Jetzt müssen die Minister ran

Verhandlungen über Handelserleichterungen sind auf Botschafterebene gescheitert

„Viele Mitgliedsländer der WTO haben gesagt, dass das WTO Ministertreffen in Bali keine Verhandlungskonferenz sein darf. Ich stimme Ihnen zu. Es ist nicht machbar. Es wäre nicht erfolgreich.“ sagt WTO Chef Roberto Azevêdo über die am Dienstag beginnende Konferenz der Handelsminister auf der indonesischen Insel Bali [1]. Doch genau das wird es sein: eine Konferenz, wo verhandelt wird. Denn: „Ich werde den Ministern sagen, dass wir wirklich nah an einen erfolgreichen Abschluss gekommen sind, aber dass uns die Ziellinie einmal mehr unerreichbar blieb.“ [1] Da trifft es sich schlecht, dass die umstrittenen Themen „zu viele und zu technischer Natur“ sind [1], um von den Handelsministern erfolgreich verhandelt zu werden, wie Azevêdo selber sagt.

Doch erst zu den unumstrittenen Themen: Die WTO Mitglieder haben sich darauf geeinigt, den ärmsten Ländern der Welt einen besseren Zugang zum Weltmarkt zu verschaffen. Dies beinhaltet Herkunftsregeln für Industrieprodukte, einfachen Zugang für Dienstleistungsexporte sowie einen Mechanismus, der den bevorzugten Marktzugang der Entwicklungsländer überwacht. Ausserdem soll den Entwicklungsländern bei der Vereinfachung von Zollformalitäten geholfen werden. Und selbst im Agrarsektor kann die WTO Erfolge vermelden. So soll etwa der Abbau von Exportsubventionen für Agrarprodukte beschleunigt werden. Ausserdem sollen Importquoten, die eh nicht voll genutzt werden, wegfallen. Dies gilt allerdings nicht für die USA: Als einziges Industrieland haben die USA die Möglichkeit derartige Quoten zu behalten.

Unüberwindlich waren dafür die Gegensätze bei zwei anderen Themen. Indien beharrt darauf, Nahrungsmitteln zu überhöhten Preisen von armen Bauern kaufen zu dürfen. Hintergrund ist ein neues Gesetz: Indien plant, an zwei Drittel der 1,2 Milliarden Inder subventionierte Lebensmittel abzugeben. Und das dazu erforderliche Getreide soll zu einem Preis, der über dem Weltmarktpreis liegt, angekauft werden. Doch dagegen laufen die Getreide-exportierenden Staaten Sturm, sowohl Industriestaaten wie die USA als auch Entwicklungsländer wie Argentinien. Um diesen Streit zu entschärfen, hat man sich eigentlich auf eine ‚Friedensklausel‘ geeinigt: Die indischen Subventionen sind zwar illegal, aber werden während einer Übergangsperiode nicht vor dem WTO Schiedsgericht angefochten. Damit hätte Indien Zeit den Getreideankauf zu reformieren. Doch kurz vor Ende der Vorbereitungskonferenz in Genf hat Indien diese ‚Friedensklausel‘ wieder in Frage gestellt. Somit könnte sich das Szenario von der WTO Konferenz im Jahr 2008 wiederholen, wo eine Einigung schliesslich an Indien und den USA gescheitert ist.

Keine Einigung gab es zudem bei der Erleichterung einiger Zollformalitäten. Umstritten ist hier vor allem der Transit von Gütern – ein Thema das insbesondere für Binnenländer wie die Schweiz oder Nepal von Bedeutung ist. Auf dem Tisch liegt der Vorschlag, dass die Herkunft der Güter im Transit keine Rolle spielen darf. Doch damit können sich nicht alle Länder anfreunden. Schwierig ist zudem der Transit von Öl und Gas mit Hilfe von Pipelines. Für die Empfängerländer ist es zentral, dass ihnen die Transitländer nicht einfach die Leitung zudrehen. Einigung gibt es hingegen bei einigen anderen Themen wie dem Informationsaustausch zwischen den Zollbehörden des Export- und des Importlandes. Ausserdem hat man sich darauf geeinigt, dass alle Zollformalitäten an einem einzigen Schalter abgewickelt werden müssen. Mit derartigen Erleichterungen lassen sich enorme Wohlfahrtsgewinne erzielen: Das Peterson Institute for International Economics hat ausgerechnet, dass durch den Abbau und die Vereinheitlichung von Zollformalitäten das Welt-BIP um 1000 Milliarden Dollar oder um 1,4 Prozent gesteigert werden kann.

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum Azevêdo die Minister beschwört, Alles für einen erfolgreichen Abschluss zu tun. Denn in Bali steht das multilaterale Handelssystem auf dem Spiel: „In Genf (am WTO Sitz) haben wir das Ende des Prozesses erreicht. Ein Misserfolg in Bali hätte schwerwiegende Folgen für das multilaterale Handelssystem.“ Denn die WTO hat seit ihrer Gründung im Jahr 1995 noch keinen einzigen neuen Handelsvertrag beschliessen können. Wird Bali ein Flop, besteht die Gefahr, dass viele Länder die WTO als Verhandlungsforum nicht länger ernst nehmen. Zu Leiden hätten darunter vor allem die Armen wie Azevêdo warnt: „Nicht einem einzigen Menschen, der in Armut lebt, wird es besser gehen, wenn wir in Bali versagen.“mic

China blockiert Handelserleichterungen für Elektronikartikel

Beim WTO Treffen in Bali sollen auch einige kleinere Handelsverträge erweitert werden, denen nur ein Teil der WTO Mitglieder angehört. Eines davon ist das Abkommen über Informationstechnologie (ITA). Gemäss diesem Vertrag können Computer und andere Elektronikartikel zollfrei eingeführt werden. Die Liste dieser Produkte stammt aber aus dem Jahr 1996 als es weder Smart Phones noch Tablet Computer gab. Aus diesem Grund soll diese Liste nun um 250 neue Produkte erweitert werden. Dagegen wehrt sich ausgerechnet der grösste Exporteur von Elektronik: China. Peking will bei 140 dieser Produkte die Möglichkeit behalten, Zölle zu erheben. Für John Neuffer, den Chef des Information Technology Industry Councils , eines Industrieverbands, ist Chinas Haltung denn auch unbegreiflich: „Alle Verhandlungsdelegationen, und ich meine Alle, arbeiten sehr hart um Kompromisse zu schliessen – mit Ausnahme von China. Dabei wird China einer der grössten Nutzniesser dieses Abkommens sein. China verliert Gesicht und man wundert sich, ob China bewusst ist, welchen Einfluss das auf Chinas Beteiligung an anderen Handelsabkommen haben wird.“ [2] mic

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[1] Roberto Azevêdo, 26.11.2013: We cannot tell the world that we have delivered” Azevêdo warns last pre-Bali meeting

[2] ITI, 19.11.2013: China Standoff Risks Collapse in ITA Talks