Die Klimadiplomaten schalten von ‚Brainstorming‘ auf ‚Verhandeln‘ um
Die beiden Co-Vorsitzenden der Klimaverhandlungen haben einen Entwurf für das Paris Abkommen vorgelegt und versprechen, dass ab sofort ‚Linie für Linie‘ verhandelt werden soll.
Der Countdown für die Klimakonferenz in Paris läuft. Dort soll am 11. Dezember ein neuer Weltklimavertrag verabschiedet werden, der die Klimaerwärmung zumindest perspektivisch auf zwei Grad begrenzen soll. Doch bislang lag nur eine 80-seitige Ideensammlung vor, die zum Verhandeln „nicht geeignet“ war. Dies hat sich nun geändert. Die beiden Co-Vorsitzenden der Verhandlungen haben einen neuen Text mit nur noch 20 Seiten vorgelegt [1]. „Das ist ein guter Vorschlag als Ausgangsbasis.“, sagt Franz Perrez der Leiter der Schweizer Delegation bei den Verhandlungen. „Das wichtigste ist, dass alle Länder den Vorschlag als Verhandlungsgrundlage akzeptieren.“ Denn wenn dies nicht der Fall ist, besteht die Gefahr, dass erst tagelang darüber verhandelt werden muss, auf welcher Grundlage verhandelt werden soll, und es ginge wertvolle Zeit verloren.
Der wichtigste Satz des 20-Seiten Dokuments steht in Artikel 3, Absatz 1. Dort wird das langfristige Ziel des Abkommens beschrieben. Für die Klimawissenschaften ist klar, dass die Emissionen von Treibhausgasen in diesem Jahrhundert auf Null sinken müssen, wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Doch wie formuliert man ‚Null‘ so, dass knapp 200 Länder dem zustimmen können? Das Dokument enthält derzeit sieben mögliche Formulierungen, was im Jahr „X“ erreicht werden soll, etwa „Null Netto-Emissionen“ oder „Klimaneutralität“. Martin Kaiser von Greenpeace reicht das nicht: Er fordert, dass die „vollständige De-Karbonisierung der Weltwirtschaft und 100 Prozent Erneuerbare Energien“ in Artikel 3.1 verankert werden. „Der einzige Weg (das Zwei-Grad-Ziel) zu erreichen, ist eine Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare bis zur Mitte des Jahrhunderts.“
Mehr Klarheit besteht bei der Frage, wie das Ziel erreicht werden soll. Das Paris Abkommen setzt hier auf Selbst-Verpflichtungen. Alle fünf Jahre müssen die Länder einen Plan vorlegen, der zeigt wie und um wieviel sie die Emissionen in den nächsten fünf Jahren senken wollen. Diese Pläne müssen jeweils einen „Fortschritt im Vergleich zu früheren Anstrengungen reflektieren“, also immer ehrgeiziger sein. Ob die Länder ihre Pläne auch umsetzen, wird dann mit Hilfe eines „Prozesses“ oder eines „Mechanismus‘“ geprüft, der allerdings erst aufgesetzt werden muss (Artikel 11). Ausserdem soll ein „Transparenzsystem“ geschaffen werden, das die Emissionen der Länder misst, Fortschritte und Defizite beim Klimaschutz aufzeigt und die Flüsse an Klimageldern dokumentiert (Artikel 9). Damit soll nicht zuletzt das grosse Manko der nationalen Sebst-Verpflichtungen ausgeglichen werden: Diese sind nicht nur freiwillig sondern auch unverbindlich.
Beim traditionell heikelsten Thema, dem Geld, beinhaltet der Entwurfstext keine neuen Zahlen. Er hält nur fest, dass nach dem Jahr 2020 die Klimafinanzierung ausgehend von 100 Milliarden Dollar im Jahr weiter erhöht werden soll (oder sollte). Im Jahr 2009 hatten die Industriestaaten versprochen, ab dem Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz in Entwicklungsländern zu „mobilisieren“. Wer für die Erhöhung dieses Betrags verantwortlich ist, steht in dem Vertragsentwurf aber nicht. Für Perrez ist dies „eine clevere Formulierung“, weil sie zwar darauf hinweist, dass die Mittel erhöht werden sollen, es aber offen lässt, ob dadurch nur die traditionellen Geberstaaten oder auch andere wohlhabende Länder in Pflicht genommen werden. Jan Kowalzig von Oxfam ist vom Finanzartikel hingegen enttäuscht: „Der Entwurf beinhaltet keine Finanzierungsziele, ja er sieht noch nicht mal vor, dass solche Ziele definiert werden sollen.“
Unzufrieden ist Kowalzig auch mit der Behandlung des Themas ‚Verluste und Schäden‘. Darunter versteht man Folgen des Klimawandels, an die sich die Länder nicht anpassen können etwa den Untergang einer Insel oder gar eines Inselstaats. „Der Entwurf ‚nimmt (nur) zur Kenntnis‘, dass das Problem existiert, legt aber nichts weiter fest, was wert wäre, in einem Vertrag festgehalten zu werden. Das ist ein Totalausfall.“, sagt Kowalzig. Aus Sicht der USA wird dem „Totalausfall“ aber bereits eine ‚rote Linie‘ verletzt. Der Begriff ‚Verluste und Schäden‘ stammt aus der Versicherungswirtschaft. Die USA befürchten daher, irgendwann für diese Schäden haftbar gemacht zu werden, da ein grosser Teil der historischen CO2 Emissionen von den USA verursacht wurden.
Einige Elemente aus der ursprünglichen ‚Ideensammlung‘ haben es nicht in den Vertragsentwurf geschafft, darunter eine potentielle Geldquelle: eine Abgabe auf Schiffsdiesel und Flugbenzin. Diese beiden Sektoren finden sich überhaupt nicht mehr in dem Dokument, obwohl der globale Luftverkehr so viele Emissionen wie Deutschland verursacht und der Schiffsverkehr so viele Emissionen wie Südkorea. Die Emissionen aus der Landwirtschaft finden sich ebenfalls nicht im Entwurf des Paris Abkommens. Rausgefallen sind schliesslich auch CO2 Märkte. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit diese Elemente während der Pariser Konferenz wieder in den Text hinein zu verhandeln. Aber Perrez ist skeptisch das dies gelingt: „Es ist viel einfacher etwas aus dem Entwurf raus zu verhandeln, als etwas hinein zu verhandeln, das nicht drinsteht.“
Damit das Paris Abkommen schliesslich in Kraft treten kann, muss es von „X“ Ländern ratifiziert werden, die insgesamt „X“ Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen. Da das Abkommen keine finanziellen Verpflichtungen für die Länder beinhaltet und die nationalen Selbst-Verpflichtungen freiwillig und unverbindlich sind, kann die US-Regierung das Abkommen ratifizieren ohne es dem Senat vorzulegen. Damit dürfte dem Paris Abkommen dem Schicksal des Kyoto Protokolls erspart bleiben: Der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte das Abkommen zwar unterschrieben, anschliessend ist es aber am Senat gescheitert. mic
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