Immer mehr Piraterie in Südostasien

Indonesische Piraten spezialisieren sich auf Öltanker

120‘000 Schiffe passieren die Malakkastrasse jedes Jahr, darunter viele Tanker. Doch am südlichen Ausgang der Meerenge lauert eine Jahrhunderte alte Gefahr: Piraten. Dezeit wird jede zweite Woche ein Tankschiff entführt.

„Wir wissen nicht, wo das Schiff ist.“, teilte vorletzte Woche Noel Choong vom International Maritime Bureau IMB in Kuala Lumpur mit. [1] Das IMB bekämpft weltweit die Piraterie im Auftrag der UNO. Bei dem vermissten Schiff handelte es sich um die ‚Orkim Harmony‘, ein Tanker mit 6000 Tonnen Benzin an Bord und 22 Mann Besatzung. Zuletzt meldete sich das Schiff im Südchinesischen Meer, östlich von Malaysia. Vier Tage später wurde das Schiff von Malaysias Marine in vietnamesischen Gewässern entdeckt. Nun hiess es ‚Kim Harmon‘. [2] Die Entführer hatten die ersten beiden und den letzten Buchstaben des ursprünglichen Namens übermalt. Malaysias Marine teilte mit: „Es sind mindestens acht Täter an Bord. Sie sind mit Pistolen und Macheten bewaffnet und sprechen mit indonesischem Akzent. Die Crew ist unverletzt.“ [2] Weitere drei Tage später kommt dann die Mitteilung: „Alle acht Entführer sind in einem Rettungsboot entkommen.“ [3] Am folgenden Tag greift die vietnamesische Polizei dann acht ‚Schiffbrüchige‘ in einem Rettungsboot auf, die „grosse Mengen Bargeld“ bei sich haben. [4] Später stellt sich heraus, dass es sich um Indonesier handelt. [5]

Jolly Roger. Ob die Flagge des legendären Piraten Henry Every je in der Malakkastrasse gesehen wurde, ist nicht bekannt. Doch der Mann würde sich dort zu Hause fühlen: In Südostasien nimmt die Piraterie zu. (Bild: openclipart.org)
Jolly Roger. Ob die Flagge des legendären Piraten Henry Every je in der Malakkastrasse gesehen wurde, ist nicht bekannt. Doch der Mann würde sich dort zu Hause fühlen: In Südostasien nimmt die Piraterie zu. (Bild: openclipart.org)

Derzeit werden in Südostasien drei Schiffe pro Woche von Piraten angegriffen und jede zweite Woche wird ein Tanker entführt. (Siehe hier die Live-Karte von IMB mit allen Piraterie Fällen weltweit.) Das IMB erklärt: „Die Entführungen erfolgen nach einem bestimmten Muster. Bewaffnete Piraten entern einen kleinen Tanker und pumpen die Ladung in ein anderes Schiff um. Die Navigationsinstrumente werden zerstört, aber die Crew bleibt in der Regel unverletzt. Dann wird das Schiff wieder freigegeben.“ [6] Die Orkim Harmony hatte folglich noch Glück. Durch die frühe Entdeckung hatten die Piraten keine Gelegenheit das Benzin im Wert von 5,6 Millionen Dollar auf ein anderes Schiff umzuladen. Weniger Glück hatten dieses Jahr folgende Tankschiffe: die Lapin, die Phubai Pattra 1, die Singa Berlian und die David Tide II. [6] Besonders gefährlich war die Entführung der Rehobot. Hier haben die Piraten die Besatzung des Schiffs in Rettungsbooten ausgesetzt. Die Crew wurde von Fischern gerettet und das Schiff ist später in den Philippinen auf Grund gelaufen – ohne Ladung. [6]

Kein Jolly Roger. Im Jahr 2006 hat die US Navy dieses Schiff aufgebracht, weil der Verdacht bestand es handle sich um Piraten. (Bild: US Navy/Wikimedia)
Kein Jolly Roger. Im Jahr 2006 hat die US Navy dieses Schiff aufgebracht, weil der Verdacht bestand es handle sich um Piraten. (Bild: US Navy/Wikimedia)

Mittlerweile sind die Gewässer Südostasiens die gefährlichsten der Welt. Die Anti-Piraterie Organisation Oceams Beyond Piracy OBP schreibt: „Die Piraterie in Südoastasien ist besonders gefährlich für Seeleute aufgrund der hohen Zahl der Angriffe und einer Erfolgsquote von 90 Prozent beim Entern der Schiffe.“ [7] Wie die Zahlen von IMB zeigen ist der gefährlichste Ort der südliche Ausgang der Malakkastrasse. Ein Drittel des globalen Seehandels führt durch diese Meerenge, 120‘000 Schiffe pro Jahr. Dazu zählen viele Tanker. Vier Fünftel der Ölimporte von China und Japan passieren hier Singapur. Anschliessend kommen sie in indonesische Gewässer, wo Piraten zwischen den vielen Inseln und in Flussmündungen auf Beute warten. Von Januar bis März dieses Jahres sind weltweit 54 Schiffe von Piraten angegriffen worden – davon 38 in Südostasien. Dort ist die Zahl der Fälle um 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. „Dies ist eine beunruhigende Entwicklung. Wenn keine harten Massnahmen ergriffen werden, wird die Gewalt zunehmen und die Piraten werden immer wagemutiger bei der Auswahl ihrer Angriffsziele.“, sagt IMB Chef Pottengal Mukundan. [8]

Gleichzeitig ist die Piraterie vor Somalia deutlich zurück gegangen. Dank diverser Marineeinsätze wie der EU Mission Atalanta hat IMB dieses Jahr noch keinen einzigen Fall vor Somalia registriert. [6] Derzeit sind allerdings noch 26 Seeleute in Geiselhaft in Somalia. Es handelts sich um die Besatzung der Naham 3, die im Jahr 2012 gekapert wurde. [9] Da die Gefahr von Piraten zurückgegangen ist, nimmt der illegale Fischfang vor Somalias Küste wieder zu. „Ähnliche Provokationen waren die Ursache für die Piraterie vor Somalia.“, warnt OBP. [7] Somalias Piraten hatten stets argumentiert, sie rächten sich nur für den illegalen Fischfang vor ihrer Küste. Piraterie ist auch im Golf von Guinea vor der westafrikanischen Küste weiterhin ein Problem. Insbesondere vor der nigerianischen Küste werden ebenfalls bevorzugt Tankschiffe angegriffen. [6] mic

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[1] Bangkok Post, 14.06.2015: Malaysian-flagged tanker missing: piracy watchdog

[2] Bangkok Post, 18.06.2015: Malaysian navy shadows tanker, urges hijackers to give up

[3] Bangkok Post, 19.06.2015: Malaysian tanker rescued, hijacker escapes

[4] Bangkok Post, 20.06.2015: Vietnam questions suspected hijackers of Malaysian tanker

[5] Bangkok Post, 21.06.2015: ‘Pirates’ held by Vietnam speak Indonesian: state media

[6] International Maritime Bureau, April 2015: Piracy and Armed Robbery Against Ships (1 January – 31 March 2015)

[7] Oceans Beyon Piracy, Juni 2015:  State of Maritime Piracy Report (PDF)

[8] Voice of America, 21.04.2015: Maritime Piracy on Increase Again in Southeast Asia

[9] Maritime Security Review, 26.06.2015: Somalia’s Forgotten Hostages