Beim Klima wird Weltordnung von morgen verhandelt

Europäische Verhandlungsstrategie zwingt Klimadelegierte zum Blick in die Zukunft

Die Klimaverhandlungen werden erfahrungsgemäss erst am Samstag Morgen zu Ende gehen und noch ist Alles möglich in Durban: Durchbruch oder Debakel. Aber die EU hat sich mit ihrer neuen, sehr viel härteren Verhandlungsstrategie eine gute Ausgangsbasis geschaffen. Mittlerweile unterstützen mehr als 120 Länder die EU Position.

Die Liste ist mittlerweile 19 Jahre alt. Der sogenannte Annex I der UN Klimakonvention teilt die Länder der Welt in zwei Gruppen ein: die Industriestaaten und die Entwicklungsländer: Erstere sind zur Reduktion ihrer CO2 Emissionen verpflichtet, während Klimaschutz für letztere freiwillig ist. Doch nachdem Japan, Kanada und Russland ihren Ausstieg aus dem Kyoto Protokoll angekündigt haben, verursachen die verbleibenden Kyoto Länder nur noch 15 Prozent der weltweiten CO2 Emissionen. Und dieser Anteil wird weiter abnehmen. Doch dies wurde bislang ausgeblendet, denn im Mittelpunkt standen die CO2 Emissionen der Vergangenheit, die „Klimaschuld“ der Industriestaaten.

Das hat sich in Durban geändert. Die EU hat die Delegierten der UN Klimaverhandlungen zu einem Blick in die Zukunft gezwungen: Als Gegenleistung für die Verlängerung des Kyoto Protokolls über das Jahr 2012 hinaus verlangt Europa, dass sich alle anderen Länder dazu verpflichten, bis 2015 einen neuen Klimavertrag auszuhandeln. Und bei diesem Blick in die Zukunft ist die 19 jährige Liste nicht länger zielführend. Denn um die Klimaerwärmung zu begrenzen, kann man nur die zukünftigen Emissionen beeinflussen. Aber das bedeutet, dass nun auch die Entwicklungsländer nicht nur Rechte sondern auch Pflichten im globalen Kampf gegen den Klimawandel haben.

Mit dieser Verhandlungsstrategie ist es Europa gelungen die ehemals geschlossene Allianz der Entwicklungsländer, G77 plus China, aufzubrechen. Die Welt ist nun nicht mehr zweigeteilt und die Klimaverhandlungen werden zum Forum, wo die multipolare Weltordnung verhandelt wird. Neu gibt es mindestens sechs Blöcke: die EU, die USA, und die vier sogenannten Basic Länder, Brasilien, Südafrika, Indien und China.

  • Die EU, zusammen mit der Schweiz, Norwegen, Australien und Neuseeland, will das Klimaproblem mit einem völkerrechtlichen Vertrag wie dem Kyoto Protokoll lösen. Dieser Ansatz ist bei früheren Verhandlungsrunden am Widerstand der USA und Chinas gescheitert. Doch in Durban ist es der EU gelungen drei wichtige Verhandlungsgruppen auf ihre Seite zu ziehen: Afrika, die ärmsten Länder der Welt sowie die kleinen Inselstaaten. Damit hat die EU nun 120 Staaten auf ihrer Seite, „die grosse Mehrheit dieser Konferenz“, wie Umweltminister Norbert Röttgen stolz feststellt. Und die neue Allianz zeigt Wirkung: Nachdem Südafrika bereits am Mittwoch angekündigt hatte, Emissionsziele zu akzeptieren, folgen nun auch Brasilien und Kanada.
  • Diese Bewegung ist auch den USA nicht entgangen. Dabei ist die EU Forderung nach einem neuen Klimavertrag das genaue Gegenteil der bisherigen US Position. Die USA setzen auf freiwillige Reduktionsziele und wollen frühestens ab 2015 über neue Ziele reden. Diese Position ist der US Innenpolitik geschuldet. Um einen internationalen Vertrag zu ratifizieren, brauchen die USA eine 60 Prozent Mehrheit im Senat. Damit ist ein Beitritt der USA zu einem neuen Klimavertrag quasi ausgeschlossen und das Beharren auf freiwilligen Massnahmen soll eine internationale Blamage verhindern. Ausserdem bestehen die USA auf absoluter Gleichbehandlung mit China, da sie sonst einen Wettbewerbsnachteil und einen weiteren Anstieg ihres Handelsbilanzdefizits von 500 Milliarden Dollar (2010) befürchten. Doch umgekehrt wollen sie auf keinen Fall Schuld an einem Scheitern von Durban sein. Und so signalisiert der US Unterhändler Todt Stern nun doch Entgegenkommen: „Die EU verlangt einen Fahrplan (zu einem neuen Klimavertrag). Wir unterstützen das.“
  • Und auch China kann sich der neuen Dynamik nicht entziehen. Anfang der Woche hatte der chinesische Unterhändler Xie Zhenhua angedeutet, dass China an einem verbindlichen Abkommen interessiert sei, aber offen gelassen, ob es bereit ist, verbindliche CO2 Ziele zu akzeptieren. Aus Sicht des ehemaligen französischen Umweltministers Brice Lalonde macht die Regierung in Peking derzeit einen Lernprozess durch: „China ist es gewohnt, der Sprecher für die Armen zu sein. Peking hatte noch nicht genug Zeit, den Wechsel zum Co-Manager der Welt zu vollziehen.“ Aber auch für China gilt: Sollte Durban scheitern, wollen sie auf keinen Fall den Schwarzen Peter auf der Hand haben.
  • Somit bleibt Indien, das letzte grosse Entwicklungsland, das Emissionsziele kategorisch ablehnt. Grund dafür sind vor allem die niedrigen Pro-Kopf-Emissionen von 1,5 Tonnen CO2 pro Einwohner des Subkontinents. Doch Indien wird dafür mittlerweile auch von anderen Entwicklungsländern angefeindet: „Es scheint als ob Indien und die USA einen Block des Nichts-Tuns gebildet hätten.“ sagt Mark Lynas, der Klimaberater der Malediven.

Die neue, sehr viel taffere Verhandlungsstrategie der EU hat sich also ausgezahlt. Die Drohung, das Kyoto Protokoll nicht zu verlängern, und der Fokus auf zukünftige Emissionen hat die starre Fronstellung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgeweicht. Es bilden sich neue Allianzen und auch Länder wie die USA, die einen neuen Klimavertrag eigentlich ablehnen, sehen sich gezwungen auf die veränderte Verhandlungkonstellation einzugehen. Ob es gelingt diese Fortschritte im Abschlussdokument von Durban festzuhalten, ist aber noch offen. Die letzten Stunden der Klimakonferenz haben ihre eigene Dynamik und Länder wie Bolivien oder Saudi Arabien warten womöglich noch auf ihren grossen Auftritt. Aber auch wenn Alles glatt geht, bleibt ein Wehmutstropfen: Die erzielten Fortschritte beziehen sich vor allem auf den Prozess der Klimaverhandlungen und weniger auf den Klimaschutz. Denn auch in Durban hat kein Land einer Verschärfung seiner Emissionsziele zugestimmt. mic

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