Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren zu einer Drehscheibe im Rohstoffhandel entwickelt
Früher brauchte man für den Rohstoffhandel Häfen. Heute braucht man Banken. Davon profitiert das Binnenland Schweiz, wo ein wachsender Anteil des internationalen Rohstoffhandels abgewickelt wird.
Die Fusionsankündigung von Xstrata, einem Minenkonzern, und Glencore, einem Rohstoffhändler, hat die Öffentlichkeit auf die sonst wenig beachtete Rohstoffbranche aufmerksam gemacht. Dabei ist Glencore schon ohne die Fusion der umsatzstärkste Konzern der Schweiz, weit vor Nestle oder den Grossbanken. Und nach einem Einbruch im Jahr 2009 sprudeln auch wieder die Gewinne: 4,06 Milliarden Dollar allein für Glencore im letzten Jahr. Und mit diesem Geld werden eben nicht nur Investitionen in neue Minen sondern auch Übernahmen und Fusionen finanziert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der „vertikalen Integration“, wie pwc, ein Beratungsunternehmen, in seinem Bericht „Mine 2011“ festgestellt hat. So wird die fusionierte „Glenstrata“ die gesamte Wertschöpfungskette von der Mine oder der Plantage , über den Transport bis zum Verkauf abdecken, sowohl für Bodenschätze als auch für Agrarerzeugnisse.
Wenig erstaunlich ist aber auch, dass zwei Schweizer Rohstoffgiganten die Schlagzeilen beherrschen. Denn die Schweiz hat sich in den letzte Jahren zu einem der wichtigsten Handelsplätze für Rohstoffe gemausert. Während im Jahr 2003 nur 0,5 Prozent des Schweizer BIPs von Rohstofffirmen erwirtschaftet wurden, stieg deren Anteil auf drei Prozent im Jahr 2010. Die Zentren dieses Booms sind Genf und Zug bei Zürich. Dabei spielen nicht nur niedrige Steuern, sondern vor allem die Nähe zu den Finanzmärkten eine wichtige Rolle sagt Emmanuel Fragnière von der Wirtschaftshochschule Fribourg: Die Rohstoffindustrie „hat begonnen die Finanzindustrie nachzuahmen, da der Rohstoffmarkt immer stärkeren Schwankungen unterliegt.“ Hinzu kommt, dass sich in der Schweiz ein Netzwerk von spezialisierten Transportunternehmen, Anwälten und Prüfgesellschaften entwickelt hat, wie Konrad Wälti von der Crédit Suisse, einer Grossbank, festgestellt hat. Und so kommt es, dass das Binnenland Schweiz den Handel mit Kaffee, Zucker, Baumwolle und Ölsaaten dominiert und im Ölhandel schnell zum Marktführer London aufholt.
Doch diese Entwicklung hat auch ihre Kritiker: So warnt die Erklärung von Bern in ihrem Buch „Rohstoff – Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“ vor Gefahren für den Ruf der Schweiz. Denn immer wieder sind die grossen Rohstoffhändler in Korruptionsskandale verwickelt. Ausserdem bringe die Schweiz die rohstoffexportierenden Ländern um Steuereinnahmen in der Höhe von 100 bis 250 Milliarden Dollar pro Jahr. Wichtig ist eben nicht, wo der Kaffee wächst, sondern wo er gehandelt wird. mic
Rohstoffreichtum ist ein Fluch
60 Prozent der Ärmsten Menschen der Welt, die mit weniger als zwei Dollar Tag auskommen müssen, leben in Ländern mit grossen Rohstoffvorkommen. Bodenschätze machen also nicht reich sondern arm. Grund dafür ist die Korruption. Während in Deutschland tausende von Firmen das Volkseinkommen erwirtschaften, sind es bei Rohstoffexporteuren nur ganz wenige Unternehmen. Und wer diese Wenigen kontrolliert, hat oft einen unwiderstehlichen Anreiz etwas für sich abzuzweigen. Daher versuchen mehrere Initiativen die Zahlungsströme bei Rohstoffgeschäften transparenter zu machen. Anfangs waren diese Initiativen für Rohstoffexporteure und Minenbetreiber freiwillig. Doch nun wollen die USA und die EU Minenbetreiber zur Teilnahme verpflichten. Ausserdem machen immer mehr Länder mit. Und so besteht die Chance, dass eines Tages auch die Menschen in den rohstoffexportierenden Ländern von ihren Bodenschätzen profitieren. mic
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