Zögerliches Vorgehen macht Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels entweder extrem teuer oder unmöglich
Zugegeben: der Klimawandel ist die komplexeste Herausforderung in der Geschichte der Menschheit. Um die Erwärmung zu stoppen müssen Energieproduktion und –verbrauch in einem jahrzehntelangen Prozess komplett umgestellt werden. Und auch zugegeben: der auf vierjährige Legislaturperioden ausgelegte Politikbetrieb macht Langzeitprojekte nicht einfacher. Trotzdem ist das zögerliche agieren der Politik beim Kampf gegen den Klimawandel schlicht fahrlässig. Denn sie wissen was sie tun: Der von den Regierungen der Welt eingesetzte Expertenrat des IPCC hat ausgerechnet, dass bis zum Jahr 2100 nur noch rund 1000 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden dürfen, wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll. Doch dieses Budget ist voraussichtlich in weniger als 20 Jahren aufgebraucht. Anschliessend kommt die Welt dann schnell an den Punkt, wo der Klimawandel sich selbst verstärkt, etwa indem das Treibhausgas Methan aus tauenden Permafrostböden in Sibirien entweicht. Und dann steuert die Welt unweigerlich auf ein vier, fünf oder sechs Grad wärmeres Klima zu, das dann für Jahrtausende anhält.
Im Auge dieser Gefahr, müssten die Politiker dieser Welt eigentlich in ihren Ländern 20-Jahres-Programme aufsetzen, um ihre Emissionen möglichst auf Null zu drücken – unabhängig von den UN-Klimaverhandlungen. Denn man darf sich Nichts vormachen: Die Politik ist entscheidend. Verbraucher und die Wirtschaft können die erforderlichen Umstellungen nicht alleine stemmen. Derzeit bremst die Politik aber die Wirtschaft aus, wie Lord Nicholas Stern, der Autor des „Stern Reports“ über die Kosten des Klimawandels sagt: „Die von Regierungen ausgehende Ungewissheit hinsichtlich der politischen Rahmenbedingungen, ist die grösste Barriere für Investitionen.“ Und dies gilt sowohl für Industrie- wie auch Entwicklungsländer. In den USA hat die eine Hälfte des politischen Spektrums beschlossen, sich von einer wissenschaftsbasierten Weltsicht und somit von der Aufklärung zu verabschieden, was koordiniertes Handeln verunmöglicht. In der EU besteht zwar seit acht Jahren ein Emissionshandelssystem, aber die Politik hat es versäumt, die Zahl der CO2 Zertifikate im Markt an die Wirtschaftskrise anzupassen, mit der Folge dass CO2 Emissionen fast kostenlos sind. Derweil fordern die Entwicklungsländer ein Recht auf Verschmutzung ein, um die Armut zu überwinden. Dadurch suggerieren sie ihrer Wirtschaft die CO2 Emissionen könnten noch lange Zeit ansteigen. Gleichzeitig wollen sie für die kommende Klimakatastrophe finanziell entschädigt werden und verweisen dabei auf Emissionen, die vor der Entdeckung des Treibhauseffekts erfolgt sind.
Und so schlafwandelt die Politik auf den Punkt zu, wo sie nur noch zwei Möglichkeiten hat: Entweder sie wacht plötzlich auf und beschliesst die Emissionen in einer Hauruck Aktion zu senken. US-Experten verweisen hier auf die Mobilmachung im Zweiten Weltkrieg. Damals wurde der Bau von Privatautos verboten und die gesamte Autoindustrie auf den Bau von Militärfahrzeugen umgestellt. Dass ein derartiger Eingriff in die Wirtschaft mit irrwitzigen Kosten verbunden ist, liegt auf der Hand – Kosten, die vermeidbar gewesen wären, wenn man nicht bis zum letzten Moment gewartet hätte. Oder die Politik entscheidet sich für die zweite Möglichkeit: Sie nimmt eine Klimaerwärmung von mehr als zwei Grad einfach hin. Dann steigt der Meeresspiegel um mehrere Meter und die Erde erlebt Veränderungen in einem Ausmass wie am Ende der letzten Eisszeit. In Anbetracht der bald neun Milliarden Menschen auf der Welt wären die Auswirkungen katastrophal: Hunger, Seuchen und Krieg. Die Politik kann keine dieser beiden Optionen wollen. Aber, um zu verhindern letztlich vor dieser Wahl zu stehen, muss sie jetzt handeln. Alles andere ist fahrlässig. mic
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