Gates Stiftung will jährlich vier Milliarden Dollar für Familienplanung mobilisieren
Ungewollte Schwangerschaften haben für die betroffenen Frauen oft verheerende soziale und finanzielle Konsequenzen. Fehlender Zugang zu Verhütungsmitteln hält aber auch die Entwicklung eines Landes zurück. Mit einem vier Milliarden Dollar Programm will die Stiftung von Bill Gates daher 120 Millionen Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln verschaffen.
Kinderkriegen ist lebensgefährlich. Dies gilt umso mehr, wenn die letzte Schwangerschaft weniger als zwei Jahre zurückliegt oder die werdende Mutter selbst noch ein Kind ist. Doch nicht alle Frauen haben Zugang zu modernen Verhütungsmitteln: Der UN Bevölkerungsfonds UNFPA schätzt, dass in den Entwicklungsländern insgesamt 222 Millionen Frauen gerne verhüten würden, dies aber nicht können. [1] Dies will die Bill and Melinda Gates Foundation nun ändern. Pünktlich zum Weltbevölkerungstag am 11. Juli organisiert die Stiftung des Microsoft Gründers Bill Gates zusammen mit der britischen Regierung und dem UNFPA den Londoner Familienplanungsgipfel. [2] Das Ziel der Veranstaltung lässt sich auf zwei Zahlen reduzieren: Für jährlich vier Milliarden Dollar bekommen 120 Millionen Frauen Zugang zu modernen Verhütungsmittel, die bislang keinen Zugang hatten.
Mit dieser Initiative hofft insbesondere Melinda Gates die stiefmütterliche Behandlung des Themas Familienplanung in der Entwicklungspolitik zu beenden. In den letzten 15 Jahren sei dieses Thema vernachlässigt worden, sagt UNFPA Chef Babatunde Osotimehin. Dies hat sich zuletzt in der Abschlusserklärung des Rio+20 Gipfels zur Nachhaltigen Entwicklung gezeigt: Auf Betreiben des Vatikans wurde der Paragraph über Familienplanung gestrichen. Dabei sind die vier Milliarden Dollar, die von den Frauen selbst, nationalen Regierungen und internationalen Geldgebern aufgebracht werden müssen, gut investiertes Geld: Zum einen sterben weniger Frauen an Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen oder an unprofessionell durchgeführten Abtreibungen. Allein damit haben sich die vier Milliarden Dollar bereits amortisiert, wie der UNFPA ausgerechnet hat. [1] Zum anderen profitieren aber auch die Kinder: Wenn sie weniger Geschwister haben, können ihre Eltern mehr Zeit und Geld in ihre Erziehung und Ausbildung investieren. Peter Adamson, ein früherer Berater des UN Kinderhilfswerks Unicef, sagt: „Familienplanung bringt mehr Vorteile für mehr Menschen für weniger Geld als jede andere ‚Technologie‘, die der Menschheit zur Verfügung steht. Aber es wird nicht ausreichend anerkannt, dass dies zutrifft, selbst wenn es kein Bevölkerungsproblem gäbe.“ [3]
Familienplanung hat also nicht nur Vorteile für Frauen und Kinder sondern trägt auch zur Begrenzung des Bevölkerungswachstums bei, insbesondere in den ärmsten Ländern. Derzeit leben knapp über sieben Milliarden Menschen auf der Welt und die Wachstumsrate beträgt 1,1 Prozent. Bereits in 15 Jahren steigt die Zahl der Menschen somit auf acht Milliarden an. Seit rund 300 Jahren vermehrt sich die Spezies Mensch explosionsartig (siehe Grafik) und hat mittlerweile einen ökologischen Fussabdruck, der eigentlich anderthalb Planeten erforderlich macht. Das von der Gates Stiftung initiierte Familienplanungsprogramm vermag diesen Trend nicht umzukehren, trägt aber zu einer Abschwächung des Wachstums bei. Mit dem vier Milliarden Dollar Programm werden 54 Millionen ungewollte Schwangerschaften verhindert und somit 21 Millionen Geburten (sowie 26 Millionen Abtreibungen und 7 Millionen Fehlgeburten). [1] Bei aktuell 138 Millionen Geburten weltweit pro Jahr, führt das Gates Programm also zu einer Reduktion der Anzahl Geburten um rund 15 Prozent. Kurz, von den vier Milliarden Dollar profitieren also nicht nur 120 Millionen Frauen und ihre Familien sondern auch die Umwelt und somit die anderen sieben, acht, neun Milliarden Erdenbürger. mic
Quelle: US Census Bureau (Daten), Wikipedia (Grafik)
Ungeduldige Optimisten
Die Bill and Melinda Gates Foundation ist mit einem Kapital von 33,5 Milliarden Dollar die grösste gemeinnützige Stiftung der Welt. Ziele der Stiftung sind die Verbesserung der Weltgesundheit und die Beseitigung extremer Armut sowie die Verbesserung der Bildung in den USA. Die jährlichen Ausgaben für Weltgesundheit von rund 800 Million Dollar entsprechen etwa dem Budget der WeltgesundheitsorganisationWHO. Die Stiftung gilt als einer der Vorreiter des Philantrokapitalismus. Ähnlich wie ein Wagniskapitalgeber orientiert sie sich am Return on Investment, also dem Nutzen den jeder gestiftete Dollar bringt. Ausserdem investiert sie in Forschungsprojekte mit potentiell grossem Nutzen aber hohem Risiko. Im Gegensatz zu den meisten anderen Stiftungen ist sie ausserdem nicht auf Ewigkeit angelegt. Spätestens 50 Jahre nach dem Tod von Bill und Melinda Gates muss der letzte Dollar ausgegeben sein. Die Stifter wollen schnell einen Unterschied machen. mic
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[2] London Summit on Family Planning
[3] John Rowley in People and the Planet, 02.07.2012: The case for family planning that Rio+20 forgot