Zum Erstaunen von Klimadiplomaten vermochte bislang kein Thema die Klimaverhandlungen aufzuhalten
Die zweite Woche hat mit viel Optimismus begonnen und viele Länder haben signalisiert, dass sie zu Kompromissen bereit sind. Zur Mitte der Woche sind nun die meisten Minister da und es gibt auch einen neuen (inoffiziellen) Verhandlungstext. “Der Text ist wie eine Speisekarte” sagt Tara Rao, von der Umweltorganisation WWF. “Die Minister müssen jetzt auswählen und ein Menu zusammenstellen. Dabei haben sie die Wahl: Sie können ein reichhaltiges Menu wählen oder sich für ein kärgliches entscheiden.” Das heisst, sie können Entscheidungen treffen, die wirklich für das Klima relevant sind oder sie können sich mit in paar Absichtserklärungen begnügen.
Noch läuft also alles nach Plan. “Mich wundert, dass es noch nicht zu einem Crash gekommen ist” sagt ein hochrangiger Vertreter der deutschen Delegation. Denn normalerweise hält der Schwung vom Wochenbeginn nicht lange an und die Verhandlungen fressen sich an einem Thema fest. Nicht so in Cancun: Die Verhandlungen laufen und laufen und der Crash bleibt aus. Die schwerste Belastung ist derzeit die Weigerung Japans bei einer Verlängerung des Kyoto Protokolls mitzumachen, sagt Martin Kaiser von der Umweltorganisation Greenpeace. Aber auch hier ist ein Kompromiss nicht ausgeschlossen. “Es gab Fortschritte” sagt Izabella Teixeira, die Chefin der brasilianischen Delegation, die zusammen mit ihrem britischen Kollegen in der Kyotofrage zu vermitteln versucht. “Die gestrigen Diskussionen mit Japan, Russland und anderen liefen besser.”
Dennoch bleibt die rechtliche Verbindlichkeit das zentrale Thema bei den Verhandlungen. Während die Entwicklungsländer auf einer Fortführung des Kyoto Protokolls bestehen, dem einzigen rechtlich verbindlichen Klimaabkommen der Welt, bestehen die Industriestaaten auf mehr Verbindlichkeit für die Emissionsziele der Entwicklungsländer. “Wenn Sie Kinder haben, dann sagen Sie auch: ‘Das muss so sein’ und lassen sie nicht Alles auf freiwilliger Basis tun.” sagt Doris Leuthard, die Umweltministerin und Bundespräsidentin der Schweiz.
Leuthards Kollegin, die spanische Umweltministerin Rosa Aguilar setzt derweil auf ehrgeizigere Reduktionsziele. Sie hat in ihrer Rede vor dem Plenum erklärt, Spanien wolle, dass die EU ihr Reduktionsziel von 20 Prozent auf 30 Prozent im Vergleich zu 1990 erhöht. Damit schliesst sie sich einer Initiative der Umweltminister aus Deutschland, Frankreich und Grossbritannien an, die vor einigen Monaten in einem Zeitungsartikel diesen Schritt gefordert hatten. Dabei dürfen die Minister auf die Unterstützung des Europaparlaments zählen. Jo Leinen der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament hat heute einmal mehr klargestellt, dass das Parlament diesen Schritt befürwortet. Das letzte Wort haben hier aber die Mitgliedsstaaten. Und hier blockieren insbesondere Polen und Italien eine ehrgeizigere EU Politik.
Bei den Verhandlungen sind die Erwartungen an die EU derweil unverändert hoch. “Ohne die EU läge das Kyoto Protokoll im Sterben.” lobt sich die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Das reicht Aida Vila Rovira von Greenpeace aber noch nicht: “Was die EU sagt, klingt Alles gut. Jetzt muss sie in den Verhandlungen aber auch dafür kämpfen.” Denn noch haben die Minister nicht entschieden, ob Cancun ein Festmahl wird, oder ob sie sich mit einem trockenen Kanten Brot zufrieden geben. mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email