Das grosse Spiel um Zyperns Gas

Eine Lösung des Zypernkonflikts könnte auch Folgen für den europäischen Gasmarkt haben

Drei Länder im östlichen Mittelmeer verfügen über unerschlossenen Gasfelder: Zypern, Israel und Ägypten. Bei der Erschliessung dieser Felder wird Zypern in jeder der möglichen Varianten eine Rolle spielen. Welche Variante zum Zug kommt, entscheiden aber andere.

Zypern und Israel haben ein gemeinsames Problem. Beide haben Gasfelder in ihren Gewässern entdeckt (siehe Tabelle unten). Doch es lohnt sich nur dann, diese Gasfelder auszubeuten, wenn ein Teil des Gases exportiert wird. Der Heimatmarkt der beiden Länder ist schlicht zu klein, um die erforderlichen Milliardeninvestitionen für die Erschliessung der Felder zu rechtfertigen. Israel hat mittlerweile mit Jordanien einen Abnehmer gefunden. Doch das reicht noch nicht. Zypern und Israel planen daher ihre Gasfelder zusammenhzuhängen und gemeinsam eine Exportroute für ihr Gas nach Europa zu finden. Dabei haben sie drei Möglichkeiten:

1.       Über Ägypten: Es gibt bereits eine Gaspipeline zwischen Ägypten und Israel, die derzeit nicht genutzt wird. Ausserdem gibt es in Ägypten zwei Anlagen zur Verflüssigung von Erdgas (siehe Karte unten), die still stehen, weil Ägypten kein Gas für den Export hat. Das wird sich aber ändern, wenn das Land sein ebenfalls neu entdecktes Gasfeld Zhor erschliesst. Dieses ist von allen neuen Vorkommen im östlichen Mittelmeer das grösste und wird in jedem Fall erschlossen. Der Haken: Russland hat sich im Dezember letzten Jahres in das Zhorfeld eingekauft. Moskau kontrolliert 30 Prozent der Anteile und hat eine Option auf fünf weitere Prozent. Damit ist Russland auch im östlichen Mittelmeer einer der grossen Player im Gasmarkt. Micha’el Tanchum von der Hebräischen Universität in Jerusalem warnt daher: Russland habe ein Interesse, dass Israel und Zypern ihr Gas über Ägypten exportieren, „um grösseren Einfluss über nicht-russische Gasvorkommen und Gashandelsrouten in die EU zu bekommen.“ [1]

Gute Nachbarn? Die zypriotischen, israelischen und ägyptischen Gasfelder liegen nah beieinander. Folglich wäre es sinnvoll, diese mit nur einer Pipeline zu erschliessen. Die Frage ist nur: Wo würde diese Pipeline anlanden? (Karte: Middle East Economic Survey via Bruegel)
Gute Nachbarn? Die zypriotischen, israelischen und ägyptischen Gasfelder liegen nah beieinander. Folglich wäre es sinnvoll, diese mit nur einer Pipeline zu erschliessen. Die Frage ist nur: Wo würde diese Pipeline anlanden? (Karte: Middle East Economic Survey via Bruegel)

2.       Über die Türkei: Die einfachste und billigste Lösung wäre, eine Gaspipeline von Israel über Zypern in die Türkei zu bauen. Die zypriotische Regierung will dem aber nur zustimmen, wenn zuerst der Zypernkonflikt gelöst wird. Das lässt für den Zypernkonflikt hoffen, denn die Türkei will der Gasumschlagsplatz der Region werden und hat folglich ein Interesse an der Pipeline. Anders Russland meint Tanchum: Moskau wäre „der grösste Nutzniesser, wenn die Gespräche in Genf scheitern“. [1] Aber auch in Israel gibt es kritische Stimmen zur Türkei-Option: „Isreal sollte wegen der politischen Risiken eine Pipeline in die islamistische Türkei ausschliessen.“, sagt Ariel Ben Solomon von der Bar-Ilan Universität bei Tel Aviv. Er fürchtet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan könnte den Gasfluss „stoppen und Israel als Geisel nehmen“. [2]

Who lost Cyprus? Diese Frage kann aus türkischer Sicht eindeutig beantwortet werden: Mehmed V. Während der Herrschaft des zweitletzten osmanischen Sultans haben die Engländer Zypern annektiert. (Bild: Unbekannt)
Who lost Cyprus? Diese Frage kann aus türkischer Sicht eindeutig beantwortet werden: Mehmed V. Während der Herrschaft des zweitletzten osmanischen Sultans haben die Engländer Zypern annektiert. (Bild: Unbekannt)

3.       Über Griechenland und Italien: Grundsätzlich bestünde auch die Möglichkeit eine Pipeline von Israel über Zypern nach Griechenland zu bauen und dann weiter nach Italien. Zypern ist aber 1300 Kilometer von Griechenland entfernt und das Meer dazwischen ist bis zu 3000 Meter tief. Diese Pipeline wäre folglich immens teuer. Dafür gibt es bereits eine Machbarkeitsstudie der EU, die den israelischen Energieminister Yuval Steinitz optimistisch stimmt: „Als wir vor einem Jahr über (die Pipeline) geredet haben, dachten viele das sei unrealistisch, aber jetzt sagt die EU, es könnte klappen. Das ist ein grosser Durchbruch.“ [3] Aus geostrategischer Sicht hätte die Israel – Italien Pipeline sowohl für Israel als auch für die EU Vorteile: Eine Abhängigkeit von Drittstaaten wie der Türkei oder Ägypten (und damit indirekt Russland) könnte vermieden werden.

Die grössten, neu entdeckten Gasfelder im Mittelmeer

LandGasfeldEndecktGasmenge
ÄgyptenZhor2015850 Mrd. m3
IsraelTamar2009283 Mrd. m3
Leviathan2010623 Mrd. m3
ZypernAphrodite2011198 Mrd. m3

Abgesehen von geostrategischen Überlegungen wird die Entscheidung für die eine oder andere Variante aber noch von einem weiteren Faktor abhängen: dem Gaspreis. Der Ölpreis hat sich mittlerweile wieder etwas erholt. Früher hätte das auch steigenden Gaspreise bedeutet, da der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt war. Doch mittlerweile gibt es einen Spotmarkt für Gas mit tagesaktuellen Preisen. Dies ist dem starken Wachstum von Flüssiggas (LNG von englisch ‚Liquified Natural Gas‘) zu verdanken. Flüssiggastanker können ihre Ladung überall dort aufnehmen und löschen, wo die entsprechenden Terminals vorhanden sind. Damit sind ganz neue Länder als Exporteure auf dem internationalen Gasmarkt aktiv: Australien und die USA. Die US-Energiebehörde EIA schätzt, dass sich die Kapazität der globalen Verflüssigungsanlagen von 2015 bis 2019 um ein Drittel erhöhen wird. 93 Prozent der Zusatzkapazität entfallen dabei auf Australien und die USA. Das wird nicht nur die Hackordnung auf dem LNG-Markt durcheianderwirbeln sondern sorgt auch für eine Gasschmwemme. Die EIA kommt zum Schluss: „Der kurzfristige Ausblick für den LNG-Handel deutet auf ein Überangebot hin, da der Markt Zeit braucht, um die grossen Mengen an LNG zu absorbieren, die neu auf den Markt kommen.“ [4] Oder in anderen Worten: Gas bleibt billig. Trotz der geostrategischen Bedenken kommen damit Ägypten und die Türkei wieder ins Spiel. Aus zypriotischer Sicht ändert das wenig: Das Land bleibt Teil des Spielfelds. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email
oder folgen sie der Facebook Seite

[1] The Jerusalem Post, 11.01.2017: Israel – Turkey pipeline hangs on Cyprus peace talks

[2] Besa, 07.10.2016: Israel Should Avoid Turkey, Include Cyprus in Gas Export Projects

[3] Bloomberg, 27.10.2016: Israel Sees Higher Chance of Gas Export to Europe Via Greece

[4] EIA, 11.05.2016: International Energy Outlook – Chapter 3: Natural gas