Hanjin Pleite gebiert Geisterflotte

400‘000 Container dümpeln auf See

Eine Geisterflotte kreuzt derzeit auf den Weltmeeren – die Schiffe der südkoreanischen Reederei Hanjin. In manchen Ländern besteht die Gefahr, dass Gläubiger der bankrotten Firma die Schiffe beschlagnahmen lassen. In anderen verweigern die Häfen die Einfahrt, weil unklar ist wer die Hafengebühren zahlt.

Zwei Wochen nachdem die südkoreanische Reederei Hanjin Gläubigerschutz beantragt hat, dümpeln noch immer die meisten Schiffe in internationalen Gewässern. Hanjin ist die siebtgrösste Reederei der Welt (siehe Tabelle) und betreibt eine Flotte von 97 Schiffen. [1] Diese liegen nun vor Häfen in 26 verschiedenen Ländern. Am Montag konnte ein erstes Schiff in den USA seine Ladung löschen, nachdem Hanjin auch in den USA Gläubigerschutz erhalten hatte. Dies ermöglichte es der Hanjin Greece, den Hafen von Long Beach in Kalifornien anzulaufen ohne die Gefahr, dass das Schiff von Gläubigern beschlagnahmt wird wie bereits neun andere Schiffe. [1] Am Wochenende hatte Hanjin zudem 90 Millionen Dollar an frischem Kapital vom Mutterkonzern erhalten. Damit war auch die Bezahlung der Hafengebühren sicher gestellt. Noch unklar ist, ob damit auch die Gebühren für die Hanjin Europe bezahlt werden. Diese sitzt derzeit wegen nicht bezahlter Gebühren im Hamburger Hafen fest. Vor Hamburg liegt zudem die Hanjin Harmony, denn gemäss Hanjin ist der „Lotsen- und Hafendienst nicht verfügbar“. [1]

Die zehn grössten Reedereien der Welt

RangReedereiLandKapazität in TEUs*Anzahl Schiffe
1APM-MaerskDänemark3,181,420618
2Mediterranean Shipping Company (MSC)Schweiz2,794,229488
3CMA CGM GroupFrankreich2,212,098477
4COSCO Container LinesChina1,543,506279
5Evergreen LineTaiwan976,855189
6Hapag-LloydDeutschland917,883163
7Hanjin ShippingSüdkorea616,66098
8Hamburg Süd GroupDeutschland601,916116
9Orient Overseas Container Line (OOCL)Hong Kong570,60798**
10Yang Ming Marine Transport Corp.Taiwan570,255102

Bei den meisten der 48 anderen Schiffen [1], die derzeit über die Ozeane verteilt sind, ist aber noch unklar, wann und wo sie ihre Ladung löschen können. Betroffen sind rund 400‘000 Container mit Waren im Wert von 14 Milliarden Dollar. Betroffen sind auch die Schiffscrews und einige Passagiere. An Bord der Hanjin Geneva, die derzeit vor Tokyo liegt, ist die britische Videokünstlerin Rebecca Moss. Diese sagte gegenüber der kanadischen Zeitung Vancouver Sun: „Ich habe von Anfang an die Absurdität dieser Reise gespürt, aber als man mir sagte, wir hätten noch nicht mal ein Ziel nach all dieser Arbeit, war ich perplex. Die Videos, die ich bislang gemacht habe, ändern sich nicht, aber sie werden vielschichtiger vor dem Hintergrund einer völlig sinn- und ziellosen Reise.“ [2]

Seemannsgarn. Der Fliegende Holländer bekommt Konkurrenz. Derzeit verzeichnet das Logbuch der Hanjin Flotte bei 48 Schiffen: "Waiting in open sea". (Bild: Albert Pinkham Ryder / Wikipedia)
Seemannsgarn. Der Fliegende Holländer bekommt Konkurrenz. Derzeit verzeichnet das Logbuch der Hanjin Flotte bei 48 Schiffen: “Waiting in open sea”. (Bild: Albert Pinkham Ryder / Wikipedia)

Vielschichtig sind auch die Gründe für die Hanjin Pleite. In der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und 2009 brach das globale Frachtaufkommen massiv ein. Als sich die Weltwirtschaft dann wieder stabilisierte, erwarteten die Reeder, dass der Welthandel wie vor der Krise wieder mit fünf bis sechs Prozent pro Jahr wachsen würde. Sie orderten daher viele neue und immer grössere Schiffe, die jetzt von Stapel laufen. Letztes Jahr hat sich die Zahl der Schiffe, die 18‘000 Zwanzig-Fuss-Container laden können, von 22 auf 37 erhöht – eine Zunahme um mehr als zwei Drittel. Doch der Welthandel blieb hinter den Erwartungen zurück. Während die Containerkapazität um 8,6 Prozent wuchs, nahm der Welthandel nur um 2,6 Prozent zu. Hinzu kommt der niedrige Stahlpreis. Dieser sorgt dafür, dass derzeit kaum Schiffe abgewrackt werden. Die Folge sind sehr niedrige Frachtraten: Der Baltic Dry Index für Schüttgutfrachter ist seit dem Jahr 2008 um 93 Prozent gefallen. Kurzfristig sorgt die Hanjin Pleite allerdings für Erholung: Nun kostet es 1700 Dollar einen Vierzig-Fuss-Container von Schanghai nach Los Angeles zu transportieren – 500 Dollar mehr als noch vor zwei Wochen. [3]

Die Folgen für die Seeschifffahrt und die Weltwirtschaft lassen sich noch nicht ganz abschätzen, meint der Chef von Seaspan, einer Firma, die Containerschiffe an Reedereien verleast. „Die Folgen des Hanjin Kollapses ist wie (der Konkurs der amerikanischen Investmentbank) Lehman Brothers für die Finanzmärkte. Es ist eine riesige Atombombe. Es bringt die Lieferketten durcheinander, die Grundlage der Globalisierung.“, sagte Gerry Wang gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. [3] Ähnlich wie bei der Finanzkrise hofft Wang nun , dass sich die südkoreanische Regierung nun des Schlamassels annimmt: „Wir drücken unsere Daumen, aber Südkorea ist eine Exportwirtschaft und die Regierung muss den Warenfluss zu den Konsumenten sicherstellen.“ [4] Gewinner der Hanjin Pleite sind in den Augen Wangs insbesondere solider finanzierte Reeder, denn die Industrie achte nun darauf, wem sie ihre Waren anvertraut. Diese Einschätzung teilt auch Drewry, eine Analysefirma für die Schifffahrtsbranche: „Hanjins Konkurs zerstört die Wohlgefälligkeit, dass grosse Reeder immun sind.“ [5] Mittelfristig bringt die Hanjin Pleite den Konkurrenten aber nicht viel, denn die Zahl der Schiffe auf den Weltmeeren nimmt dadurch nicht ab. Die Hanjin Flotte fährt dann einfach unter einem neuen Namen. mic

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[1] Hanjin, Stand 13.09.2016: Operating Vessel Status (PDF)

[2] Vancouver Sun, 02.09.2016: Stranded at sea, British artist sees her surroundings with new eyes

[3] Bloomberg, 13.09.2016: Hanjin Fall Is Lehman Moment for Shipping, Seaspan CEO Says

[4] Drewry, September 2016: Zombie Apocalypse