WTO-Regeln erzwingen EU-Freihandelsverträge mit AKP-Staaten

Ohne Gegenleistung darf die EU den AKP-Staaten keinen zollfreien Zugang zum EU-Markt gewähren

Die EU gewährt einer Gruppe von 79 ehemaligen Kolonien zollfreien Zugang zum EU-Markt – ohne Gegenleistung. Dies widerspricht den WTO-Regeln. Daher muss die EU nun mit diesen Ländern Freihandelsabkommen abschliessen. Doch der Fortschritt ist zäh.

Es ist ein altehrwürdiger aber ungewöhnlicher Club: die AKP-Staaten. ‚AKP‘ steht für ‚Asien, Karibik und Pazifik‘ und die so benannte Staatengruppe umfasst 79 frühere Kolonien europäischer Kolonialmächte. Gegründet wurde der Länderverbund im Jahr 1975, um die europäische Entwicklungshilfe für diese Staaten zu koordinieren und den Handel mit ihnen zu ordnen. Noch heute besteht ein gesonderter Entwicklungsghilfetopf für die AKP-Staaten: knapp 30 Milliarden Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020. Ausserdem haben sie privilegierten Zugang zum EU-Markt: Anfangs räumte die EG und später die EU diesen Ländern weitgehend freien Zugang zum Binnenmarkt ein, ohne auf Gegenleistungen zu bestehen. Doch diese Regelung ist nicht WTO konform, da dadurch andere Länder diskriminiert werden. Daher wurde im Contonou Abkommen vereinbart, dass die AKP-Staaten mit der EU Freihandelsverträge abschliessen – wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen‘ oder EPAs (von englisch Economic Partnership Agreements). Damit diese WTO konform sind, müssen auch die AKP-Staaten der EU Handelserleichterungen gewähren. Trotzdem sind die EPAs hochgradig ‚asymetrisch‘. Während die EU den AKP Staaten sofort zoll- und quotenfreien Zugang für alle Produkte zum EU-Markt gewährt, müssen die AKP-Staaten die Zölle für rund 80 Prozent der Produkte über einen Zeitraum von 20 Jahren abbauen.

EPA Verhandlungen. Die Staaten der Karibik sind nicht nur berühmt für ihre Freibeuter sondern waren auch die ersten AKP-Staaten, die mit der EU Freihandel vereinbart haben. (Bild: Samuel Scott)
EPA Verhandlungen. Die Staaten der Karibik sind nicht nur berühmt für ihre Freibeuter sondern waren auch die ersten AKP-Staaten, die mit der EU Freihandel vereinbart haben. (Bild: Samuel Scott)

Trotzdem kommen die Verhandlungen über die EPAs nur langsam voran. Die EPAs werden nicht mit den Ländern einzeln ausgehandelt sondern mit Ländergruppen. Die AKP-Staaten verteilen sich auf sieben Gruppen: fünf in Afrika und je eine in der Karibik und im Pazifik. Mit fünf Gruppen konnten die Verhandlungen über ein Abkommen abgeschlossen werden (siehe Tabelle). In Kraft ist aber nur eins: dasjenige mit den 16 Karibikstaaten. Im Juni wurde das Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern der ‚Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft‘ zumindest unterschrieben. Ausserdem bestehen mit sieben weiteren Ländern ebenfalls EPAs auch wenn die Verhandlungen auf Ebene ihrer Ländergruppen vor Jahren eingeschlafen sind. Der Erfolg des EPA-Prozesses ist damit überschaubar: 16 Jahre nach Abschluss des Contonou Abkommens ist erst mit knapp einem Drittel der 79 AKP-Staaten ein EPA in Kraft. Ein Grund dafür ist, dass die EU den AKP-Staaten kaum neue Privilegien einräumen kann, da diese ja bereits weitgehend freien Zugang zum EU-Markt haben. Ein anderer Grund ist, dass die ärmsten Länder der Welt kein EPA brauchen, da sie von der ‚Everything But Arms‘ Regelung profitieren. Diese erlaubt es knapp der Hälfte der AKP-Staaten ‚Alles ausser Waffen‘ in die EU zu exportieren. Doch die EU drückt nun gemäss dem Nachrichtenportal Euractiv  aufs Tempo: Die EU-Kommission wolle für Botswana, die Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Namibia und Swaziland den zollfreien Zugang zum EU-Markt ab Oktober dieses Jahres aufheben, wenn diese Länder die ausgehandelten EPAs nicht umsetzten, berichtete Euractiv mit Verweis auf ein internes EU-Dokument. [1]

Stand der EPA Verhandlungen

LändergruppeWichtige MitgliederStand der Verhandlungen
Westafrika (ECOWAS)16 Länder darunter die Elfenbeinküste, Ghana und NigeriaAbschluss der Verhandlungen Mitte 2004. Noch haben aber nicht alle Länder unterschrieben geschweige denn ratifiziert.
Zentralafrika8 Länder darunter Kamerun und KongoMit Kamerun besteht ein EPA-Vorläufer Abkommen. Mit den anderen Ländern wurde zuletzt vor fünf Jahren verhandelt.
Östliches und südliches Afrika (ESA)11 Länder darunter Äthiopien und EritreaMit Madagaskar, Mauritius, den Seyschellen und Simbabwe besteht seit Mitte 2012 ein EPA. Auf ESA Ebene wurde zuletzt vor fünf Jahren verhandelt.
Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC)5 Länder: Burundi, Kenia, Ruanda, Tansania und UgandaAbschluss der Verhandlungen im Herbst 2014. Noch ist das Abkommen aber nicht unterschrieben geschweige denn ratifiziert oder in Kraft.
Südafrikanische Entwicklungs-gemeinschaft (SADC)§  7 Länder: Angola, Botswana, Lesotho, Mozambik, Namibia, Südafrika und SwazilandAbschluss der Verhandlungen Mitte 2014. Unterschriftenzeremonie Juni 2016. Ratifikationsprozess läuft.
Karibik16 Länder von Antigua und Barbuda über Jamaika bis Trinidad und TobagoDas Abkommen ist seit 2009 in Kraft.
Pazifik15 davon 14 Mikrostaaten von den Cook Inseln bis Vanuatu plus Papua-NeuguineaDie Abkommen mit Papua-Neuguinea (seit 2011) und Fiji (seit 2014) ist ein Abkommen in Kraft. Mit den anderen Ländern wurde zuletzt vor fünf Jahren verhandelt.
Hinweis: Kuba ist auch ein AKP-Staat aber nicht Teil einer der EPA-Verhandlungsgruppen. (Quelle: [2])

 

Die Hauptsorge der AKP-Staaten ist der Verlust an Zolleinnahmen. Diese tragen in vielen Entwicklungsländern einen deutlich grösseren Teil zum Staatshaushalt bei als in Industriestaaten. Manche Länder fürchten auch die EU-Konkurrenz, wie Gbenga Greg Obideyi, der Handelsbeauftragte der westafrikanischen Staaten sagte: „Diese Länder argumentieren, sie hätten in den Aufbau ihrer Industrie investiert, doch das EPA könnte den Industrialisierungsprozess zum Entgleisen bringen.“ [3] Diese Sichtweise beruht auf dem ‚Infant Industry Argument‘: Junge Industrien müssten durch Zölle geschützt werden bis sie gross genug sind, um gegenüber der ausländischen Konkurrenz bestehen zu können. Das Paradebeispiel sind hier die USA, die bis zum Ende des Ersten Weltkriegs hohe Importzölle erhoben haben. Länder können sich damit aber auch schaden: So hat Brasilien lange Zeit hohe Zölle auf Computer erhoben, um eine einheimische Computerindustrie aufzubauen. Dies gelang aber nicht und Brasilien fiel technologisch zurück. [4] Ein dritter Kritikpunkt an den EPAs ist schliesslich, sie erschwerten die regionale Integration, weil die Ländergruppen mit denen die EU die EPAs aushandelt nicht immer deckungsgleich mit bestehenden regionalen Freihandelsabkommen sind. Letztlich besteht aber keine Alternative zu den EPAs. Denn ohne diese Verträge müssten die EU und die AKP-Staaten WTO-Strafen bezahlen, wenn sie ihren Handel nicht WTO-konform organisieren. mic

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[1] Euractiv, 10.06.2016: Brussels to end preferential trade access for uncooperative African countries

[2] Quelle: EU-Kommission, Juni 2016: Overview of Economic Partnership Agreements (PDF)

[3] News Ghana, 11.06.2016: Three countries hold back West African regional EPAs with Europe

[4] Eduardo Luzio, 1996: The microcomputer industry in Brazil: the case of a protected high-technology industry