Indien und USA einigen sich auf Bürokratieabbau im Welthandel

Ein Ende der ‚schwersten Krise‘ der Welthandelsorganisation WTO ist in Sicht

Wegen Indiens Agrarsubventionen blockierte Delhi ein internationales Abkommen über den Abbau von Bürokratie im Welthandel. Doch nun haben die USA eingelenkt: Indien darf seine Subventionen behalten auch wenn diese gegen WTO Regeln verstossen.

Nach nur drei Monaten konnte Roberto Azevêdo, der frischgebackene Chef der Welthandelsorganisation WTO, schon einen Erfolg vermelden: Die WTO Mitgliedsländer hatten sich in Bali, Indonesien, auf mehrere Abkommen geeinigt. Das Herzstück war ein Vertrag zum Abbau von Zollformalitäten, das Trade Facilitation Agreement kurz TFA. Das war im Dezember letzten Jahres. Doch im Juli diesen Jahres legte Indien nachträglich ein Veto ein. [1] Die neue indische Regierung unter Narendra Modi verweigerte die Aufnahme des TFA in das Regelwerk der WTO. Grund waren die indischen Agrarsubventionen. Modi forderte, dass Indien weiterhin Nahrungsmittel zu überteuerten Preisen für sein nationales Lagerhaltungsprogramm ankaufen darf. In Bali hatte man sich auf eine ‚Friedensklausel‘ geeinigt. Diese sah vor, dass Indien vier Jahre lang nicht vor der WTO verklagt werden darf – Zeit, um entweder die WTO Regeln zu ändern oder das indische Programm zu reformieren. Doch im Juli Modi foderte eine unbefristete ‚Friedensklausel‘ und nahm das TFA als Geisel. Damit löste er die „schwerste Krise“ der WTO aus, wie Azevêdo sagte: „Wir sind an einem Wendepunkt für diese Organisation. Viele Mitglieder sagen, die WTO muss bei den Verhandlungen über Handelserleichterungen liefern, sonst nimmt sie irreparablen Schaden.“ [2]

Die Globalisierungskiste: Bald geht Alles noch ein bisschen schneller (Foto: huskyherz)
Die Globalisierungskiste: Bald geht Alles noch ein bisschen schneller (Foto: huskyherz)

Diese Krise scheint nun abgewendet: Am Donnerstag haben sich die USA und Indien geeinigt. Indien bekommt seine unbefristete ‚Friedensklausel‘. „Aus Modis Sicht ist das ein grosser Erfolg“ sagt Frederic Neumann von der Grossbank HSBC. [3] Dies gilt umso mehr, da die USA offenbar keine Gegenleistung für ihre Zustimmung bekommen hat. Eine diesbezügliche Frage liess der US-Handelsbeauftragte Michael Froman unbeantwortet. [3] Nun müssen nur noch die anderen WTO Mitglieder dem Deal zwischen den USA und Indien zustimmen. Doch Froman zeigte sich optimistisch, dass dies in kurzer Zeit möglich sei. Dann könnten alle Elemente des Bali Pakets umgesetzt werden: Die Erleichterung der Zollformaitäten die in Zukunft an „einem Schalter“ abgewickelt werden sollen. Die Unterstützung für die ärmsten Länder der Welt bei der Modernisierung ihrer Zollbehörden. Der quoten- und zollfreie Zugang dieser Länder zu den Märkten der Welt sowie eine Vereinfachung der Herkunftsregeln für diese Länder. Die Abschaffung von Importquoten für Agrargüter. Das Peterson Institute, ein US Think Tank, schätzt dass dadurch weltweit 21 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden und das Welt BIP um 1000 Milliarden oder 1,4 Prozent gesteigert wird. Ausserdem sollen die Kosten im Welthandel um 10 bis 15 Prozent sinken. [4]

„Die Bedeutung dieses Abkommens für das Handelssystem darf nicht unterschätzt werden.“ sagt John Danilovich, der Chef der Internationalen Handelskammer. „Zusammen mit dem Deal über die Ausweitung des Informationstechnologie Abkommens (ITA), können wir sicher sagen, dass in dieser Woche der Multilateralismus wieder ins Zentrum der Handelspolitik gerückt wurde.“ [5] Anfang dieser Woche hatten sich die USA und China darauf geeinigt die ITA Liste der Elektronikprodukte, die zollfrei gehandelt werden können, auszuweiten. Von diesem Abkommen profitieren ebenfalls alle WTO Mitglieder. Damit bekommt der multilaterale Ansatz neuen Schwung, denn wegen der TFA Blockade begannen immer mehr Länder sich auf regionale Freihandelsabkommen zu konzentrieren. Dem drohte insbesondere die Wiederaufnahme der WTO Doha Runde zum Opfer zu fallen. Viele Länder weigerten sich über die Doha Runde zu diskutieren, solange das Bali Paket blockiert war. Mit den Abkommen zum TFA und zum ITA können sich die Regierungen nun auf die Zukunft konzentrieren. Eine erste Gelegenheit haben sie dazu beim G20 Treffen am Samstag und Sonntag in Brisbane. mic

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[1] Weltinnenpolitik, 30.07.2014: Indien sprengt WTO Abkommen

[2] WTO, 31.10.2014: Azevêdo urges members to continue talking about ways to move forward beyond Bali impasse

[3] Reuters, 13.11.2014: India wins U.S. support for food scheme, ends WTO blockade

[4] ICC & Peterson Institute, 18.04.2013: Payoff from the world trade agenda 2013

[5] ICC, 13.11.2014: ICC hails TFA breakthrough as victory for the global economy