen und Ideen offen sein, aber den freien Fluss von Gütern und Dienstleistungen ablehnen. Es ist widersinnig, ein globales Klimaabkommen zu fordern und gleichzeitig Regeln für den Welthandel zu bekämpfen. Denn genau darauf zielt der aktuelle US-Präsident Donald Trump ja ab: in einer Welt ohne Regeln gilt das Recht des Stärkeren.
Europa sollte daher Freihandelsabkommen strategisch nutzen, um die liberale Weltordnung zu stützen. Die Voraussetzungen dafür sind hervorragend: Mit Kanada besteht ein fertig ausgehandelter Vertrag und es laufen Verhandlungen, um das Abkommen mit Mexiko zu modernisieren. Mit den meisten Mitgliedern der ‚Transpazifischen Partnerschaft‘, der von Trump gestoppten Freihandelszone rund um den Pazifik, hat die EU bereits Abkommen oder ist in Verhandlungen. Mit Japan steht ein Abschluss gar kurz bevor. Dabei haben alle diese Länder Eins gemein: Trump hat angekündigt, die Handelsbeziehungen mit ihnen (auf bilateraler Ebene) neu zu ordnen. Doch auf bilateraler Ebene sind diese Länder schwach. Hier kann die EU den Unterschied machen: Sie kann alle ihre bilateralen Abkommen mit diesen Ländern zu einem multilateralen Abkommen verknüpfen. Sie kann eine weltumspannende Freihandelszone mit dem EU-Binnenmarkt als Anker schaffen. Diese Zone wäre automatisch so gross, dass sie de facto die Regeln für den Welthandel setzt. Dem trumpschen Bilateralismus, würde europäischer Multilateralismus entgegen gesetzt. Doch damit Europa seine Trumpfkarte spielen kann, müssen die Menschen verstehen, dass die Frage nicht lauten darf: Gibt es in Japan Chlorhühnchen? Sondern lauten muss: In welcher Welt wollen wir leben? Und bei der Beantwortung der zweiten Frage kann Europa durchaus mitreden – wenn es will. mic
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