Nachwachsende Rohstoffe sind knapper als Bodenschätze
In jedem Dollar Wertschöpfung stecken 1,4 Kilo Rohstoffe. Trotz Effizienzgewinnen nimmt der Ressourcenverbrauch so immer weiter zu. Noch ist das kein Problem.
Sie werden heute 43 Kilo an Rohstoffen verbrauchen. So wie gestern auch und vorgestern. Insgesamt kommen Sie so auf einen persönlichen Ressourcenverbrauch von knapp 16 Tonnen pro Jahr. Davon entfällt knapp ein Drittel auf Nahrung und Mobilität, knapp ein Drittel auf Wohnen und Infrastruktur und der Rest auf alle anderen Konsumbereiche. Als Europäer liegen Sie damit weltweit gesehen im Mittelfeld. US Amerikaner verbrauchen gut 32 Tonnen Rohstoffe pro Jahr und Asiaten gut fünf Tonnen. Eingerechnet ist dabei der gesamte Ressourcenverbrauch, der für die Herstellung der verschiedenen Güter erforderlich ist: So braucht man für die Herstellung von einem Kilo Auto neun Kilo Rohmaterial und für ein Kilo Kleidung 35 Kilo Ausgangsstoffe. Insgesamt verbraucht die Menschheit so jährlich rund 50 Milliarden Tonnen an Biomasse (Holz, Nahrung), Energieträgern (Öl, Gas, Kohle) und anderen Bodenschätzen (Metalle, Sand, Salz).
Und der Ressourcenverbrauch wird weiter zunehmen, angetrieben von zwei Faktoren: dem Bevölkerungswachstum und dem zunehmenden Wohlstand. Daran vermag auch die steigende Ressourceneffizienz der Weltwirtschaft nicht zu ändern: Heute benötigt man zwar 30 Prozent weniger Rohmaterialien als vor 30 Jahren um einen Dollar Wertschöpfung zu erzielen. Doch da die Weltwirtschaft in dieser Zeit um 110 Prozent gewachsen ist, hat auch der Ressourcenverbrauch zugenommen. Und wenn sich an diesen Trends nichts ändert, steigt er immer weiter: auf 100 Milliarden Tonnen im Jahr 2030, doppelt soviel wie heute, wie das Forschungsinstitut Seri ausgerechnet hat. Dieser Nachfrageboom spiegelt sich auch in den Preisen wieder: Während Rohstoffe zwischen den Jahren 1900 und 2000 im Schnitt jedes Jahr 1,2 Prozent billiger geworden sind, steigen die Preise seither schnell an und liegen wieder auf dem Niveau von 1900 (siehe Grafik).
Dieser Preisanstieg ist vornehmlich dem starken Wachstum der Nachfrage zu verdanken, dem „China Faktor“. Auf der Angebotsseite hingegen muss man zwischen den drei grossen Rohstoffklassen unterscheiden, den Energieträgern, den Metallen und den nachwachsenden Rohstoffen (Biomasse):
Energieträger: Öl, Gas und Kohle sind endlich und so wird deren Produktion irgendwann ein Maximum erreichen und anschliessend wieder sinken. Insbesondere bei Öl befürchten Experten, dass das Fördermaximum (Peak Oil) bereits erreicht sein könnte. „Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Peak Oil bereits um das Jahr 2010 zu verorten ist“ schreibt ein Think Tank der Bundeswehr. Doch neue Fördertechniken wie Tiefseebohrungen oder die Gewinnung von Öl aus Teersanden ermöglichen eine weitere Erhöhung der Produktion, wie eine neue Studie der Citibank zeigt. Und das gleiche gilt für Gas. Hier hat eine Technik namens „Fracking“ den USA erlaubt ihre heimische Gasförderung wieder auf das Niveau der 70er Jahre zu steigern. Kurz, dank des technischen Fortschritts ist der Peak Oil vorerst abgesagt. Dass der Ölpreis trotzdem über 100 Dollar pro Barrel liegt hat derweil einen anderen Grund: die Angst vor einem Irankrieg und einer Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs in der Strasse von Hormuz am Ausgang des Persischen Golfs.
Metalle: Abgesehen von Öl hat in den letzten Jahren eine Gruppe von Metallen für die meisten Schlagzeilen gesorgt: die seltenen Erden. China, das für 97 Prozent der weltweiten Produktion an Seltenen Erden verantwortlich zeichnet, hat deren Ausfuhr eingeschränkt. Dies ist insbesondere ein Problem für die deutsche Industrie, da Seltene Erden in Magneten, Batterien, Spezialgläsern und anderen Hochtechnologieprodukten eingesetzt werden. Industrie und Politik haben denn auch reagiert: So hat die EU eine „Rohstoff-Offensive“ gestartet wie der Berichterstatter für Rohstoffe im Europäischen Parlament, Reinhard Bütikofer von den Grünen sagt. Und in Deutschland hat sich ein Dutzend Firmen der Grossindustrie zu einer „Allianz zur Rohstoffsicherung“ zusammengeschlossen. Auch kann hier die Bundesregierung schon einen ersten Erfolg vorweisen: Trotz Kritik an der Menschenrechtslage hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang Februar mit dem Präsidenten von Kasachstan die Förderung von Seltenen Erden in dem zentralasiatischen Land vereinbart.
Biomasse: Im Gegensatz zu den Energieträgern und Metallen sind nachwachsende Rohstoffe nicht endlich. Dennoch kann ihre Produktion nicht beliebig gesteigert werden, im Gegenteil: Ein grosser Teil der Landwirtschaft beruht auf der Ausbeutung fossiler Wasservorkommen. Sind diese erschöpft muss die Landwirtschaft im Extremfall eingestellt werden. Diese Erfahrung hat etwa Saudi Arabien gemacht. Aber auch Ackerland ist knapp. Während nur noch die Ukraine und Brasilien über grössere Flächen an ungenutztem Land verfügen, fressen sich überall Städte und Strassen in die Landschaft. Hinzu kommt der Verlust an Mutterboden durch Erosion auf rund einem Drittel der weltweit beackerten Fläche. Und schliesslich wird Dünger immer teurer, sei es weil er aus Erdgas hergestellt wird (Stickstoff) oder weil der Abbau immer teurer wird (Phosphor). Gefährlich für die Produktion von Nahrungsmitteln sind ausserdem zwei politische Weichenstellungen: Immer mehr Land und Wasser werden für die Biospritproduktion genutzt, um die Abhängigkeit von Ölimporten zu senken (USA) oder die Klimabilanz aufzupolieren (Europa). Und die Unfähigkeit der Staaten den Fischfang auf ein nachhaltiges Mass zu begrenzen, droht eine wichtige Proteinquelle für lange Zeit zu beschädigen.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Die Rohstoffmärkte funktionieren. Die stark wachsende Nachfrage führt zu steigenden Preisen, was wiederum eine Ausweitung der Produktion ermöglicht. Die Frage ist nur: Wie lange kann das noch so weitergehen? Im Jahr 2000 steckten in jedem Dollar Wertschöpfung 1,4 Kilo Rohstoffe. Und bei drei Prozent Wachstum verdoppelt sich die Wertschöpfung alle 25 Jahre. Ein begrenztes Angebot stösst so auf eine exponentiell wachsende Nachfrage. Doch auch um diese Frage zu beantworten, muss man zwischen den drei Rohstofftypen unterscheiden. So haben wir deutlich zuviele Energieträger, wenn man den Klimawandel mitberücksichtigt. Wenn die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll, dürfen nur noch 20 Prozent der nachgewiesenen Reserven gefördert werden. Anders bei den Metallen. Hier besteht zwar auch kein absoluter Mangel, aber aus politischen Gründen ist die Versorgungssicherheit nicht unbedingt gewährleistet. Doch wie die verschiedenen Initiativen auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene zeigen, haben Wirtschaft und Politik das Problem erkannt und bereits Massnahmen in die Wege geleitet. Bleibt also die Biomasse. Und hier besteht tatsächlich Anlass zur Sorge. Denn zum einen trifft der Preisanstieg bei Lebensmitteln vor allem die Ärmsten. Und zum anderen ist fraglich, wie stark die Produktion noch gesteigert werden kann. Dies gilt umso mehr, da der Klimawandel zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen führt. Statt „Peak Oil“ sollten daher „Peak Fisch“, „Peak Wasser“ und „Peak Brot“ die Diskussion um Rohstoffe dominieren. mic
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