Mit seiner Syrienpolitik verärgert China den Westen und die Arabische Liga ohne ersichtlichen Nutzen
Mittlerweile hat die Syrienkrise bereits mehr als 8000 Opfer gefordert, aber der UN Sicherheitsrat hat noch immer keine Syrien-Resolution verabschiedet. Schuld daran sind die Vetos von Russland und China. Doch während Russland ein langjähriger Verbündeter des Assad Regimes ist, hat China keinen nennenswerten Interessen in Syrien.
China geht mit seinem Veto im UN Sicherheitsrat sehr sparsam um. Vor der Syrienkrise hat Peking nur sechs Mal das Veto eingelegt, so selten wie kein anderes, ständiges Mitglied im Sicherheitsrat. Doch nun hat China gleich zweimal zusammen mit Russland eine Syrienresolution verhindert. Dabei hat China keine nennenswerten Interessen in Syrien: Die Öleinfuhren aus Syrien sind marginal und die chinesischen Exporte nach Syrien sind ebenfalls unerheblich. Umgekehrt haben die beiden Syrienvetos politische Kosten: Zum einen verärgert Peking damit die USA und Europa und zum anderen stellt es sich damit gegen die Arabische Liga, aus deren Mitgliedsländern China den Grossteil seiner Ölimporte bezieht. Ausserdem isoliert sich China von anderen Schwellenländern wie Indien, das sogar beim Treffen der „Freunde von Syrien“ in der vergangenen Woche in Tunesien dabei war. Warum exponiert sich China also mit zwei Vetos, wenn es zumindest kurzfristig mehr verliert als gewinnt? Ohne diese Frage endgültig beantworten zu können, lassen sich vier mögliche Gründe unterscheiden:
- Wegen Syrien
Obwohl die Demonstrationen gegen die syrische Regierung schon fast ein Jahr andauern und mittlerweile über 8000 Tote gefordert haben, könnte der Sturz von Baschar al-Assad noch weit schlimmere Konsequenzen haben. Am besten bringt diese Überlegung ein russischer Analyst, Pyotr Romanow, auf den Punkt: „Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, was anschliessend passiert? Behauptet jemand wirklich, dass moralisch gute Kräfte an die Macht kommen werden? Ich bitte Sie.“ - Wegen China
Die kommunistische Diktatur in China steht demokratischen Revolutionen naturgemäss reserviert gegenüber, auch wenn es keine Anzeichen gibt, dass der Arabische Frühling auf China überspringt. Ausserdem betont Peking bei jeder Gelegenheit das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von anderen Staaten. Und so könnte Peking besorgt sein, dass nach der Libyenintervention mit Syrien ein weiterer Präzedenzfall geschaffen werden könnte, wo das massenhafte Abschlachten von Zivilisten, eine Einmischung des Auslands rechtfertigt, selbst wenn es nur um Wirtschaftssanktionen geht. - Wegen Russland
Dass Russland und China zweimal gemeinsam ein Veto eingelegt haben, lässt vermuten, dass sich die beiden Länder abgestimmt haben: „Die russisch-chinesische Achse der Verhinderung ist nun zu einem kritischen Element der Entscheidungsfindung im UN Sicherheitsrat geworden.“ schreibt der Chinaexperte Minxin Pei in der New York Times. „Die beiden Länder scheinen ein strategisches Einverständnis erreicht zu haben: sie werden sich gemeinsam dem Westen widersetzen, sodass keines der beiden Länder isoliert erscheint. Dabei gibt China Russland den Vortritt bei Angelegenheiten, die wichtiger für Russland sind (wie etwa Syrien) und Russland tut das Gleiche bei Fragen, die China am Herz liegen (wie etwa Simbabwe oder Burma).“ - Wegen Iran
Im Mittleren Osten spielt sich ein Machtkampf ab zwischen den pro-westlichen, sunnitischen Golfstaaten unter der Führung von Saudi Arabien auf der einen Seite und der schiitischen Allianz bestehend aus Iran, Syrien und der libanesischen Terrororganisation Hisbollah auf der anderen Seite. Hinzu kommt, dass die Türkei ihren Einfluss in den Nachfolgestaaten des osmanischen Reichs kontinuierlich ausbaut. Kurz, die gesamte Machtbalance im Mittleren Osten steht auf dem Spiel. In dieser Situation verfolgt China zwei Ziele: Zum einen will Peking verhindern, dass der ganze Mittlere Osten ins pro-westliche Lager wechselt. Und zum anderen will China so viele amerikanische Kräfte im Mittleren Osten binden wie möglich, nachdem die USA angekündigt haben, ihre Strategie auf China auszurichten: „Die Anpassung der amerikanischen Strategie erhöht die Bedeutung des Iran für China. Irans Existenz und seine Einstellung sind ein wichtiges Gegengewicht zu den USA.“ schreibt die Global Times eine Zeitung der kommunistischen Partei in China.
Welcher der Gründe den Ausschlag für die beiden chinesischen Vetos im UN Sicherheitsrat gegeben hat, lässt sich nicht sagen. Fest steht aber: Die beiden Vetos tragen zu einer Internationalisierung der Syrienkrise bei. Denn Peking stärkt einerseits Russland den Rücken und schwächt andererseits das Bemühen der arabischen Länder, auf regionaler Ebene eine Lösung für Syrien zu finden. Ob sich China damit „auf die richtige Seite der Geschichte“ gestellt hat, ist allerdings fraglich. mic
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