Ein Chinese verursacht bereits höhere Emissionen als ein Franzose oder Italiener
China folgt dem Wachstumsmuster der Industriestaaten: ‚Wachse erst und dann kümmere dich um die Umwelt‘. Nicht zuletzt dank des Extremsogs in Chinas Grossstädten ist China nun beim zweiten Schritt angelangt. Doch viel Zeit bleibt nicht mehr, wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrent werden soll.
China ist ein armes Land. Noch immer liegt das BIP pro Kopf unter dem weltweiten Durchschnitt. Fünf Chinesen erwirtschaften soviel wie ein EU Bürger. [1] Doch Chinas CO2 Emissionen zeigen ein anderes Bild: Ein Chinese verursacht mit 7,1 Tonnen pro Kopf mehr CO2 als ein Franzose oder Italiener. [2] Chinas Wirtschaft ist also sehr CO2 intensiv: Die Erwirtschaftung von 1000 Dollar BIP gehen mit der Emission von 900 Kilo CO2 einher. In der EU bekommt man 1000 BIP Dollar schon für 250 Kilo CO2 (siehe Grafik) [3]. Aus diesem Grund zielt die gegenwärtige Klimapolitik auf eine Verbesserung der CO2 Intensität der chinesischen Wirtschaft ab: Bis 2020 soll 40 bis 45 Prozent weniger CO2 pro BIP Dollar emittiert werden als im Jahr 2005. Doch damit steigen Chinas Emissionen weiter, denn die Regierung in Peking geht von rund acht Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr aus. Dabei ist das Land längst der weltweit grösste Emittent mit einem Anteil von 29 Prozent an den globalen Emissionen.
Damit die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden kann, müssen die chinesischen Emissionen möglichst bald ihren Hochpunkt erreichen und dann auf unter eine Tonne pro Kopf im Jahr 2050 sinken. Zusätzliche Dringlichkeit erhält der „Krieg gegen die Umweltverschmutzung“ aber noch aus einem weiteren Grund: Der extreme Smog in vielen chinesischen Metropolen verärgert die Bürger und gefährdet den Machterhalt von Chinas kommunistischer Partei. Aus diesem Grund haben mittlerweile zwölf von Chinas 34 Provinzen eine Begrenzung des Kohleverbrauchs gesetzlich festgeschrieben. Diese Provinzen machen 44 Prozent des chinesischen Kohleverbrauchs aus. Am ehrgeizigsten ist dabei die Provinz Peking: Dort soll der Verbrauch von Kohle innert fünf Jahren halbiert werden. Ausserdem haben 17 weiter Provinzen ähnliche Massnahmen angekündigt. Damit sollte es China gelingen den Wachstumstrend beim Kohleverbrauch von neun Prozent pro Jahr zu brechen. Die Umweltorganisation Greenpeace schreibt: „Kein anderes Land mit einem grossen Kohleverbrauch hat jemals ähnlich schnelle Änderungen in seiner Kohlepolitik umgesetzt.“ [4]
Voran geht es auch beim Emissionshandel. Derzeit laufen sechs Pilotprojekte in chinesischen Provinzen und Städten. Das Handelssystem von Guangdong im Hinterland von Hong Kong ist bereits das zweitgrösste der Welt nach dem europäischen. [5] Zusammengenommen decken die Pilotprojekte etwa zehn Prozent der chinesischen Emissionen ab. Derzeit liegen die Preise an den sechs CO2 Börsen zwischen drei und 15 Euro pro Tonne CO2. Zum Vergleich: Im europäischen Handelssystem kostet eine Tonne CO2 derzeit fünf Euro. Einigen der Märkte fehlt es aber noch an Transparenz: So ist nicht immer klar, wie die Anzahl Zertifikate berechnet wurde und welche Unternehmen wieviel Zertifikate bekommen haben. „Ohne diese Informationen ist der Mechanismus zur Preisfindung ziemlich undurchsichtig“ sagt Hongliang Chai, Marktanalyst von Reuters Point Carbon. Derweil ruft Quian Guoquiang, Direktor der Beratungsfirma Sinocarbon, zu „Geduld“ auf: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Pilotprojekte angefangen haben. Das ist bemerkenswert.“ Unklar ist daher auch noch, wann die Pilotprojekte auf das ganze Land ausgedehnt werden. Xie Zhenhua, Vize-Planungsminister, sagt: „Wir werden versuchen einen nationalen Markt bis im Jahr 2020 aufzubauen.“ [6]
Um den weiter steigenden Energieverbrauch mit einer Begrenzung der CO2 Emissionen in Einklang zu bringen setzt China auf drei Energiequellen: Erneuerbare, Gas und Atom. Den grössten Beitrag sollen dabei die Erneuerbaren liefern. China hat in den letzten Jahren sein Ziel für den Ausbau der Erneuerbaren immer wieder nach oben korrigiert. Bis 2020 soll der Anteil von Wasserkraft, Wind, Sonne und Biomasse verdoppelt werden: auf 15 Prozent des Energiemixes. Ein noch schnelleres Wachstum ist allerdings bei der Atomenergie vorgesehen: Derzeit hat China 21 Atomkraftwerke und weitere 28 Anlagen sind im Bau. Dadurch soll der Anteil von Atomstrom bis 2020 auf sechs Prozent des Strommixes verdreifacht werden. Und beim Gas prophezeit die Internationale Energieagentur IEA China „ein goldenes Zeitalter“. [7] Bis im Jahr 2019 soll der Gasverbrauch in China um 90 Prozent steigen. Ein Grossteil dieses zusätzlichen Verbrauchs kann China zudem aus eigenen Quellen decken: Das Land sitzt auf den grössten Schiefergasvorkommen der Welt. Zudem hat der chinesische Präsident Xi Jinping soeben einen Gasdeal mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin vereinbart: Sobald die Pipeline zwischen den beiden Ländern fertig ist, sollen 30 Jahre lang jährlich 36 Milliarden Kubikmeter Gas nach China fliessen.
Wann alle diese Massnahmen genügend Wirkung entfalten, sodass die chinesischen Emissionen zu sinken beginnen, ist allerdings unklar. China wolle den Hochpunkt der Emissionen „so bald wie möglich“ erreichen sagt Vize-Minister Xie Zhenhua. Doch die Experten seien sich nicht einig, wann dies der Fall sein werde. Der Zeitpunkt rückt aber näher: Noch vor wenigen Jahren haben chinesische Experten den Hochpunkt um das Jahr Jahr 2050 verortet. Mittlerweile reden chinesische Politiker vom Zeitraum 2030 bis 2040. Und chinesische Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Emissionen zwischen 2025 und 2030 zu sinken beginnen. Damit folgt China dem Entwicklungsmuster der Industriestaaten: ‚Wachse erst und dann kümmere dich um die Umwelt‘. Das Problem: Während Europa erst 100 Jahre nach Beginn der Industrialisierung der Umweltverschmutzung den Kampf angesagt hat, muss China das Gleiche in einem Drittel der Zeit schaffen. Und dann ist da natürlich Chinas Grösse: Zwei Drittel des Wachstums der weltweiten CO2 Emissionen seit dem Jahr 2000 geht auf Chinas Konto. Ohne aggressiven Klimaschutz in China ist das Zwei-Grad-Ziel daher nicht zu schaffen. Und dann heisst es nicht nur armes China, sondern arme Welt. mic
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