Plötzlich glänzt China ein bischen weniger

Die nordafrikanischen Revolutionen legen Chinas fundamentale Schwäche bloss

Chinas Machthaber sind nervös. Sie fürchten den Ruf nach Freiheit und Demokratie und versuchen ihn im Keim zu ersticken. Ihnen ist klar, dass der Mangel an Demokratie Chinas grösste Schwäche ist.

Der Westen war kleinlaut geworden. Während die USA und Europa von der Finanz- und Wirtschaftskrise gebeutelt wurden, wuchs China unaufhörlich weiter. Die „Diktatur von Ingenieuren“ (ein Schweizer Diplomat) in Peking liess die westlichen Demokratien alt aussehen. Demokratie und Marktwirtschaft waren nicht mehr das einzige erfolgreiche Entwicklungsmodell. China demonstrierte, dass Wirtschaftswachstum auch ohne politische Freiheiten zu haben war. Doch dann kamen die Revolutionen in Tunesien, Ägypten und nun Libyen. Mit Verwunderung stellten die westlichen Regierungen fest, dass es keine „arabische Ausnahme“ gibt, sondern, dass das Diktum des US Bürgerrechtlers Martin Luther King auch für Araber gilt: „Da ist etwas in der Seele, das nach Freiheit schreit.“

Aber wenn es keine „arabische Ausnahme“ gibt, dann gibt es auch keine „chinesische Ausnahme“ schreibt Chris Patten, der letzte britische Gouverneur von Hong Kong und spätere EU Kommissar, in einem Beitrag für Project Syndicate. Bestätigt werden seine Worte von der chinesischen Regierung. Trotz zehn Prozent Wachstum im vergangenen Jahr, sind die Machthaber in Peking ausgesprochen nervös. Systematisch werden im Internet Beiträge geblockt, die Begriffe wie „Jasmin“, „Tunesien“, „Ägypten“, „Libyen“ oder „Demokratie“ enthalten. Am letzten Freitag hat die Polizei in mehreren Städten die „Jasmin Spaziergänge“ verunmöglicht, zu denen chinesische Oppositionelle aufgerufen hatten. Dabei wurden auch mehrere ausländische Journalisten unsanft daran erinnert, dass in China nicht Recht und Gesetz sondern einzig die kommunistische Partei das Sagen hat. Und nun wurde auch das Pressegesetz verschärft: Wer aus der Innenstadt Pekings oder Schanghais berichten will, benötigt einen Sondergenehmigung.

Aber Chinas Regierung sollte nicht nur Angst vor den eigenen Bürgern haben, sondern sich auch ernsthafte Sorgen um seinen Platz in der Welt machen. Denn wenn alle Menschen etwas in der Seele haben, „das nach Freiheit schreit“, dann ist das chinesische Modell plötzlich nicht mehr so attraktiv. Dabei ist die Zahl der engen Freunde Chinas schon heute überschaubar: Nordkorea, Burma, Pakistan, der Sudan und seit Kurzem auch Simbabwe und Sri Lanka. Und mit jedem Tag den Muammar al-Gaddafi länger an der Macht bleibt und der Welt demonstriert wie menschenverachtend, ja böse, Diktaturen letztlich sind, desto unappetitlicher werden Chinas Regime und dessen Freunde in den Augen der Weltöffentlichkeit. Der Pariah Status von Nordkorea oder Burma färbt zunehmend auf die Schutzmacht China ab.

Für China kommt diese Entwicklung zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Denn im letzten Jahr hat ein plötzlicher Wechsel in der chinesischen Aussenpolitik bereits die Nachbarstaaten verängstigt. Statt weiter sein Licht unter den Scheffel zu stellen wie Deng Xiaoping empfohlen hat, ist China plötzlich aufgetrumpft und hat Gebietsansprüche auf das ganze südchinesische Meer sowie eine indische Provinz erneuert. Die Reaktion liess nicht auf sich warten: Chinas Nachbarn vertieften die Militärkooperation untereinander und mit den USA. Aber die Demokratisierungswelle im Nahen Osten kommt für Chinas Machthaber noch aus einem anderen Grund ungelegen: Nächstes Jahr steht in China ein Machtwechsel an. Hu Jintao, der jetzige Präsident, soll durch Xi Jinping ersetzt werden. Damit entsteht ein Moment der Instabilität. Denn dem Neuen mangelt es nicht nur an Legitimität wie allen Diktatoren, sondern zumindest anfangs fehlt ihm auch die Aura der Macht.

Die Revolutionen in Nordafrika legen somit Chinas fundamentale Schwäche bloss: die Abwesenheit von Demokratie. Intern wird dadurch jeder Machtwechsel zur Zitterpartie, wo das System als Ganzes in Frage gestellt wird. Und extern mangelt es selbst einem wirtschaftlich so erfolgreichen Land wie China an Freunden, für die es sich nicht zu schämen braucht. Dem Westen hilft dies zwar nicht kurzfristig bei der Bewältigung der Krise. Trotzdem brauchen die USA und Europa nicht kleinlaut zu sein. Denn mit ihrem freiheitlichen System stehen sie langfristig auf der richtigen Seite der Geschichte. Und das Wissen auch Chinas Machthaber. mic

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