TPP Verhandlungen wurden auf unbestimmte Zeit vertagt
Die Verhandlungen zur Schaffung einer Freihandelszone rund um den Pazifik geht in eine weitere Runde. Dies ist ein Rückschlag für die US-Regierung.
Es ist ein Rennen gegen den Beginn des US-Wahlkampfs im kommenden Jahr. Die US-Regierung und elf weitere Staaten wollen vorher noch ein Freihandelszone rund um den Pazifik schaffen, die Transpazifische Partnerschaft kurz TPP. Doch dieses Unterfangen hat am Freitag einen Rückschlag erlitten. Bei Verhandlungen auf Hawaii konnten die Handelsminister der zwölf Länder keine Einigung erzielen. Trotzdem war der neuseeländische Handelsminister Tim Groser nach dem Treffen optimistisch: „Das Unterholz wurde in einer Weise gelichtet, die anderen Ministertreffen meilenweit voraus ist.“ [1] Sein australischer Kollege Andrew Robb macht derweil die „grossen Vier“ für den fehlenden Durchbruch verantwortlich. [2] Dies sind die USA, Japan, Kanada und Mexiko. „Das traurige ist, 98 Prozent sind entschieden. Ich weiss nicht, wie schwierig der Rest ist.“ [2] Das TPP Abkommen gilt als die wirtschaftliche Komponente der strategischen Neuausrichtung der USA, der „Hinwendung zu Asien“ (Hillary Clinton). Das Abkommen umfasst rund 800 Millionen Menschen und 40 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Ziel der TPP Länder ist es, ein Abkommen „für das 21. Jahrhundert“ auszuhandeln. Die grössten Schwierigkeiten sind aber Agrargüter und Autos. Beim Streit über Agrarprodukte steht nicht wie erwartet Japan sondern Kanada im Mittelpunkt der Verhandlungen. Letzteres schottet insbesondere seinen Märkte für Milchprodukte und Geflügel ab. Kanadische Milchbauern profitieren von Zollsätzen bis zu 246 Prozent. Da in Kanada im Oktober ein neues Parlament gewählt wird, bekundet die Regierung von Premierminister Stephen Harper Schwierigkeiten, hier Zugeständnisse zu machen. Darauf besteht aber Neuseeland, das auch als ‚Saudi Arabien der Milch‘ bezeichnet wird. Ursprünglich forderte Neuseeland die Abschaffung aller Handelsbeschränkungen für Milchprodukte. Diese Position hat das kleine Land mittlerweile aber aufgegeben und fordert nun eine Gegenleistung etwa in Form erhöhter Importquoten. „Nachdem wir dieses riesige Zugeständnis gemacht haben, lehne ich die Idee ab, dass wir etwas komplett Unmögliches verlangen.“, sagt Groser. [3] Hart umkämpft ist auch Zucker. Hier wehren sich die USA gegen Importe aus Australien.
Bei den Industrieprodukten stehen Autos im Mittelpunkt. Japan schottet seinen Markt gegen ausländische Fahrzeuge mit technischen Handelshindernissen ab. Gleichzeitig will es aber, dass die USA ihren Zoll auf Autos von heute 2,5 Prozent auf Null absenken. Dies versuchen wiederum die US-Autohersteller zu verhindern, die seit der Finanz- und Wirtschaftskrise Marktanteil verloren haben. Unterstützung erhalten die US-Autohersteller hier von Mexiko. Dieses besteht darauf, dass nur Autos die mindestens zu 62,5 Prozent in den TPP Ländern hergestellt wurden, auch frei gehandelt werden dürfen. Japan will aber einen niedrigeren Prozentsatz. Letztlich handelt es sich um einen Kampf der Wertschöpfungsketten: Mexiko ist Teil der nordamerikanischen Autoindustrie, während japanische Hersteller viele Bauteile aus Thailand beziehen, das bei den TPP Verhandlungen nicht dabei ist. Der mexikanische Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo lehnt den Vorwurf aber ab, die Verhandlungen aufzuhalten: „Wenn ich für etwas beschuldigt werden kann, dann ist es, die wirklich für die Interessen meines Landes zu kämpfen.“ [3] Sein japanischer Kollege Akira Amari meint denn auch, die Verhandlungsparteien seien dabei eine „Landezone zu erreichen“. [3] Mit „‘Landezone‘ bezeichnen Diplomaten einen möglichen Kompromiss.
Umstritten sind auch die sogenannten Biopharmaka. In den USA geniessen diese Stoffe nicht nur den herkömmlichen Patentschutz sondern zwölf Jahre ‚Datenexklusivität‘. Dies bedeutet, dass ein Generikahersteller bei der Zulassung eines Nachahmerpräparats nicht auf den Wirksamkeitsnachweis aus der ursprünglichen Zulassung verweisen kann, sondern neue Tests machen muss. Damit werden Biogenerika (auch Biosimilare) länger vom Markt fern gehalten. Die forschende Pharmaindustrie argumentiert, dass die Entwicklung von Biopharmaka teurer ist und daher einen längeren Schutz rechtfertigt. Patientenorganisationen beklagen hingegen, dass wegen der ’Datenexklusivität‘ die Preise für diese Arzneimittel länger hoch bleiben als nötig. Die US-Regierung versucht nun mittels TPP auch die anderen elf Länder auf zwölf Jahre ‚Datenexklusivität‘ zu verpflichten, was insbesondere von Australien und Neuseeland abgelehnt wird. Manche Beobachter halten hier sieben Jahre als Kompromiss für möglich.
Wann die Verhandlungen weiter gehen werden, ist nicht bekannt. Gary Hubauer vom Peterson Institute for International Economics, einem US-Think Tank, mahnt zu Eile: „Ich glaube nicht, dass (der Rückschlag in Hawaii) tödlich ist, aber ich denke, sie sollten einen Abschluss bis Mitte August schaffen.“ [3] Manche Beobachter gehen aber davon aus, dass das nächste Treffen erst im November statt findet – nach den Wahlen in Kanada. Der kanadische Handelsminister Ed Fast lehnt diese Idee aber ab: „Wenn sich unsere Partner wieder treffen, und ich hoffe dies ist sehr bald, wird Kanada wieder als konstruktiver Partner am Tisch sitzen, mit dem ernsthaften Wunsch diese Verhandlungen abzuschliessen.“ [3] Solange die TPP Verhandlungen in der Schwebe sind, überschatten sie den Wahlkampf der konservativen Regierungspartei von Stephen Harper.
Schwierigkeiten bereiten die TPP Verhandlungen aber auch Hillary Clinton im Vorwahlkampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei. Clinton hat vor kurzem wissen lassen, in ihrer Zeit als US-Aussenministerin habe sie „nicht an TPP mitgearbeitet“. [4] Dem widerspricht allerdings die Faktenlage. Der US-Fernsehsender CNN hat mitgezählt [5]: Clinton hat sich mindestens 45 Mal öffentlich zu TPP geäussert, etwa an einem Forum der Foreign Policy Group im Jahr 2013. Dort sagt sie im Hinblick auf die „Hinwendung zu Asien“: „Ein Grossteil der Aufmerksamkeit ruhte bislang auf Amerikas grösser werdendem militärischen Engagement. Aber es ist wichtig, dass wir auch andere Elemente unserer Strategie betonen: die zunehmende wirtschaftliche Führung Amerikas in der Region, von neuen Handelsverträgen wie TPP bis zu grösseren Anstrengungen zum Nutzen amerikanischer Firmen.“ [5] Wenn sich die TPP Verhandlungen allzu sehr verzögern, steht Clinton daher vor einem Dilemma: Wenn sie TPP ablehnt, torpediert sie die von ihr propagierte Neuausrichtung der US-Strategie (und wirkt unglaubwürdig). Doch wenn sie TPP unterstützt, vergrätzt sie den Gewerkschaftsflügel ihrer Partei.
Dafür hätte sie die Mehrheit der demokratischen Wähler hinter sich, wie eine Umfrage des Forschungsinstituts Pew aus dem Januar zeigt: 59 Prozent der Anhänger der Demokratischen Partei glauben, TPP sei „eine gute Sache“. Diese Meinung teilen jedoch nur 49 Prozent der Anhänger der Republikanischen Partei, deren Establishment sich vehement für den Freihandelsvertrag einsetzt. mic
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[1] BBC, 01.08.2015: ‘Progress’ but no deal at TPP talks
[2] Japan Times, 01.08.2015: No final deal in TPP trade talks, negotiators say
[3] Politico, 31.07.2015: Ministers fail to cinch major trade pact
[5] CNN, 15.06.2015: 45 times Secretary Clinton pushed the trade bill she now opposes