Ab nächstem Jahr können sich alle auf die Ausarbeitung eines neuen Weltklimavertrags konzentrieren
Die Klimakonferenz in Doha markiert eine Zäsur für den Verhandlungsprozess. Fürs Klima bringt das Ergebnis hingegen nichts. Doch das war zu erwarten.
Am Schluss ging Alles ganz schnell. Konferenzpräsident Abdullah bin Hamad Al-Attiya, der Vizepremier Katars hatte offensichtlich keine Lust mehr. Innert Fünf Minuten hat er einen völkerrechtlichen Vertrag verabschiedet, die Verlängerung des Kyoto-Protokolls, und das Verhandlungsergebnis unter der UN-Klimakonvention verabschiedet. Dies war nur möglich, weil er nicht von seinem Blatt aufgeschaut hat. So hat er einen Einspruch Russlands “übersehen” und mit den Worten: “So habe ich entschieden.” Die Resultate der Klimakonferenz in Doha zur Rechtskraft gehämmert. Eigentlich müsste es heissen: “So ist es entschieden.” Aber bei dem Tempo der Abschlusssitzung und dem ungläubigen Klatschen und Lachen der Delegierten fiel dies nicht weiter auf. “Das war offensichtlich nicht korrekt” sagt Franz Perrez über das Vorgehen des Konferenzpräsidenten. Doch selbst Russland hat sich nicht wirklich gewehrt. Der russische Chefdiplomat hat sein Missfallen über das Vorgehen einfach zu Protokoll gegeben.
Damit steht die Klimakonferenz für dreierlei: Kontinuität, einen Abschluss und einen Anfang. Kontinuität schafft die Verlängerung des Kyoto Protokolls bis 2020, mit seinen Reduktionszielen, den Regeln zur Emissionsbuchhaltung und den Marktmechanismen wie dem Clean Development Mechanism CDM. Abgeschlossen wurde derweil der Verhandlungsstrang für Industriestaaten wie die USA, Kanada und Japan sowie die Entwicklungsländer, der sogenannte LCA-Strang. Und angefangen wurde ein ganz neuer Verhandlungsstrang der bis 2015 zu einem Kyoto-ähnlichen Protokoll führen soll, das dann aber alle Länder umfasst. Hier wurde erwartungsgemäss am wenigsten Fortschritte gemacht. Die Verhandlungen sind hier noch in einer konzeptionellen Phase und drehen sich um die Planung der bevorstehenden Arbeit. Wichtiger war hingegen der Abschluss des sogenannten LCA Strangs. Und hier fanden auch die härtesten Auseinandersetzungen statt.
Das heikelste Thema war Geld. Die Entwicklungsländer hatten 60 Milliarden Dollar für die nächsten drei Jahre gefordert. Ausserdem wollten sie einen Fahrplan, der angibt wie die Klimafinanzierung auf jährlich 100 Milliarden Dollar im Jahr anwächst. Da weder Japan noch die USA bereit waren Gelder zuzusagen, war aber schon früh klar, dass diese Forderung wenig realistisch war. Und tatsächlich: Die Entwicklungsländer mussten sich schliesslich mit einer wachsweichen Formulierung, die keinerlei Zahlen enthält, zufrieden geben: Die Industriestaaten werden nur dazu “ermutigt” ihre Klimafinanzierung zu erhöhen. Ausserdem sind sie angehalten bei der nächsten Klimakonferenz “Informationen über ihre Strategien und Ansätze zur Mobilisierung der 100 Milliarden Dollar” vorzulegen. Auf deutsch: Die Industriestaaten können nächstes Jahr vermelden, sie hätten eine Arbeitsgruppe eingerichtet (Ansatz), die verschärft (Strategie) über das Thema nachdenkt.
Das zweite wichtige Thema läuft im Konferenzsprech unter der Bezeichnung “Loss and Damage” einem Begriff aus der Versicherungswirtschaft. Hier geht es darum, Länder zu entschädigen, denen wegen des Klimawandels Verluste entstehen. Hier ist das Paradebeispiel ein kleiner Inselstaat, der wegen des steigenden Meeresspiegels untergeht. Vor allem die USA wollten hier unbedingt verhindern, dass die Verursacher des Klimawandels haftbar gemacht werden können oder zu Schadensersatz verpflichtet werden. Am liebsten hätten die US-Unterhändler das Thema daher ganz aus dem Abschlussdokument gestrichen. Schliesslich hat man sich aber darauf geeinigt, nächstes Jahr einen “Mechanismus”zu schaffen, der das Problem eingehend studiert. “Der Loss and Damage Mechanismus ist die Gegenleistung für die fehlenden Zahlen bei der Klimafinanzierung. Die Entwicklungsländer haben beim Geld nachgegeben, dafür mussten die USA akzeptieren, dass das Thema Loss and Damage weiter auf der Agenda bleibt.” erklärt ein Beobachter.
Beinahe gescheitert wäre Doha aber an einem ganz anderen Thema, einer Altlast. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sind die Emissionen in Russland und Osteuropa massiv gesunken und haben bis heute nicht das alte Niveau erreicht. Daher haben diese Länder insgesamt Verschmutzungrechte für 13 Milliarden Tonnen CO2 aus der ersten Kyoto-Periode übrig. Und diese Rechte wollen sie in die Verlängerung des Kyoto-Protokolls und wenn möglich in das neue Klimaregime, das ab 2020 gelten soll, hinüberretten. Gemäss dem russischen Energieminister Alexander Bedritsky sind die überzähligen Verschmutzungsrechte eine “Auszeichnung für die Anstrengungen Russlands”, eine Art Orden also. Aber auch Polen hat bis in die letzten Minuten gekämpft. Schliesslich haben die beiden Länder fast Alles bekommen, was sie wollten. Um dem Klima dennoch die 13 Gigatonnen CO2 zu ersparen, haben die wichtigsten Industriestaaten allerdings versprochen, die Verschmutzungsrechte nicht zu kaufen – eine Notlösung.
Zu anspruchsvolleren Klimazielen konnten sich die Länder derweil nicht durchringen. Einzig die Dominikanische Republik, der Libanon und Monaco haben im Verlaufe der Konferenz relevante Klimaziele bekannt gegeben. Gastgeber Katar hingegen hat diese Gelegenheit verpasst. Am vorletzten Konferenztag hat Katar zwar zusammen mit Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain gesagt, Klimaschutzmassnahmen ankündigen zu wollen, aber vergessen zu sagen wann. Dafür haben die vier Länder einmal mehr klar gemacht, was sie vom Klimaschutz halten: “Wegen der Abhängigkeit von der Öl- und Gasproduktion steht der Klimaschutz im Gegensatz zu nationalen Entwicklungszielen.” Oder anders: Erst das Geschäft und dann die Moral. Ähnlich enttäuschend fiel schliesslich das Kapitel zur “gemeinsamen Vision”aus. Hier sollten sich die Länder der Welt eigentlich auf ein Jahr verpflichten, in dem die globalen CO2 Emissionen ihren Höhepunkt erreichen sollen. Doch auch dieses Jahr konnte man sich hier nur auf ein unverbindliches “so bald wie möglich” einigen. Die Klimawissenschaften fordern, dass die Emissionen spätestens ab dem Jahr 2015 zurückgehen müssen. Doch so genau wollten die Länder, das dann doch nicht festhalten.
So haben die Klimaverhandlungen in Doha dem Klima schliesslich kaum etwas gebracht – doch das war zu erwarten. Wichtiger ist, dass die Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer nun überwunden ist. Denn die Industriestaaten können das Klima nicht alleine retten. “Wir haben die Brücke vom alten System zu einem neuen Klimaregime überschritten.”sagt Connie Hedegaard, die EU Klimakommissarin. “Es war nicht immer ein einfacher, schneller und schöner Prozess, aber wir haben es geschafft.” mic
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