Kampf gegen Klimawandel entscheidet sich in den nächsten fünf Jahren
Im vergangenen Jahr wurden Erfolge beim Klimaschutz erzielt. Doch bislang stagnieren die Emissionen nur. Dabei müssen sie sofort und schnell sinken. Nur weiss das kaum jemand.
Noch fünf Jahre. Dann hat die Menschheit ihr Treibhausgas-Budget aufgebraucht, wenn sie die Klimaerwärmung mit einer zwei Drittel Chance unter 1,5 Grad halten will. Um den Klimawandel bei zwei Grad zu stoppen, kann die Welt noch 20 Jahre lang soviel emittieren wie dieses Jahr (siehe Grafik). [1] Die Menschheit hat einen historischen Fehler gemacht: Die auf Kohle, Öl und Gas beruhende Energieversorgung ist „strukturell nicht-nachhaltig“ wie der Historiker Rolf Sieferle bemerkte, denn damit wurde ein Monster geweckt: „Das Klima ist ein streitsüchtiges Biest, das beim kleinsten Anlass überreagiert“, warnte der Klimaforscher Wallace Broeker schon im Jahr 1995. [2] Damals war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre noch zehn Prozent niedriger als heute. [3]
CO2 hält sich Jahrhunderte. Soll der Klimawandel gestoppt werden, müssen die Emissionen daher sofort fallen. Die Unternehmensberatung PWC hat ausgerechnet, dass die ‚CO2-Intensität’ der Weltwirtschaft jedes Jahr um 6,5 Prozent sinken muss, damit die Zwei-Grad-Schwelle nicht gerissen wird. [4] Derzeit produziert die EU 180 Gramm CO2 pro Dollar Bruttoinlandsprodukt, die USA 301 Gramm und China 475 Gramm (siehe Tabelle). Diese Werte müssen sinken, doch davon ist die Welt noch weit entfernt: Letztes Jahr ist die CO2-Intensität global um 2,8 Prozent gesunken, was wegen des Wachstums von 3,1 Prozent für eine Stabilisierung der Emissionen gesorgt hat. Für PWC ist das ein „positives Resultat“. Denn die 2,8 Prozent sind ein Rekordwert. Im Schnitt der letzten 15 Jahre verbesserte sich die CO2-Intensität nur um 1,3 Prozent pro Jahr. Den grössten Fortschritt hat letztes Jahr China gemacht. Dort sank die CO2-Intensität um 6,4 Prozent während die USA auf eine Verbesserung von 4,7 Prozent kommen. Abgeschlagen rangiert die EU: Dort wurde eine Verbesserung um 0,7 Prozent erzielt.
Verbesserung der CO2-Intensität ausgewählter Länder
Land | Veränderung der CO2-Intensität | Wirtschafts-wachstum | Emissions-wachstum | CO2-Intensität in Gramm CO2 pro BIP-Dollar |
---|---|---|---|---|
EU | -0.70% | 1.90% | 1.20% | 180 |
Deutschland | -1.10% | 1.70% | 0.50% | 195 |
China | -6.40% | 6.90% | 0.40% | 475 |
USA | -4.70% | 2.40% | -2.40% | 301 |
Welt | -2.80% | 3.10% | 0.20% | 295 |
Mit einer baldigen Beschleunigung beim Klimaschutz ist nicht zu rechnen, ausser die Länder verschärfen ihre Klimapläne deutlich: Mit den jetzigen Plänen verbessert sich die CO2-Intensität nur um 2,8 Prozent pro Jahr – statt um die erforderlich 6,5 Prozent. Trotzdem war die internationale Klimapolitik in den vergangenen zwölf Monaten erfolgreich. Das Paris-Abkommen verpflichtet zum ersten Mal alle Länder der Welt zur Begrenzung ihrer Emissionen und nicht nur die Industriestaaten. Ausserdem ist es bereits in Kraft und bleibt es auch, selbst wenn der künftige US-Präsident Donald Trump aus der UN-Klimakonvention austritt. Weiter haben die Länder vereinbart, die Emissionen aus der Luftfahrt auf dem Niveau von 2020 zu deckeln. Die Schifffahrt ist noch nicht ganz so weit, aber auch dort werden Klimaschutzmassnahmen auf globaler Ebene kommen. Den grössten Klimanutzen bringt schliesslich eine Einigung im Rahmen des Montreal-Protokolls zum Schutz der Ozonschicht: Dort wurde vereinbart, eine Klasse von Super-Treibhausgasen, die FKWs, weitgehend abzuschaffen.
Für gute Nachrichten sorgt auch die Wirtschaft: Die Kosten für klimafreundliche Technologien wie Windräder, Solarpaneele, Batterien oder Energiesparlampen sinken seit Jahren rapide und werden weiter fallen. In vielen Ländern ist Strom aus Sonne und Wind billiger als aus Kohlemeilern. Immer mehr Firmen verpflichten sich zudem zu einer Reduktion ihrer Emissionen: Bis dato wollen sich 200 Konzerne wie Daimler, Swisscom oder Walmart „wissenschaftsbasierte Klimaziele“ setzen, was eine Reduktion ihrer Emissionen um mindestens 80 Prozent bis zum Jahr 2050 bedeutet. [5] Auch viele Städte und Provinzen verpflichten sich auf dieses Ziel. Deren ‚Unter Zwei Grad’ Koalition hat 165 Mitglieder auf allen Kontinenten, die über eine Milliarde Menschen und mehr als ein Drittel des Welt-BIPs repräsentieren. Mitglied sind etwa Kalifornien und New York, mehrere deutsche Bundesländer, die beiden Basler Halbkantone und Metropolen wie Sao Paulo (Brasilien) oder Mexiko-Stadt. [6]
Der Klimaschutz hat also Fortschritte gemacht. Das Problem aber bleibt: Die CO2-Intensität der Weltwirtschaft muss mehr als doppelt so schnell sinken wie letztes Jahr und das ohne Unterbruch über Jahrzehnte. Den wenigsten Menschen ist aber bewusst, wie dringlich die Klimakrise mittlerweile ist, sagt Wendel Trio, der Direktor von CAN Europa, einem Netzwerk von Hilfs- und Umweltorganisationen: Nur einem „sehr kleinen Teil der Bevölkerung“ sei dies bekannt. Trio empfiehlt daher den Regierungen, „radikale Vorschläge zu lancieren, die konkret genug sind, damit sich die Menschen vorstellen können“, was diese bedeuten. Das Ziel, „die Nutzung fossiler Energien in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auslaufen zu lassen“, sei „zu abstrakt“. „Aber die Diskussionen in Norwegen, Deutschland und Belgien, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2025 oder 2030 zu verbieten, sind sehr nützlich, weil sie die Menschen wach rütteln.“ Letztlich ist es also ein Rennen, wer zuerst aufwacht: Die Menschen oder das „streitsüchtige Biest“. mic
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[1] Carbon Brief, 19.05.2016: Analysis: Only five years left before 1.5C carbon budget is blown
[2] Weltinnenpolitik, 07.08.2009: Wenn 100 ppm die Welt bedeuten
[3] Vergleiche den Wert im Dezember 1995 auf: Scripps Institution of Oceanography, Stand 01.12.2016: Monthly Mauna Loa CO2 concentrations
[4] PWC, November 2016: The Low Carbon Economy Index 2016
[5] We Mean Business Coalition, Stand 01.12.2016: Adopt a science-based emissions target