Investment Guru sieht Welt mit zunehmender Rohstoffknappheit konfrontiert
Während Umweltorganisationen schon lange vor den natürlichen Grenzen des Wachstums warnen, sahen die Finanzmärkte bislang nur Wachstumschancen. Doch nun wechselt ein Schwergewicht die Seite: Jeremy Grantham, der mehr als 100 Milliarden Dollar verwaltet, warnt vor zunehmender Knappheit an Rohstoffen und Nahrungsmitteln.
Das Wort „Paradigmenwechsel“ ist gefährlich, denn Dinge ändern sich nur selten grundsätzlich. So hat die Erfindung des Internets keinen Wechsel zu einer „neuen Wirtschaft“ gebracht, und der Dotcom Boom wurde schliesslich als Blase entlarvt. Doch nun glaubt einer der grossen Investmentgurus wieder einen Paradigmenwechsel entdeckt zu haben: Jeremy Grantham, dem Anleger über 100 Milliarden Dollar zur Verwaltung anvertraut haben, hat in seinen Daten einen Trendwechsel beim Preis für Rohstoffe gefunden. Von 1900 bis 2002 ist der Preis für die 33 in seinem Index enthaltenen Rohstoffe jedes Jahr um 1,2 Prozent gefallen. Doch dann hat sich der Preistrend umgekehrt und heute kosten Rohstoffe inflationsbereinigt wieder soviel wie vor 111 Jahren und das ohne Krieg oder Ölkrise (siehe Grafik).
Der Grund dafür ist laut Graham simpel: Uns gehen die Rohstoffe aus und zwar nicht nur Rohstoffe die abgebaut werden wie Eisen oder Öl, sondern auch Rohstoffe, die angebaut werden, also Nahrungsmittel. Der massive Preisanstieg von fast allen Rohmaterialien ist folglich kein vorübergehendes Phänomen, sondern ein neuer Trend. Statt sich über stetig fallende Rohstoffpreise zu freuen, muss sich die Welt nun auf durchschnittlich steigende Rohstoffpreise gefasst machen. Aber Grantham geht in seinem letzten Brief an seine Investoren noch weiter: „Wenn wir unseren verzweifelten Fokus auf das Wirtschaftswachstum beibehalten, werden wir bald Alles aufgebraucht haben und es kommt zum Crash. Wir müssen mengenmässiges Wachstum durch qualitatives Wachstum ersetzen. Denn es steht fest, dass kontinuierliches Wachstum (mit Zinses-Zins-Effekt) niemals nachhaltig ist.“
Am gefährlichsten ist dieser Trend bei den Nahrungsmitteln. Noch in den 60er Jahren konnten die Erträge pro Hektar Jahr für Jahr um 3,5 Prozent gesteigert werden. Doch trotz eines massiven Steigerung des Düngemittelverbrauchs steigen die Erträge nun nur noch um 1,2 Prozent pro Jahr. Damit liegen sie gefährlich nahe am weltweiten Bevölkerungswachstum von rund einem Prozent pro Jahr. Hinzu kommt, dass die Produktionskosten der Bauern steigen, insbesondere für Öl und Dünger, in wichtigen Anbaugebieten der Grundwasserspiegel sinkt und das Wetter wegen des Klimawandels immer öfter zu Extremen neigt. Und schliesslich wird auch noch Landwirtschaftsland knapper. Denn während nur noch in Brasilien und der Ukraine die Ackerfläche ausgedehnt werden kann, frisst sich die fortschreitende Urbanisierung in allen Ländern der Welt durch die Landschaft.
Eines aber bleibt gleich: Auch eine Welt die zunehmend an die Grenzen des physischen Wachstums stösst und folglich mit durchschnittlich steigenden Rohstoff- und Nahrungsmittelpreisen leben muss, kennt Gewinner und Verlierer: Zu den (relativen) Gewinnern zählt Grantham die USA, da sie über viel Landwirtschaftsland und vor allem Wasser verfügen. Und zu den Verlierern gehören wie immer die, die am wenigsten Schuld an der zunehmenden Rohstoffknappeit tragen: die Ärmsten der Armen. Und für Rohstoffspekulanten wie ihn selbst hat Grantham eine Warnung parat: Kurzfristig können die Preise auch wieder fallen, insbesondere wenn es China zu einem Crash kommen sollte. Trotzdem ist für ihn klar: „Wir alle müssen uns auf die neuen Umweltbedingungen (die Rohstoffknappheit) einstellen und es wäre hilfreich, wenn wir dies schnell täten.“ mic
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