Um das Zwei-Grad-Ziel nicht zu reissen, müssen die CO2 Emissionen im Rekordtempo sinken
In 18 Jahren ist es soweit. Dann hat die Menschheit seit Beginn der Industrialisierung knapp 3000 Milliarden Tonnen CO2 in der Atmosphäre entsorgt. Damit hat sie ihr CO2 Budget aufgebraucht, wenn sie die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzen will, wie der IPCC in seinem neuesten Bericht aufgezeigt hat. [1] Doch der Klimabankrott kann theoretisch noch vermieden werden, wie die Unternehmensberatung PWC ausgerechnet hat. [2] Dazu müsste die CO2 Intensität der Weltwirtschaft jedes Jahr um sechs Prozent abnehmen. Das bedeutet, dass die Menschheit in zehn Jahren nur noch halb soviel CO2 pro Euro Wirtschaftsleistung emittieren darf. Das Problem: Im vergangenen Jahr ist die CO2 Intensität der Weltwirtschaft gerade mal um 0,8 Prozent zurückgegangen.
Vor diesem Hintergrund treffen sich nächste Woche wieder die Klimaverhandler dieser Welt, dieses Mal in der polnischen Hauptstadt Warschau. Dort warten zwei Aufgaben auf die mehreren Tausend Delegierten: Zum einen suchen sie nach Wegen die Emissionen vor 2020 zu begrenzen. Und zum anderen wollen sie bis 2015 einen neuen Weltklimavertrag aushandeln, der dann 2020 in Kraft treten soll. Dieser neue Vertrag soll das Kyoto Protokoll ersetzen und dann nicht nur für die Industriestaaten sondern für alle Länder verbindliche Emissionsziele vorgeben. Das CO2 Budget werde dabei aber keine Rolle spielen, sagt Christiana Figueres die Chefin der UN-Klimaverhandllungen. „Ich glaube nicht, dass das möglich ist. Politisch wäre es sehr schwierig. Ich weiss nicht wer den Stift halten würde“, wenn es darum geht nationale CO2 Budgets festzulegen. [3]
Ein Problem bei der Bestimmung von CO2 Budgets für die einzelnen Länder sind die Emissionen aus der Vergangenheit, denn CO2 verbleibt für Jahrhunderte in der Erdatmosphäre: Würde man das CO2 Budget der Welt gemäss der Bevölkerungszahl auf die verschiedenen Länder verteilen, hätten die USA ihr Budget bereits im Jahr 1936 aufgebraucht und Deutschland im Jahr 1963, wie Ding Zhongli, der Vizepräsident der chinesischen Wissenschaftsakademie ausgerechnet hat. [4] Einige Entwicklungsländer vertreten daher die Idee, dass die Industriestaaten für die Überbeanspruchung des CO2 Budgets bezahlen sollen. Doch auch dieser Idee erteilt Figueres eine Abfuhr: „Es ist nicht das erste Mal, dass jemand mit der Erwartung einer Entschädigung an den Verhandlungstisch gekommen ist. Aber ich sehe keinen Platz für eine derartige Massnahme.“ [3] Zudem ändert sich die Lage schnell: „Im Jahr 2020 werden die gesamten Emissionen der Entwicklungsländer diejenigen der Industriestaaten überholt haben. China, zum Beispiel, ist bereits heute der zweitgrösste historische Emittent.“ sagt Todt Stern, der Leiter der US-Delegation. [5]
Ausserdem glaubt Stern, dass ein Weltklimavertrag, der den Ländern klare Emissionsvorgaben macht, einer schnellen Reduktion des CO2 Ausstosses er hinderlich ist. „Ein System mit strikten Regeln und Strafen sieht vielleicht auf dem Papier gut aus. Aber es würde fast sicherlich, den Ehrgeiz der Verpflichtungen mindern und die Beteiligung der Länder reduzieren.“ [5] Sterns Befürchtung: Die Regierungen würden sich nur zu kosmetischen Reduktionen verpflichten, wenn sie bei Nichterreichung Strafen gewärtigen müssen. Stattdessen schlägt Stern ein System mit „Normen und Erwartungen“ vor, „die die Länder erfüllen wollen, um ihr Ansehen in der Welt zu mehren.“ [5] Wie immer setzen die USA also darauf, dass die Länder sich freiwillige Emissionsziele setzen und hoffen, dass diese dank Gruppendruck ehrgeizig genug ausfallen, sodass schliesslich das CO2 Budget eingehalten werden kann.
Eine andere Art von Budget hat derweil der Leiter der chinesischen Delegation im Blick: Xie Zhenhua hat Flexibilität bei den Verhandlungen signalisiert, vorausgesetzt die Industriestaaten halten ihr Finanzierungsversprechen. Diese hatten in den Jahren 2010 bis 2012 je 10 Milliarden Dollar für Klimaschutzmassnahmen in Entwicklungsländern bereitgestellt und für die Zeit ab 2020 gar 100 Milliarden pro Jahr versprochen. Für die Zeit von 2013 bis 2020 gibt es aber keine Zusagen. Allzu grosse Hoffnungen auf schnelle Finanzzusagen darf sich Xie aber nicht machen sagt Franz Perrez, der Leiter der Schweizer Delegation: „Die Finanzierung ist Teil eines Gesamtpakets. Erst muss klar sein wie hoch die Emissionsreduktionen der Entwicklungsländer ausfallen, bevor wir Geld zusagen. Die Schweiz ist aber durchaus bereit mehr zu investieren.“ Wenn sich damit der Klimabankrott abwenden lässt, ist das eine gute Investition. mic
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[1] Achtung: Das CO2 Budget, das der IPCC berechnet hat, und das CO2 Budget, das Carbon Tracker (siehe Artikel unten) verwendet, unterscheiden sich. (Carbon Tracker benutzt die Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA.) Der IPCC hat ausgerechnet, dass für den Zeitraum 2012 bis 2100 noch ein CO2 Budget von 987 Milliarden Tonnen CO2 zur Verfügung steht, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzen zu können. Carbon Tracker hingegen geht davon aus, dass im gleichen Zeitraum 975 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden dürfen, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Siehe auch die FAQ Seite von Carbon Tracker.
[2] PWC, November 2013: Busting the carbon budget – Low Carbon Economy Index 2013
[3] The Guardian, 24.10.2013: The IPCC’s ‘Carbon Budget’ will not drive Warsaw talks, says Christiana Figueres
[4] environment360, 24.10.2013: The Trillion-Ton Cap: Allocating The World’s Carbon Emissions
[5] Todd Stern, October 2013: The Shape of a New International Climate Agreement