G20 Gipfel diskutiert zum ersten Mal das Green Economy Konzept
In der ersten industriellen Revolution hat sich durch den Einsatz von Maschinen die Arbeitsproduktivität verzehnfacht. In einer zweiten industriellen Revolution muss dies nun für den Produktionsfaktor „Umwelt“ gelingen. Und genau das verspricht die Green Economy.
Die Erde ist zu klein. Der Verbrauch an Umweltgütern durch den Menschen macht einen anderthalb Mal grösseren Planeten erforderlich. Und dieser „ökologische Fussabdruck“ wird weiter zunehmen. Doch leider kann die Menschheit ihren Heimatplaneten nicht gegen ein grösseres Modell eintauschen. Sie muss mit dem haushalten, was sie hat. Doch wie soll das gelingen? Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften ist die kontinuierliche Zerstörung des Natur-Kapitals ein Fall von Marktversagen. Weil die Umwelt keinen Preis hat, gehen Konsumenten und Produzenten verschwenderisch damit um und mindern so ihre eigene Wohlfahrt. „Die Weltwirtschaft bewegt sich nicht etwa auf eine ökologische Schuldenkrise zu, sondern steckt bereits mitten drin.“ sagt Bruno Oberle, der Chefbeamte im Schweizer Umweltministerium Bafu. [1]
Aus diesem Grund wird beim heute beginnenden G20 Gipfel nicht nur über den Ausgang der griechischen Wahlen und die europäische Schuldenkrise diskutiert, sondern zum ersten Mal auch über die Green Economy. „Ziel muss es sein, den ökologischen Fussabdruck bis etwa zum Jahr 2050 weltweit wieder auf die Kapazität einer Erde zu reduzieren, wie dies vor 1980 stets der Fall war.“ sagt Oberle. [1] Doch, „bei der Bewältigung dieser Herausforderung stösst das gegenwärtige Wirtschaftssystem klar an seine Grenzen.“ Kurz, es muss ein neues Wirtschaftssystem her und genau das verspricht das Green Economy Konzept: der Wert der Natur soll sowohl auf nationalstaatlicher wie auch auf Unternehmensebene Eingang in die Entscheidungsprozesse finden. Im Fall von CO2 Emissionen lässt sich dies etwa mit einer CO2 Steuer erreichen, wie sie Christine Lagarde, die IWF Chefin, soeben vorgeschlagen hat. Gleich wie bei einem Emissionshandelssystem hätten CO2 Emissionen damit einen Preis und alle Akteure einen finanziellen Anreiz diese zu reduzieren. Ähnlich funktioniert die „Bezahlung von Umweltdienstleistungen“ (PES). So bezahlt die Stadt New York, die Bauern im Umland für den Verzicht auf Dünger. Dadurch wird die Aufbereitung des Trinkwassers für die Millionenmetropole billiger.
Die Green Economy „kommt einer erneuten industriellen Revolution gleich“ sagt Oberle. [1] Gemäss der Unternehmensberatung McKinsey geht es bei dieser Revolution um die Steigerung der Umweltproduktivität. [2] In der ersten industriellen Revolution wurde durch den Einsatz von Maschinen die Arbeitsproduktivität um das zehnfache gesteigert. Diesen Erfolg gilt es nun für den Produktionsfaktor Umwelt zu wiederholen: Wenn es gelingt, pro Tonne CO2 Emissionen die Wertschöpfung um das zehnfache zu steigern, ist das Klima gerettet. Dieser Produktivitätsgewinn macht es möglich, dass die Wirtschaft weiter wächst und die Umweltbelastung trotzdem zurückgeht. Es handelt sich also um eine sogenannte „win-win“ Situation, wo alle gewinnen. Doch damit haben sich die Vorteile einer Green Economy noch nicht erschöpft, wie der „Green Economy Report“ des UN Umweltprogramms Unep zeigt: Einerseits müssen zwar jährlich zwei Prozent des Welt-BIPs investiert werden, dafür fällt das Wachstum höher aus. [3] Dies deckt sich mit Berechnungen der EU: Diese beziffert den Investitionsbedarf auf 1,5 Prozent und verspricht sich davon 1,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bis 2020. [4]
Doch das Green Economy Konzept hat auch seine Kritiker: Ländern wie Bolivien und Venezuela ist das Konzept zu kapitalistisch. Sie bevorzugen einen „Ökosozialismus“. Ähnlich argumentieren einige kleinere Umweltorganisationen: Sie befürchten, dass die Umwelt zur Ware wird, obgleich sie doch preislos ist. Die schärfste Kritik kommt aber von Ottmar Edenhofer, dem Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. [5] Für ihn kann es nicht nur Gewinner geben: Angesichts der Mengen an Kohle, Öl und Gas, die sich noch im Boden befänden, brauche es eine effektive Begrenzung des Abbaus, meint Edenhofer. Und auch Unep Chef Achim Steiner gibt zu: „Diejenigen, die in ein Wirtschaftsmodell aus dem 19. und 20. Jahrhundert investiert haben, sind verständlicherweise nervös über einen Paradigmenwechsel.“ Aber für Steiner ist klar: „Märkte sind menschliche Konstruktionen, die Regeln und Institutionen brauchen, um ihnen eine Richtung zu geben und Grenzen aufzuzeigen.“ [6] Und genau das soll die Green Economy leisten: die Weltwirtschaft auf ein Mass an Umweltbelastung zu begrenzen, das die Kapazität des Planeten nicht übersteigt. Nicht der Planet ist zu klein, sondern unser Verhalten dumm. mic
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[1] Bruno Oberle, 15.05.2012: Lebensqualität dank Grüner Wirtschaft und Ressourceneffizienz
[3] Unep, 2011 Towards a Green Economy: Pathways to Sustainable Development and Poverty Eradication
[4] EU, 2011: A roadmap for moving to a competitive low carbon economy in 2050 (pdf)
[5] Eva Mahnke, klimaretter.info, 05.06.2012: Gefährliche ‘Green Economy’
[6] Achim Steiner, Project Syndicate, 11.06.2012: The High Stakes of Rio+20