Tokyo bietet Zollsenkungen für Rind- und Schweinefleisch an
Dank Fortschritten bei den Verhandlungen über eine Freihandelszone rund um den Pazifik hoffen die zwölf beteiligten Länder noch dieses Jahr zu einem Abschluss zu kommen. Neben japanischen Zugeständnissen bei Agrargütern besteht auch Einigung beim Schutz geistigen Eigentums.
US-Präsident Barack Obama strebt eine Neuorientierung der US-Aussenpolitik an: Neu soll das Augenmerk der Supermacht auf Asien liegen und nicht länger auf Europa und dem Mittleren Osten. Dieser Perspektivwechsel hat zwei Komponenten: eine militärische und eine wirtschaftliche. Bei Obamas letzter Asienreise im April stand die militärische Komponente im Vordergrund: Zum einen hat er Japan versichert, dass das gemeinsame Verteidigungsabkommen auch für die, zwischen Japan und China umstrittenen, Senkaku Inseln gilt. Und in den Philippinen hat er die Nutzung von lokalen Militärbasen durch die US-Armee vereinbart, denn auch Manila sieht sich mit chinesischen Gebietsansprüchen konfrontiert. Untermauert werden soll die neue US-Perspektive aber nicht nur mit Truppen, sondern vor Allem mit Handel: Derzeit verhandeln zwölf Länder über eine Freihandelszone rund um den Pazifik: die Trans-Pazifische Partnerschaft kurz TPP. Neben den USA und Japan, gehören Kanada, Australien, Neuseeland sowie Mexiko, Chile, Peru und schliesslich Singapur, Malaisia, Vietnam und Brunei zu den TPP Ländern. Ausserdem haben Südkorea und Taiwan Interesse angemeldet sich bei TPP zu beteiligen. Kurz, die meisten grossen Pazikanrainer sind bei TPP dabei – mit der Ausnahme von China.
Mit dem TPP Abkommen hoffen die USA einen Handelsvertrag für das ‚21. Jahrhundert‘ abschliessen zu können, der auch Vorgaben für den Schutz geistigen Eigentums oder die Rolle von Staatsunternehmen umfasst. Die grössten Schwierigkeiten bei den Verhandlungen bereiten jedoch Erzeugnisse, die schon in der Jungsteinzeit eine Rolle spielten: Agrarprodukte. Doch hier gibt es nun Bewegung. In der letzten Verhandlungsrunde, die vergangene Woche in Singapur zu Ende ging, hat Japan zum ersten Mal Zugeständnisse bei zwei ‚heiligen‘ Produkten gemacht: Rind- und Schweinefleisch. Beim Schweinefleisch will Tokyo den Mindesteinfuhrpreis auf 50 Yen von zurzeit 482 Yen reduzieren. Und beim Rindfleisch bietet Japan eine Reduktion des Zollsatzes von 38,5 auf 9 Prozent an. [1] Keine Bewegung gab es hingegen bei den anderen, aus japanischer Sicht ‚heiligen‘ Produkten: Reis, Weizen, Milchprodukten und Zucker. Und auch die Verhandlungen über eine Öffnung des abgeschotteten japanischen Automarkts sind noch im Gange. Für Koya Nishikawa, den Leiter der TPP Arbeitsgruppe in Japans Regierungspartei, zeigen die Zugeständnisse, wie wichtig die Verhandlungen für Tokyo sind: „TPP ist der wichtigste Pfeiler in der Wachstumsstrategie von Ministerpräsident Shinzo Abe. Je schneller es ein Abkommen gibt, desto besser.“ [1] Dass Abe dafür sogar bereit ist die japanische Bauernlobby herauszufordern, hat er bereits im vergangenen Jahr bewiesen: Er will das sogenannte ‚Gentan‘ System abschaffen, bei dem Bauern dafür bezahlt werden keinen Reis anzupflanzen. Dadurch soll sich der Reispreis in Japan halbieren. Dann wäre auch eine Senkung der Zolls auf Reis von aktuell 777,7 Prozent möglich. [2]
Einen Durchbruch hat es zudem bei den Verhandlungen über den Schutz geistigen Eigentums gegeben, wie die japanische Zeitung Yomiuri Shimbun berichtet [3]: Bücher und Musik sollen in Zukunft bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt bleiben. Dies entspricht einer US-Forderung. Im Gegenzug haben die USA Zugeständnisse beim Patentschutz für Medikamente gemacht. In Industriestaaten sollen neue Medikamente für zehn Jahre nach Markteinführung Patentschutz geniessen. In Entwicklungsländern gilt der Schutz aber nur fünf Jahre lang, sodass schneller günstige Nachahmerpräparate auf den Markt gebracht werden können. Dank dieser Fortschritte zeigen sich die Handelsminister vorsichtig optimistisch, dass die Verhandlungen noch dieses Jahr abgeschlossen werden können: „Ich glaube absolut, dass wir das bis Ende Jahr schaffen können. Aber dazu braucht es politischen Mut.“ sagt der neuseeländische Handelsminister Tim Groser. [4] Und auch der Ministerpräsident von Singapur Lee Hsien Loong sagt: „Alle Länder inklusive Japan und die USA wollen das dieses Jahr abschliessen. Wenn wir das nicht schaffen, haben die USA andere Sorgen.“ [4] Damit spricht Lee die Wahlen in den USA an. Ende dieses Jahres wird das US-Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats neu gewählt. Und im Jahr 2015 beginnt dann schon der Wahlkampf für die nächsten Präsidentenwahlen im Jahr 2016. Dann wird es schwierig einen Freihandelsvertrag durch den US-Kongress zu bringen. Denn selbst in Obamas Demokratischer Partei gibt es viele Gegner des Abkommens. mic
[1] The Wall Street Journal, 14.05.2014: Japan Hopes Offer to Cut Tariffs Will Boost TPP Talks
[2] The Economist, 30.11.2013: Political Staple
[4] The Wall Street Journal, 23.05.2014: Will the TPP Go the Way of the WTO’s Doha Round?
Abkommen über Transatlantikhandel frühestens 2015
Die USA verhandeln nicht nur mit Pazifikländern über eine Freihandleszone sondern auch mit der EU. Der Vertrag mit der EU firmiert derzeit unter dem Akronym TTIP, was für transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft steht. Ähnlich wie beim TPP Abkommen sind Agrarprodukte die grösste Hürde: Zuletzt hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versichert, dass sie einen schnellen Abschluss der Verhandlungen wolle, dass aber weder US-Hormonfleisch noch mit Chlor gewaschene Hühnchen von dem Abkommen profitieren dürften. Wo genau die Verhandlungen stehen ist aber unklar, da im Geheimen verhandelt wird. Mit einem Abschluss der TTIP Verhandlungen wird derzeit frühestens Ende 2015 gerechnet, sodass die Ratifizierung im Jahr der nächsten US-Präsidentschaftswahlen 2016 erfolgen müsste. mic
Freihandel zwischen der Schweiz und den Golfstaaten
Am 1. Juli tritt das Freihandelsabkommen zwischen den Efta Ländern (Schweiz, Liechtenstein, Island, Norwegen) und den Staaten des Golfkooperationsrats (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate) in Kraft. Dadurch fallen die meisten Zölle auf Industriegüter komplett weg, und auch der Export von Lebensmitteln in die Golfstaaten wird erleichtert. Gemäss einer Studie der Universität Zürich spart die Schweizer Exportindiustrie so bis zu 246 Millionen Dollar an Zollgebühren pro Jahr. mic