Beim G20 Gipfel ist der Klimawandel das einfachste Problem

Zunehmender Globalisierungsverdruss erschwert Massnahmen gegen Wachstumsschwäche

Die Ziele des G20 Gipfels sind klar: Die Treibhausgasemissionen sollen sinken und das Wirtschaftswachstum steigen. Wie das gelingen soll, wissen die G20 Länder aber nur beim Klimaschutz. Wachstumsfördernde Strukturreformen treffen hingegen auf grosse Widerstände.

Das vergangene Jahr war ein Höhepunkt der multilateralen Zusammenarbeit. Die Länder der Welt haben sich mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) vorgenommen, Hunger und Armut abzuschaffen. Ausserdem haben sie im Paris Abkommen festgelegt, die Klimaerwärmung auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen. Nun sehen sie sich wieder den Mühen der Ebene gegenüber. Insbesondere US-Präsident Barack Obama muss zeigen, dass er nicht nur hehre Ziele formulieren sondern auch die dafür nötigen Massnahmen durchsetzen kann. Mit die letzte Gelegenheit hierfür bietet der G20 Gipfel im chinesischen Hangzhou. Dort treffen sich am Sonntag und Montag die Führer der 20 grössten Volkswirtschaften.

Hat gut lachen. Während dieser Buddha in Hangzhou den Zyklus der ewigen Wiederkehr überwunden hat, kämpfen die G20 Führer mit dem Konjunkturzyklus. (Foto: Jakup Halun / Wkimedia)
Hat gut lachen. Während dieser Buddha in Hangzhou den Zyklus der ewigen Wiederkehr überwunden hat, kämpfen die G20 Führer mit dem Konjunkturzyklus. (Foto: Jakup Halun / Wkimedia)

Vor welchen Herausforderungen diese stehen, erklärt Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds IMF: „Niedriges Wachstum, grosse Ungleichheit und langsamer Fortschritt bei strukturellen Reformen“. [1] Hinzu kommt die weltpolitische Grosswetterlage: „Das politische Pendel droht in die Gegenrichtung von wirtschaftlicher Offenheit zu schwingen. Ohne kraftvolle, politische Massnahmen könnte die Welt daher für lange Zeit unter enttäuschendem Wachstum leiden.“ [1] Derzeit erwartet der IMF, dass die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent wächst. Damit wäre das Jahr 2016 das fünfte Jahr in Folge, in dem das Wachstum unter dem Durchschnitt der Jahre 1990 bis 2007 bleibt. Gemäss einem IMF Bericht besteht sogar die Gefahr, dass das Wachstum noch niedriger ausfällt: „Die Gefahr einer weiteren Verschlechterung des globalen Wachstums ist nach der Brexit Abstimmung deutlich gestiegen.“ [2, s. S. 7]

Der IMF empfiehlt daher unter anderem den „Geist des Multilateralismus und der Globalisierung wieder zu beleben“. [2, s. S. 12] Wie schwierig dies werden wird, zeigt aber nicht nur die Brexit Abstimmung. Statt Kooperation steht bei vielen Themen die Vermeidung von Konfrontation auf der Agenda. Gastgeber China wird Alles dafür tun, dass seinem aggressiven Verhalten im Südchinesischen Meer nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Russland muss erklären, warum es seine Truppen an der Grenze zur Ukraine wieder verstärkt. Die USA, Russland, die EU und die Türkei werden Gelegenheit haben, ihre immer verworreneren Allianzen im syrischen Bürgerkrieg zu diskutieren. Und die EU und die USA könne sich über den Stand der TTIP Verhandlungen austauschen, die wahlweise „de facto gescheitert“ sind (Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister) [3] oder „noch in diesem Jahr“ zu einem „sehr guten Abkommen“ führen können (Michael Froman, US-Handelsbeauftragter). [4]

Ein Ansatzpunkt für Kooperation bietet hier der Kampf gegen den Klimawandel. Es wird erwartet, dass im Vorfeld des Gipfels US-Präsident Barack Obama und Chinas Präsident Xi Jinping die Ratifikation des Paris Abkommens bekannt geben. Wie wichtig ein solcher Ansatzpunkt ist, erklärt Andrew Light, ein ehemaliger Klimabeauftragter im US-Aussenministerium: „Wir müssen anerkennen, dass Kooperation beim Klimawandel und bei sauberen Energien geholfen hat, allgemein grössere Stabilität im Verhältnis zwischen den USA und China zu schaffen.“ [5] Sollten die USA und China das Abkommen ratifizieren, würde dessen In-Kraft-Treten deutlich näher rücken: Der Klimavertrag tritt in Kraft wenn 55 Länder, die 55 Prozent der globalen Emissionen ausmachen, das Abkommen ratifiziert haben. Die USA und China sind für knapp 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Auf dem G20 Gipfel stehen aber auch konkrete Massnahmen beim Kampf gegen die Klimaerwärmung auf der Agenda: Wie immer werden die Länder zur Abschaffung der Subventionen für fossile Energien aufrufen. Diese betragen weltweit 160 Milliarden pro Jahr, schätzt die Industrieländerorganisation OECD. Die Teilnehmer des G7 Gipfels im Juni haben sich darauf geeinigt zumindest den „ineffizienten“ Teil ihrer Subventionen bis zum Jahr 2025 einzustellen. Die USA wollen nun, dass sich auch die G20 Länder auf ein Datum zur Abschaffung dieser Subventionen einigen. Widerstand dürfte hier aber aus Indien kommen. Die indische Zeitung Indian Express zitiert einen ungenannten Diplomaten mit den Worten: „Wir unterstützen dies nicht.“ [6] Anders China: Die USA und China haben gegenseitig ihre Subventionen begutachtet und es wird erwartet, dass in Huangzhou der Abschlussbericht vorgestellt wird. Dies ist das erste Mal, dass China bereit war seine Energiepolitik von Ausländern prüfen zu lassen. [7]

Ein weiteres Thema wird die Rolle der Finanzmärkte bei der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft sein. „Die Schäden an unserem Planeten durch kurzsichtige Investitionsentscheidungen können nicht länger ignoriert werden“, sagt der Chef der Umweltorganisation WWF, Marco Lambertini. [8] Dies gilt inbesondere für Kohle. Die G20 Länder sind zusammen für 93 Prozent des globalen Kohleverbrauchs verantwortlich, wie der Ölkonzern BP ausgerechnet hat. [9] Gemäss der Umweltorganisation Climate Action Tracker sind weltweit zudem 2440 Kohlekraftwerke im Bau oder geplant – die meisten davon in G20 Mitgliedsländern. [10] Eine weitere Umweltorganisation, Climate Transparency (CT), kommt daher zum Schluss, dass die G20 Länder noch nicht genug fürs Klima tun und fordern mehr: „Die G20 haben bewiesen, dass sie schnell und handlungsfähig sein können bei wirtschaftlichen Fragen. Daher fordern wir nun von diesen Ländern das Gleiche beim Klima zu tun“, sagt Alvaro Umaña von CT. [11] Aus Sicht von Jan Burck von der Umweltorganisation Germanwatch enthält der CT Bericht aber auch eine gute Nachricht. China und Indien sind die attraktivsten Länder für Investitionen in erneuerbare Energien: „Dass China und Indien am höchsten bewertet werden, ist ein gutes Signal. Das sind die Volkswirtschaften, wo der Wechsel (zu Erneuerbaren) die grösste Wirkung fürs Klima hat.“ [11] In diesen beiden Ländern hätten mehr Erneuerbare ausserdem einen nicht zu unterschätzenden Zusatznutzen: eine Verbesserung der Luftqualität. Dies zeigt nicht zuletzt der Gipfelort: In Huangzhou haben 225 Fabriken die Arbeit eingestellt, damit Obama, Merkel und Co. in den Gipfelpausen den Himmel sehen können. mic

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[1] Christine Lagarde, 01.09.2016: We Need Forceful Policies to Avoid the Low-Growth Trap

[2] IMF, 23.07.2016: Global prospects and policy challenges (PDF)

[3] Manager Magazin, 29.08.2016: Gabriel erklärt TTIP für “de facto gescheitert”

[4] SpOn, 31.08.2016: Freihandelspakt TTIP: US-Handelsbeauftragter widerspricht Gabriel und warnt die EU

[5] Reuters, 29.08.2016: Climate change looms large in Obama’s final trip to Asia

[6] Indian Express, 02.09.2016: G20 summit: India to oppose China, US proposals

[7] South China Morning Post, 31.08.2016: China, US set to release review of each other’s fossil fuel subsidies in historic move at G20 summit

[8] WWF, 29.08.2016: G20 must lead world to stable and sustainable development

[9] CarbonBrief, 30.08.2016: Nine charts to show why the G20 matters for energy and climate

[10] Climate Action Tracker, 01.12.2015: The Coal Gap: planned coal-fired power plants inconsistent with 2˚C and threaten achievement of INDCs (PDF)

[11] Climate Transparency, 01.09.2016: G20 not yet on the necessary transition from a “brown” to “green” economy (PDF)