Peking errichtet Militärgarnison im südchinesischen Meer
Eigentlich hat jedes Land Anspruch auf eine 200 Meilenzone vor seinen Küsten. Doch China kümmert das wenig und es beansprucht fast das ganze südchinesische Meer für sich. Das begeistert chinesische Nationalisten und verängstigt die Nachbarn. Nutzniesser sind die USA, die in Südostasien mit offenen Armen empfangen werden.
Chinas jüngste Präfektur heisst Sansha. Sie hat 3500 Einwohner und umfasst 13 Quadratkilometer Landfläche sowie knapp zwei Millionen Quadratkilometer Meer. Sansha liegt auf Woody Island, der grössten der Paracel Inseln im südchinesischen Meer. Und wie es sich für eine Präfektur gehört, erhält Sansha nun auch eine Militärgarnison. Damit unterstreicht Peking einmal mehr seinen Anspruch auf die Paracel und Spratly Inseln sowie fast das ganze südchinesische Meer. Doch damit ist China nicht allein: Die Paracel Inseln werden auch von Vietnam beansprucht, das die Inseln in einem kurzen Krieg im Jahr 1974 an China verloren hat. Und auf die Spratly Inseln erheben sogar fünf weitere Länder Ansprüche: die Philippinen, Brunei, Malaysia, Vietnam und Taiwan. Hinzu kommt, dass auch die Hoheit über die von China beanspruchten Meeresgebiete umstritten ist: Ein Grossteil liegt innerhalb der 200 Meilenzone der anderen Anrainerstaaten (siehe Karte).
Die Einrichtung der Präfektur Sansha ist dabei nur die letzte in einer Reihe von Provokationen Chinas in diesem Jahr: Im April kam es zu einer Konfrontation von chinesischen und philippinischen Küstenwachbooten beim Scarborough Atoll. Kurz darauf ist ein chinesisches Marineboot in philippinischen Gewässern auf Grund gelaufen. {1} Ende Juni kam die Ankündigung der China National Offshore Oil Corporation, dass neun Gebiete vor der vietnamesischen Küste für die Ölförderung freigegeben wurden. Dabei liegen alle neun sogenannten Blöcke innerhalb von Vietnams 200 Meilenzone. Ein Block liegt gar nur 68 Kilometer von der Küste entfernt. Ausserdem überschneiden sich die chinesischen Blöcke mit Förderblöcken, die bereits von Vietnam ausgewiesen wurden (siehe Karte) [2] und die Vietnam zum Teil zusammen mit einem indischen Staatsbetrieb ausbeuten will. Indiens Oil and Natural Gas Corporation hat vor wenigen Tagen bestätigt, dass sie an dem Projekt vor der vietnamesischen Küste festhalten will. [3]
Angesichts der verfahrenen Situation hatten alle Beteiligten gehofft, beim Asean Gipfel Mitte Juli in der kambodschanischen Hauptstadt Pnom Phen Fortschritte in Richtung einer friedlichen Beilegung des vielen Territorialkonflikte zu machen. Doch dann kam es zum Eklat. Zum ersten Mal in der Geschichte Aseans konnten sich die Mitgliedsländer nicht auf ein Abschlusscommuniqué einigen. Die Philippinen und Vietnam bestanden darauf, die Streitigkeiten in diesem Dokument zu erwähnen. Doch Gastgeber Kambodscha hielt dagegen. Das Land ist wirtschaftlich von China abhängig und Beobachter gehen davon aus, dass Kambodscha auf Anweisung Chinas gehandelt hat. Dabei bietet Asean die beste Möglichkeit die Konflikte in der „gefährlichsten See der Welt“ zu entschärfen: China und Asean verhandeln seit Jahren über einen „Code of Conduct“, einen Verhaltenskodex, der die gemeinsame Nutzung des Meeres regeln soll.
Eigentlich müsste China ein Interesse an der Beilegung der Territorialkonflikte haben: Zum einen könnte dann mit der Ausbeutung der Ölvorkommen begonnen werden, die von der US Energy Information Administration auf 213 Milliarden Barrel geschätzt werden, nach Saudi-Arabien und Venezuela das drittgrösste Fördergebiet der Welt. [4] Und zum anderen nutzen die Streitigkeiten vor allem den USA, denn die Länder Südostasiens suchen Schutz in Washington. So besuchte US Verteidigungsminister Leon Panetta Anfang Juni Cam Ranh Bay, den wichtigsten US Stützpunkt während des Vietnamkriegs. Panettas Besuch „zielt darauf ab Peking die Botschaft zu senden, dass Vietnam die Unterstützung der USA hat, auch wenn das Vietnam und die USA abstreiten“, sagt Carlyle Thayer, Professor emeritus von der New South Wales Universität in Australien. [5] Und auch die Philippinen festigen ihr Bündnis mit der Supermacht. Die beiden Länder haben seit 1951 einen Verteidigungspakt und haben im Frühjahr ein grosses Manöver abgehalten. Kurz: Nachdem die USA angekündigt haben ihr geostrategisches Hauptaugenmerk in Zukunft auf Ostasien zu richten, rollen die Länder der Region für US Militärs und Diplomaten den roten Teppich aus.
Der Anspruch auf das südchinesische Meer könnte sich zu einem „geopolitischen Mühlstein um Chinas Hals“ entwickeln, sagt Kishore Mahbubani von der Nationalen Universität in Singapur. „Es gibt keinen Zweifel, dass China Kompromisse machen muss.“ [6] Doch dies fällt der chinesischen Führung schwer. Durch ihr Beharren auf dem Gebietsanspruch hat sie nicht nur Ängste im Ausland sondern auch nationalistische Gefühle im Inland geweckt. Kompromisse könnten da eine nationalistische Wutwelle auslösen – ein Szenario, das Chinas Führung um jeden Preis verhindern will. China hat sich also in eine Ecke manövriert: Bleibt es bei seinem Anspruch treibt es seine Nachbarn in die Arme der USA und wird langsam eingekreist. Verzichtet es auf seinen Anspruch, verliert das kommunistische Regime intern an Legitimität und untergräbt seine Macht. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die chinesischen Provokationen weitergehen werden bis der aktuelle Führungswechsel in Peking abgeschlossen ist und die neue Regierung fest im Sattel sitzt. Anschliessend „gibt es aber Grund zur Hoffnung, dass eine zurückhaltendere chinesische Position formuliert wird“, sagt der ehemalige australische Aussenminister Gareth Evans. [7] Schliesslich wäre dies nicht zuletzt im Interesse Chinas. mic
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[1] AFP, 13.07.2012: China navy ship runs aground in disputed South China Sea
[2] The Economist, 07.07.2012: Roiling the waters
[3] WSJ, 19.07.2012: ONGC to Continue Exploration in South China Sea
[4] FP, 26.07.2012: 5 Flashpoints in the South China Sea
[5] Bloomberg, 04.06.2012: Cam Ranh Bay Lures Panetta Seeking Return to Vietnam Port
[6] Project Syndicate, 26.07.2012: Is China Losing the Diplomatic Plot?
[7] Project Syndicate, 26.07.2012: Calming the South China Sea