Diplomaten verloren im Klammerwald

Die Realität ist noch nicht in den Klimaverhandlungen angekommen

Bei den Klimaverhandlungen in Bonn haben sich viele Länder wieder auf ihre altbekannten Maximalpositionen zurückgezogen. Viele Beobachter hoffen nun, dass die Minister bei einem Treffen in der ersten Novemberhälfte Bewegung in die Verhandlungen bringen können.

Mehr als drei Viertel aller Länder haben mittlerweile eine Selbst-Verpflichtung zum Klimaschutz beim UN-Klimasekretariat hinterlegt. Doch bei den Verhandlungen diese Woche in Bonn passierte: wenig. „Die Selbst-Verpflichtungen überholen die Rhetorik in den Verhandlungen. Die Realität ist dort noch nicht angekommen.“, sagt Sarah Blau von der EU. Dies gilt auch für das heikelste Thema – Geld. Chinas Präsident Xi Jinping hat bei seinem Staatsbesuch in den USA 3,1 Milliarden Dollar Klimageld in Aussicht gestellt. In den Verhandlungen vertreten China und die anderen Entwicklungsländer hingegen den Standpunkt, einzig die Industriestaaten müssten Klimageld mobilisieren. Diese fordern hingegen, dass auch „Länder, die in der Lage sind, dies zu tun“, Klimageld bereit stellen. Auf englisch handelt es sich dabei, um die Staaten „in a position to do so“ oder kurz die Potodoso Länder. Dazu gehören Singapur und die reichen Opec Länder wie Saudi Arabien deren BIP pro Kopf höher liegt als in vielen EU Ländern.

[Noch nicht rund. Inspiriert von der Sitzordnung haben die Diplomaten den Text wieder mit vielen eckigen Klammern gespickt.] (Foto: IISD)
[Noch nicht rund. Inspiriert von der Sitzordnung haben die Diplomaten den Text wieder mit vielen eckigen Klammern gespickt.] (Foto: IISD)
Neben der Frage, wer in Zukunft Klimageld zur Verfügung stellen soll, sorgt auch die Frage für Streit, wieviel Klimageld bereits fliesst. Die Industriestaaten haben vor sechs Jahren versprochen ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zu mobilisieren. Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD zeigt, dass letztes Jahr 62 Milliarden Dollar von den Industriestaaten in die Entwicklungsländer geflossen sind. Aus Sicht von Elina Bardram von der EU-Kommission zeigt das, „dass wir auf dem Weg sind, das 100-Milliarden-Versprechen einzuhalten.“ Für Joyce Deseko, die Sprecherin der Entwicklungsländer, hat der OECD Bericht in den Klimaverhandlungen jedoch keinerlei Bedeutung, „da er nicht von den Mitgliedsländern der UN-Klimakonvention in Auftrag gegeben wurde“. Streit herrscht schliesslich auch bei der Frage, wie private Mittel gezählt werden sollen. Dabei ist aus Sicht von Blau klar, dass die für das Zwei-Grad-Ziel erforderliche „Transformation“ ohne private Investitionen nicht zu schaffen ist: „Wir reden nicht über Milliarden sondern über Billionen Dollar.“

Wie es nun weiter gehen soll ist unklar. „Es sieht nicht gut aus.“, sagt Wendel Trio von der Klimaorganisation Climate Action Network. Aus seiner Sicht haben sich die Verhandlungen auf Diplomatenebene festgefressen. Der Verhandlungstext ist diese Woche von 20 auf 51 Seiten angewachsen und enthält immer mehr eckige Klammern, die umstrittene Formulierungen kennzeichnen. [1] „Auf Diplomatenebene ist die Nord-Süd Kluft ausgeprägter als auf Ministerebene. Zum Teil sind das wohl auch persönliche Animositäten. Die Minister sind eher zu Kompromissen bereit.“ Seine Hoffnung ist daher, dass die Minister bei einem Treffen in der ersten Novemberhälfte (8. bis 10.11.) die wichtigsten Streitpunkte klären können. Diskutiert wird derzeit aber auch noch eine zusätzliche Verhandlungsrunde. Für Franz Perrez, den Leiter der Schweizer Delegation, wäre diese „unnütz“. „Die Länder scheinen noch nicht bereit zu sein zu verhandeln.“ Ähnlich sieht das Bardram im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern: „Es ist bedauerlich, dass manche Länder in eine überkommene und rigide Rhetorik zurückfallen.“ mic

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[1] UNFCCC, 23.10.2015: Draft agreement and draft decision on workstreams 1 and 2 of the Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action (PDF)