China könnte einen seiner wenigen Freunde verlieren
Burma liegt im Schnittpunkt von Indien, China und Südostasien. Bislang war das Land eng mit China verbunden. Doch durch die Demokratisierung Burmas könnte sich dies ändern, denn keine Demokratie will eine Diktatur zum besten Freund haben.
Zurzeit produziert Burma gute Nachrichten im Wochenrythmus: politische Gefangene wurden freigelassen, die Pressezenzur gelockert und Aung San Suu Kyi ins Parlament gewählt. Gleichzeitig verhandelt die Regierung von Präsident Thein Sein mit den vielen ethnischen Minderheiten und schliesst Frieden mit deren Guerillaarmeen. Flüge nach Rangun sind ausgebucht und die wenigen Hotels der Stadt sind voll mit Geschäftsleuten, die den neuen Markt in Augenschein nehmen. Dem Land wird ein jahrezehntelanger Boom prophezeit.
„Aber die Öffnung hat auch andere Folgen, inbesondere eröffnet sie ein neues ‚great game‘ strategischen Wettbewerbs.“ schreibt der ehemalige indische Aussenminister Jaswant Singh (1). Die strategische Bedeutung Burmas erklärt ein Blick auf die Karte. Das Land liegt im Dreieck zwischen Indien, China und Südostasien (Thailand). Zudem hat es bislang noch kaum genutzte Erdgasvorräte. Und der Wettbewerb um diese Rohstoffe ist bereits im Gang: So sollen vom Shwe Gasfeld aus zwei Pipelines gebaut werden, eine nach China und eine nach Indien. Aber damit hat sich das Interesse der beiden asiatischen Giganten noch nicht erledigt: Für Indien bietet Burmas Demokratisierung die Chance den Landweg nach Südostasien zu eröffnen und für Wachstum in Bangladesch und Nordostindien zu sorgen. Und für China bedeutet Burma einen direkten Zugang zum indischen Ozean unter Umgehung der Malakkastrasse. Bislang hatte China in diesem Wettbewerb mit Indien die Nase vorn: Für das frühere burmesische Militärregime war China der wichtigste Partner. Doch nicht zuletzt diese Abhängigkeit dürfte die Generäle dazu bewogen haben, das Land zu öffnen. Die Eingliederung in die Weltwirtschaft soll als Gegengewicht zum Einfluss Chinas dienen. Dabei ist die Ausgangslage Burmas hevorragend, wie der US Historiker Robert Kaplan schreibt (2): Burma „wird sich zu einem Logistik- und Rohstoffdrehkreuz entwickeln, das den indischen Subkontinent, China und Südostasien zu einem durchgehenden Kontinuum vereinigt.“
Damit ist aber noch nichts gesagt über die aussen- und sicherheitspolitischen Orientierung eines demokratischen Burmas. Wird sich das Land eher Indien und Südostasien zuwenden, oder wird es seine Allianz mit Peking beibehalten? Erste Anhaltspunkte liefert dabei ein Artikel des Politikwissenschaftlers Minxin Pei (3), der folgender Frage nachgegangen ist: „Wie hat es China geschafft nur Pariah Staaten als Freunde zu haben?“ Abgesehen von der geografischen Lage, spielt für Pei hier das politische System der „einsamsten Supermacht“ die Hauptrolle: keine Demokratie will eine Diktatur zum Freund haben. Und so ist der Kreis der Freunde Chinas klein und dubios: Pakistan, Nordkorea, Laos, Kambodscha, Sudan, Simbabwe, Angola, Kuba, Venezuela und bislang Burma. Doch Pei zweifelt, dass Burma noch lange diesem Kreis angehören wird: „China dachte es hätte Burmas Generäle in der Tasche. Aber diese hatten andere Pläne und heute scheint sich Burma aus der chinesischen Einflusssphäre zu verdrücken.“ Als Beweis führt Pei hier die Kündigung eines Staudammprojekts an. Zum Entsetzen Chinas hat die neue burmesische Regierung beschlossen, dass Milliardenprojekt sei „nicht im Interesse des Volkes“ (4).
Eine etwas andere Sicht hat hier Kaplan: „Obwohl Chinas Einfluss in Burma relativ abnehmen wird, so ist Chinas Gewinn (durch die Öffnung Burmas) dennoch immens: Kunming, die Hauptstadt von Chinas Yunnan Provinz, wird die ökonomische Hauptstadt Südostasiens, wo Flüsse und Eisenbahnlinien aus Burma, Laos und Vietnam zusammentreffen.“ Und ähnlich sieht das auch der, durch eine Hackattacke bekannt gewordene Narichtendienst Stratfor (5): „Länder wie die USA, Thailand und Indien werden grösseren Einfluss in Burma geniessen. Aber China sollte dennoch in der Lage sein, die gewünschten Resultate zu erzielen. Chinas Grösse, geografische Lage und wirtschaftliche Potenz machen dieses Resultat beinahe zu einer Notwendigkeit.“ Aus indischer Perspektive unterschlägt Stratfor hier aber einen wichtigen Faktor, wie Singh meint: „Realpolitik und wirtschaftliche Interessen werden nicht alleine das grosse Spiel in Burma bestimmen. Ideale und der Durst nach Freiheit werden ebenfalls eine kritische Rolle spielen.“ Das „great game“ kann also beginnen und es bleibt nur zu hoffen, dass die Burmesen ihre Karten richtig spielen, und ihr Land nicht nur Spielfeld sondern auch Spieler ist. mic
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(1) Jaswant Singh, Project Syndicate, 26.03.2012: The Lynchpin of Asia
(2) Robert Kaplan, Stratfor, 21.03.2012: How Myanmar liberates Asia
(3) Minxin Pei, Foreign Policy, 20.03.2012: The Loneliest Superpower
(4) npr.org, 11.11.2011: In Myanmar, A Wary Welcome For Signs Of Change
(5) Stratfor, 06.04.2012: China’s Enduring Influence in Myanmar