Billige Kohle erhöht Nachfrage kaum

Kampf gegen Klimawandel und Luftverschmutzung sowie billiges Schiefergas führen zu Stabilisierung des Kohleverbrauchs

Ohne eine Reduktion des Kohleverbrauchs ist der Kampf gegen die Klimaerwärmung nicht zu gewinnen. Doch Kohle wurde zuletzt immer billiger und gemäss einer neuen Studie von Standard & Poor’s und Carbontracker ist nicht mit einer deutlichen Erholung des Kohlepreises zu rechnen.

Die Kohleindustrie ist in Sorge. Seit Anfang 2012 ist der Weltmarktpreis für Kohle um knapp 30 Prozent auf noch 75 Dollar pro Tonne gefallen. Dies „setzt einen grossen Teil der Kohleindustrie unter Druck“ schreiben die Ratingagentur Standard & Poor’s und die Umweltorganisation Carbontracker in einer neuen Studie [1]. Bei diesem Preis machen US-amerikanische und russische Kohleminen Verlust. Und es besteht keine Aussicht auf Besserung. Wegen des Kampfs gegen den Klimawandel (USA, EU) und die Luftverschmutzung (China) dürfte der Kohleverbrauch langfristig sinken. Hinzu kommt die Konkurrenz durch Schiefergas. Die Studie geht daher davon aus, dass „ein signifikanter Rückgang von Kohleproduktion und –verbrauch ein sehr viel realistischeres Konzept wird.“ Allerdings: „Die Geschwindigkeit und das Ausmass der Veränderung in der Kohleindustrie ist weitgehend unklar.“

Kohlepreis 2012 bis 2015 (Richard Bay) in Dollar pro Tonne (Quelle: S&P)
Kohlepreis 2012 bis 2015 (Richard Bay) in Dollar pro Tonne (Quelle: S&P)

Aus diesem Grund betrachtet die Studie die beiden wichtigsten Faktoren, die Menge und Preis des Kohleverbrauchs bestimmen: den Klimaschutz und China. Zuerst zum Klimaschutz: Die Welt verbrauchte letztes Jahr acht Milliarden Tonnen Kohle. Eine Milliarde davon entfiel auf die Stahlindustrie. Seit der Jahrtausendwende stieg der Kohleverbrauch jährlich um knapp vier Prozent. Um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, müsste der Kohleverbrauch auf dem aktuellen Niveau stabilisiert werden und ab 2020 jährlich um 2,5 bis 3,5 Prozent sinken wie die Internationale Energieagentur IEA ausgerechnet hat. Da Kohle in der Stahlindustrie kaum zu ersetzen ist, ginge diese Abnahme ausschliesslich zu Lasten der ‚Energiekohle‘, die der Strom- und Wärmegewinnung dient. Aus Sicht der Studienautoren ist dieses Szenario denn auch „eine Herausforderung, da andere Technologien sowohl einen Anstieg der Elektrizitätsnachfrage abdecken als auch bestehende Kohlekraftwerke ersetzen müssen.“ Dass dramatische Veränderungen möglich sind zeigen allerdings die USA: Die Studienautoren erwarten, dass strengere Abgasvorschriften und billiges Schiefergas 200 Millionen Tonnen Kohle verdrängen.

Und nun zu China, das knapp die Hälfte der acht Milliarden Tonnen Kohle verbraucht. Der wichtigste Faktor ist hier die Luftverschmutzung, die in vielen Städten groteske Ausmasse angenommen hat und für Unmut in der Bevölkerung sorgt. Hinzu kommt, dass die chinesischen Kohlereserven zur Neige gehen. Aus diesen Gründen hat die chinesische Regierung einen Anreiz andere Energiequellen zu fördern. Die Studienautoren gehen daher davon aus, dass Chinas Kohleverbrauch vom Wirtschaftswachstum entkoppelt wird und sich ab 2020 stabilisiert. Ersetzt wird Kohle dann primär durch Gas. Peking will den Gasverbrauch bis 2020 verdoppeln. Ein Teil dieses Gases kommt in Zukunft aus Russland. Im Mai haben die beiden Länder einen Liefervertrag über 30 Jahre und 400 Milliarden Dollar abgeschlossen. Sehr viel mehr Gas hofft China aber durch Fracking gewinnen zu können. Das Land sitzt auf einem der grössten Schiefergasvorkommen der Welt. Insgesamt sollen so 250 bis 350 Millionen Tonnen Kohle eingespart werden.

Nach Meinung eines Kohlekonzerns fehlt es in den Appalachen an horizontalen Flächen. Dem hilft die Kohleindustrie ab, indem sie ganze Bergspitzen wegsprengt. (Foto: I love mountains)
Nach Meinung eines Kohlekonzerns fehlt es in den Appalachen an horizontalen Flächen. Dem hilft die Kohleindustrie ab, indem sie ganze Bergspitzen wegsprengt. (Foto: I love mountains)

Während sich die nachgefragte Menge an Kohle mittelfristig zumindest stabiliseren dürfte, hängen die Auswirkungen auf den Preis auch von der Struktur des Kohlemarktes ab. Sieben der acht Milliarden Tonnen Kohle werden in den Ländern gefördert, in denen sie verbraucht werden. Nur eine Milliarde wird international gehandelt. In den letzten beiden Jahren bestand hier ein Überangebot – daher der Preisverfall. Doch nun werden weniger neue Kohlevorkommen für den Export erschlossen. Zudem lohnt sich der Export von US-Kohle beim aktuellen Preis nicht. Aus diesem Grund erwarten die Studienautoren, dass sich der Weltmarktpreis für Kohle leicht erholt und nächstes Jahr auf rund 86 Dollar steigt (siehe Grafik). Für US-Kohleproduzenten ist dies aber nicht unbedingt ausreichend. Inbesondere ‚Mountaintop Mining‘ in den Appalachen, wo ganze Bergkuppen weggesprengt werden, um an die darunterliegenden Kohleflöze zu kommen, ist auch dann auf dem Weltmarkt nicht konkurrenzfähig. mic

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[1] Standard & Poor’s, Juli 2014: Carbon Constraints Cast a Shadow Over the Future of the Coal Industry (PDF)