Effektiver Klimaschutz könnte ein Börsenbeben auslösen
Der Verdacht, dass die grossen Energiekonzerne möglicherweise überbewertet sind, ist auf der G20 Ebene angekommen. Paradoxerweise könnten die G20 Länder das Platzen der ‚CO2 Blase‘ sogar beschleunigen.
Rund ein Fünftel der Marktkapitalisierung der Börsen von London, Newcastle (Australien), Moskau, Toronto und Sao Paulo beruht auf Energiekonzernen, wie die Umweltorganisation Carbon Tracker ausgerechnet hat. [1, S. 12] Die Bewertung dieser Konzerne basiert zu einem grossen Teil auf ihren Reserven an Kohle, Öl und Gas. Sollten diese plötzlich deutlich an Wert verlieren, käme es zu einem weltweiten Börsenbeben. Das Problem: Eine derartige Wertberichtigung ist eigentlich überfällig: Wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll, müssen mehr als zwei Drittel der Reserven im Boden bleiben und sind damit wertlos. Aus diesem Grund spricht man von einer ‚CO2 Blase‘. Diese Blase platzt, wenn die Märkte zum Schluss kommen, dass die Länder wirksame Massnahmen zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels umsetzen. Noch glauben sie nicht daran.
Die G20 wurde in Folge der Finanz- und Witschaftskrise im Jahr 2008 gegründet. Diese wurde durch das Platzen der Blase im Markt für ‚sub-prime‘ Hypotheken ausgelöst. Seither sucht die G20 systematisch nach Blasen, die eine Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte darstellen. „Als die Kreditblase im Jahr 2008 platzte war der Schaden verheerend.“, sagt der frühere US-Finanzminister Henry Paulson. „Heute machen wir den gleichen Fehler mit dem Klimawandel.“ [2] Um die Gefahr abschätzen zu können, hat die G20 Anfang dieses Jahres das Financial Stability Board FSB mit der Analyse des Problems beauftragt. Das FSB ist eine Unterorganisation der G20 und wird vom Chef der Bank von England, Mark Carney, geleitet. Dieser warnt: „Eine Neubewertung (der Reserven), vor allem wenn sie plötzlich erfolgt, könnte die Märkte destabilisieren.“ [3] Die FSB sorgt sich insbesondere, dass in diesem Fall auch Banken in Mitleidenschaft gezogen werden und so wie 2008 die Bank Leman Brothers dann alle Märkte mitreissen. Um dieses Szenario zu verhindern will das FSB, dass Finanzinstitute offenlegen, wie viel Geld sie in Kohle, Öl und Gas investiert haben. [4]
Der G20 Gipfel beschäftigt sich aber nicht nur mit der CO2 Blase sondern auch mit der Klimakonferenz in Paris, die die Blase zum Platzen bringen könnte. Ein besonderes Augenmerk dürfte hier dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi gelten. US-Aussenminister John Kerry bezeichnete die indische Position bei den Verhandlungen als „Herausforderung“: „Wir haben einen starken Fokus auf Indien im Moment, um sie an Bord zu holen.“ [5] Ein weiteres Klima-Thema beim G20 Gipfel sind wie jedes Jahr die Subventionen für fossile Energieträger. Das Overseas Development Institute ODI, ein britischer Think Tank, schätzt, dass die G20 Länder die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas jährlich mit 452 Milliarden Dollar fördern. Dem stehen 121 Milliarden Dollar an Subventionen für erneuerbare Energien gegenüber. [6] „Es ist ein Widerspruch, dass Länder den Energiekonzernen Milliarden für fossile Energien geben und sich gleichzeitig dazu verpflichten, die Emissionen zu senken.“, sagt Alex Doukas, einer der Autoren der ODI Studie. [7] Sollten die G20 Länder Massnahmen beschliessen, um diesen Widerspruch zu beheben, rückt das Platzen der CO2 Blase ein Stück näher. Dank dem FSB wissen sie nun aber besser, was sie dann erwartet. mic
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[5] Financial Times, 11.11.2015: Paris climate deal will not be a legally binding treaty