Ein Vergleich der nationalen Klimapläne ist schwierig
Der Kampf gegen den Klimawandel kann nur gewonnen werden, wenn alle Länder dazu beitragen. Doch wer leistet einen ‚fairen Beitrag‘ und wer ist Trittbrettfahrer? Bislang ist diese Frage nicht abschliessend geklärt.
Im Dezember soll in Paris ein neuer Weltklimavertrag ausgehandelt werden. Dessen Grundstruktur ist bereits bekannt. Alle fünf Jahre stellen die Länder einen Klimaplan auf, der zeigt wie stark sie ihre Emissionen senken wollen. Diese Selbst-Verpflichtungen sind freiwillig und unverbindlich. Das Gegenstück dazu ist das rechtlich verbindliche Paris Abkommen. Dieses beinhaltet Transparenz- und Kontrollmechanismen, die dafür sorgen sollen, dass die Klimaerwärmung schliesslich auf zwei Grad begrenzt werden kann. Im Vorfeld von Paris sollten die Länder ihre ersten Selbst-Verpflichtungen vorlegen. Dies haben mittlerweile 149 Länder getan, die zusammen für knapp 90 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind. [1] Zum Vergleich: Derzeit verpflichtet das Kyoto Protokoll 35 Länder zu Emissionsreduktionen, die für 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind. Für EU-Klimakommissar Miguel Arias Canete sind die Sebst-Verpflichtungen daher bereits ein erster Erfolg: „Das ist eine riesige Veränderung – vom Handeln der wenigen zum Handeln von allen.“ Diese Veränderung bemerkt auch das Klima: Dank der Selbst-Verpflichtungen wird die Klimaerwärmung im Jahr 2100 ein Grad geringer ausfallen: Der Climate Action Tracker verschiedener Forschungsinstitute erwartet nun eine Erwärmung um 2,7 statt 3,6 Grad. [2] Die Selbst-Verpflichtungen sind also ein Fortschritt, reichen aber nicht aus um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.
Betrachtet man die einzelnen Selbst-Verpflichtungen stösst man auf eine Vielzahl unterschiedlicher Berechnungsmethoden: Die EU will bis 2030 ihre Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Die USA wollen bis 2025 ihre Emissionen um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005 senken. China verspricht, dass die Emissionen spätestens im Jahr 2030 ihre Höhepunkt überschritten haben und Indien hat kein globales Emissionsziel. Leisten diese Länder damit ihren ‚fairen Beitrag‘ zur globalen Klimaanstrengung? Aus Sicht der Analysten vom Climate Action Tracker sind diese Pläne alle ‚mittelmässig‘, weil andere Länder deutlich mehr machen müssten, damit das Zwei-Grad-Ziel nicht gerissen wird. Genauer: Der Rest der Welt muss seine Emissionen auf Null drücken, wenn diese vier Länder ihre Emissionen nicht stärker senken, wie der Klimawissenschaftler Glen Peters ausgerechnet hat. [3] ‚Ausreichende‘ Klimapläne haben nur drei Länder vorgelegt: Costa Rica, Äthiopien und Marokko; und mit dem Titel ‚Rollenmodell‘ kann sich gar nur ein Land schmücken: Bhutan. [4] Der Climate Action Tracker benutzt für diese Bewertung die historischen Emissionen eines Landes, seine Fähigkeit die Emissionen zu senken und Fairness im Vergleich zu den Anstrengungen der anderen Länder.
Einen andere Ansatz benutzt die Unternehmensberatung PWC. [5] Diese hat berechnet, um wieviel die CO2 Intensität der Weltwirtschaft verbessert werden muss, damit das zwei-Grad-Ziel erreicht wird. Ausgangspunkt ist das noch verbliebene ‚CO2 Budget‘ von 1000 Milliarden Tonnen und das erwartete Wachstum der Weltwirtschaft. Um das Budget nicht zu sprengen, müssen die Emissionen pro eine Million Dollar Wirtschaftsleistung jedes Jahr um 6,3 Prozent sinken (siehe Grafik). Letztes Jahr hat die Welt 306 Gramm CO2 für jeden BIP-Dollar emittiert. Bis zum Jahr 2030 muss dieser Wert um knapp zwei Drittel sinken. Die vorliegenden Selbst-Verpflichtungen sind dazu ein erster Schritt: Seit dem Jahr 2000 ist die CO2 Intensität der Weltwirtschaft jedes Jahr um 1,3 Prozent gefallen. Mit den neuen Klimaplänen verdoppelt sich diese Rate auf rund drei Prozent.
Mit der PWC Methodik lassen sich auch die Klimapläne der einzelnen Länder vergleichen (siehe Tabelle). Am ehrgeizigsten ist hier Südafrika. Das Land strebt eine Reduktion der CO2 Intensität seiner Wirtschaft um 4,5 Prozent pro Jahr an. Schlusslicht der untersuchten Länder ist Russland. Dort soll die CO2 Intensität um nur 0,6 Prozent pro Jahr verbessert werden. Die EU ist Drittletzter: Diese strebt eine Reduktion der Emissionen von jährlich 2,1 Prozent pro BIP-Dollar an. Im Gegensatz zu Südafrika erreicht die EU im Jahr 2030 damit allerdings die Zielmarke von gut 100 Gramm pro BIP-Dollar. Grund ist der sehr unterschiedliche Ausgangspunkt: Derzeit werden in Südafrika 612 Gramm und in der EU 187 Gramm CO2 pro BIP-Dollar emittiert. Ein Grund dafür ist die unterschiedliche Wirtschaftsstruktur: In der EU haben klimafreundliche Dienstleistungen einen hohen Anteil am BIP, während Südafrika sein Geld mit Bergbau verdient.
Land | Reduktion der CO2 Intensität pro Jahr | Wirtschaftswachstum pro Jahr bis 2030 | CO2 Emissionen 2014 pro BIP-Dollar |
---|---|---|---|
Südafrika | 4,5% | 3,8% | 612 Gramm |
Südkorea | 4,4% | 2,9% | 419 Gramm |
Australien | 4,4% | 2,8% | 342 Gramm |
USA | 4,3% | 2,4% | 317 Gramm |
Brasilien | 4,2% | 3,1% | 155 Gramm |
Kanada | 3,9% | 2,2% | 366 Gramm |
Mexiko | 3,8% | 4,0% | 219 Gramm |
China | 3,5% | 4,6% | 515 Gramm |
Japan | 3,2% | 1,4% | 273 Gramm |
EU | 3,1% | 2,0% | 187 Gramm |
Indien | 2,1% | 5,5% | 268 Gramm |
Russland | 0,6% | 2,0% | 409 Gramm |
Letztlich beantworten daher auch die PWC Zahlen nicht abschliessend die Frage, welches Land den ehrgeizigsten Klimaplan hat. Die Zahlen weisen aber auf ein Problem sehr viel grösseres Problem hin: Kein Land der Welt hat jemals seine CO2 Intensität über einen längeren Zeitraum um mehr als sechs Prozent pro Jahr verbessert. Letztes Jahr ist das sechs ‚Ländern‘ gelungen: England, Frankreich, Italien, Deutschland, der EU und China. Ein Grund dafür war der milde Winter. Doch diese Rate müssen die Länder nun über Jahrzehnte beibehalten, auch wenn der Winter streng ist.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS
oder folgen sie der Facebook Seite
[1] UNFCCC, Stand 15.10.2015: INDC portal
[3] Environmental Research Letters, Oktober 2015: Measuring a fair and ambitious climate agreement using cumulative emissions oder knackiger: Glen Peters, 15.10.2015: To keep below 2°C warming, the US, EU, Chinese, & Indian #INDC require rest of world to have zero emissions by 2030
[4] Climate Avtion Tracker, Stand 15.10.2015: Rating countries
[5] PWC, Oktober 2015: Low Carbon Economy index 2015: Conscious uncoupling? (Anmeldung erforderlich)