Nervosität bei den Bonner Klimaverhandlungen steigt
Bei den Klimaverhandlungen in Bonn haben sich die Länder auf einen neuen Text als Verhandlungsgrundlage geeinigt. Dieser ist länger und komplexer als der Entwurf der Co-Vorsitzenden, dafür enthält er aus Klimasicht ehrgeizigere Optionen.
„Wir nennen ihn den ‚US-Text‘.“, sagt Meena Raman von der Entwicklungsorganisation Third World Network. Gemeint ist der Vertragsentwurf der beiden Co-Vorsitzenden der Klimaverhandlungen, dem US-Amerikaner Dan Reifsnyder und dem Algerier Ahmed Djoglaf. Diese hatten im Auftrag der Länder eine 80-seitige ‚Ideensammlung‘ zu einem 20-seitigen Vertragsentwurf eingedampft. Aus Sicht der Gruppe der Entwicklungsländer haben sie dabei aber „ihr Mandat nicht erfüllt, einen ausgewogenen Text zu produzieren.“, sagte Joyce Diseko, die Vertreterin Südafrikas. Die Entwicklungsländer forderten daher, dass der Text wieder geöffnet wird und jedes Land Ergänzungen einbringen kann. Am Dienstag Morgen hatte der Text damit wieder 34 Seiten. [1] Diese Zahl spiegelt aber nicht die Komplexität und Lesbarkeit des neuen Entwurfs wieder. Die Lesbarkeit bemisst sich an der Zahl der eckigen Klammern, die umstrittene Formulierungen kennzeichnen. Diese sind von 140 auf knapp 700 gestiegen. Faktor Fünf.
Aus Sicht von Liz Gallagher von der Umweltorganisation E3G zeigt das, dass die Länder sich den Text der Co-Vorsitzenden „zu eigen machen“. „Es war klar, dass die Kürzung kein reibungsloser Prozess sein würde. Es steht so viel auf dem Spiel.“ Die bedeutsamste Neuerung aus Klimasicht befindet sich in Artikel 3, Absatz 1: Hier wird das langfristige Klimaziel definiert. Bislang fehlte hier aber die Option einer vollständigen „Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Jahr X“, was von den Umweltorgansiationen heftig kritisiert wurde. Auf Antrag der USA ist diese Option nun vorhanden. Die umfangreichsten Änderungen gehen aber auf Antrag der „Gruppe der gleichgesinnten Entwicklungsländer“ zurück. Diese Gruppe vereint Länder, die unbedingt an der Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer festhalten wollen. Um dies sicher zu stellen, haben sie weite Teile des Entwurfs umgeschrieben. Damit verletzen sie aber eine ‚rote Linie‘ der Industriestaaten, die argumentieren, die starre Zweiteilung aus dem Jahr 1990 spiegle nicht die Realitäten des 21. Jahrhunderts wieder.
Von der EU und der Schweiz wurden derweil Ergänzungen in den Artikeln zur Emissionsbuchhaltung sowie zur Überprüfung der nationalen Klimaziele und deren Umsetzung eingebracht. Mohamed Adow von der Entwicklungsorganisation Christian Aid ist froh, dass damit „ehrgeizigere Optionen auf dem Tisch liegen“ als im ersten Entwurf enthalten waren. Die EU hat zudem die Emissionen aus der Luft- und Schifffahrt wieder in den Text aufnehmen lassen und die Schweiz den Emissionshandel. Diese waren im ersten Entwurf nicht mehr enthalten. Beide haben zudem Änderungen am Finanzartikel vorgeschlagen, die darauf hinauslaufen, dass sich wohlhabende Entwicklungsländer ebenfalls an der Unterstützung der ärmsten Länder beteiligen. Unklar ist bislang, ob die Länder im Verlauf der Woche noch deutlich mehr Ergänzungen einbringen werden. Dann besteht die Gefahr, dass sie sich gegenseitig aufschaukeln, um Verhandlungsmasse zu gewinnen. Kurzfristig ist aber etwas anderes wesentlich: „Das Wichtigste ist, dass alle Länder den Text mit den Zusätzen nun als Verhandlungsgrundlage akzeptieren.“, sagt Adow. „Jetzt können die eigentlichen Verhandlungen beginnen.“ mic
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