EU Aussenpolitik bekommt bessere Noten

EU Länder treten geschlossener auf und Europas Auswärtiger Dienst fasst Tritt

Zum dritten Mal hat ein Think Tank der EU Aussenpolitik ein detailliertes Zeugnis ausgestellt. Insbesondere in der Russland- und Chinapolitik sowie in der Handels- und Energiepolitik hat die EU Fortschritte gemacht. Ausserdem kommt die EU Erweiterung voran.

Die EU gilt als wirtschaftlicher Riese und als aussenpolitischer Zwerg. Aus diesem Grund wurde vor drei  Jahren ein gemeinsamer Auswärtiger Dienst geschaffen. Seither bewertet der European Council on Foreign Relations, ein Think Tank, die EU Aussenpolitik. [1] Trotz Eurokrise und einem schwierigen Umfeld konnten die Experten im vergangenen Jahr Forschritte erkennen: So treten die EU und ihre Mitgliedsländer nun geschlossener gegenüber Russland auf und lassen sich nicht mehr vom Kreml auseinanderdividieren. So hat die EU Kommission ein Verfahren gegen den russischen Gasgiganten Gazprom wegen Missbrauchs seiner Marktmacht eingeleitet. Ausserdem hat Europa das russische Erpressungspotential reduziert indem die Gasnetze der Mitgliedsländer besser miteinander verknüpft wurden. Gegen russischen Widerstand wurden zudem Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit drei ehemaligen Sowjetrepubliken aufgenommen, Moldawien, Georgien und Armenien. Das Verhältnis zu Moldawien hat sich gar so sehr verbessert, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch in Moldawien zum ersten Mal die Möglichkeit eines EU Beitritts von Europas ärmstem Land angesprochen hat.

Fortschritte wurden auch bei der EU Erweiterung erzielt. So wird Kroation wohl dieses Jahr das 28. EU Mitglied. Ausserdem wurden Beitrittsverhandlungen mit Motenegro begonnen und Serbien erhielt den Status eines Beitrittskandidaten. Letzteres ist eine Folge des EU Erfolgs bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien. Auf Einladung der EU Aussenbeauftragten Catherine Ashton haben sich zum ersten Mal die Premierminister der beiden Länder getroffen. Der Wunsch der EU Kommission, Albanien provisorisch den Status eines Beitrittskandidaten zu gewähren und Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien aufzunehmen, scheiterte hingegen an einzelnen EU Mitgliedern. Und auch Bosnien konnten keine Fortschritte machen, da es die Voraussetzungen nicht erfüllt. Mit die schlechtesten Noten erhielt die EU Aussenpolitik zudem für die Beziehungen mit der Türkei, wo die Beitrittsverhandlungen auch 2012 kaum Fortschritte gemacht haben. Besserung könnte hier allerdings das laufende Jahr bringen: So hat Frankreichs Präsident Francois Hollande angekündigt den Widerstand seines Landes in einem der Verhandlungsdossiers aufzugeben. [2]

Bessere Noten erhielt die EU auch in der Chinapolitik, auch hier wegen grösserer Geschlossenheit. So haben die EU Länder in Peking die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU gefeiert und dazu auch bekannte Menschenrechtsaktivisten wie den chinesischen Künstler Ai Weiwei eingeladen. Um zu verhindern, dass allzu viele Menschen an der EU Party teilnehmen, sah sich das chinesische Aussenministerium genötigt am gleichen Abend eine Galadinner zu veranstalten. Trotzdem ist die EU noch immer nicht in der Lage einzelne EU Länder vor chinesischen Repressalien zu schützen. So hat sich Grossbritannien den Zorn Pekings zugezogen, weil der britische Premierminister David Cameron den Dalai Lama empfangen hat. Keine Fortschritte konnten zudem in der Syrienfrage erzielt werden: Zusammen mit Moskau hat Peking zweimal im UN Sicherheitsrat sein Veto gegen Syrienresolutionen eingelegt.

Dafür klappte die Zusammenarbeit mit den USA hier bestens: Für die transatlantische Kooperation beim Vorgehen gegenüber Iran und Syrien erhielt die EU Aussenpolitik die besten Noten. Eine gute Note gab es auch für die gemeinsame Handelspolitik. So haben sich die EU und die USA auf eine gemeinsame Klassifizierung von Patenten geeinigt, was den Grundstein für ein globales System legen könnte. Die grössten Auswirkungen könnte aber ein EU-US Freihandelsabkommen haben, für das im vergangenen Jahr wichtige Vorarbeiten geleistet wurden. Die Zeitung European Voice vermutet, dass die Aufnahme von Verhandlungen bereits beim EU Gipfel nächste Woche (7. und 8. Februar) angekündigt wird, da das Gipfelprogramm hier „neue Entwicklungen“ vermerkt. [3] Ein Wehmutstropfen in den Beziehungen zu den USA bleibt aber die Visapolitik. Nachwievor benötigen die Bürger von vier EU Ländern ein Visum.

Aber das Zeugnis bewertet nicht nur die EU Aussenpolitik als Ganzes sondern analysiert auch den Beitrag der verschiedenen EU Mitgliedsländer. Am aktivsten waren hier wenig überraschend die drei grössten EU Länder, also Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Wie schon 2011 haben sich ausserdem Schweden und Holland hervorgetan. Belobigt wurde ausserdem der gemeinsame Auswärtige Dienst. Dadurch dass nun vermehrt Diplomaten aus den Mitgliedsländern für den Dienst tätig sind, hat dieser eine dipomatische Kultur entwickelt, in der Machtbeziehungen und Krisenmanagement ein grössere Rolle spielen. Eine Herausforderung ist dabei die Zusammenarbeit mit der eher technokratischen EU Kommission.  Der Bericht spricht gar von einem Gegensatz zwischen einem „Machteuropa“, dem Auswärtigen Dienst, und einem „technokratischen Europa“, der Kommission. Hinderlich ist zudem die Ungewissheit hinsichtlich der EU Mitgliedschaft Grossbritanniens. Die EU hat wegen der Eurokrise bereits an Attraktivität (soft power) verloren und der mögliche Verlust eines der aussenpolitisch wichtigsten Mitglieder wäre da ein weiterer Schlag. mic

Lesen Sie hier den Artikel zum Zeugnis für das Jahr 2011: Das Zeugnis ist da

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[1] European Council on Foreign Relations, Januar 2013: European Foreign Policy Scorecard 2013 (englisch, pdf)

[2] Hürriyet Daily News, 31.01.2013: France vows to rekindle Turkey’s frozen EU bid

[3] European Voice, 31.01.2013: Push for free trade with US