Bei den Klimaverhandlungen in Cancun bringt mexikanischer Vorschlag den Durchbruch
Warten, warten auf den Text der Mexikaner. Nach zwei hektischen Verhandlungswochen und zwei durchverhandelten Nächten haben plötzlich alle Zeit. Der letzte Tag der Klimaverhandlungen in Cancun beginnt mit einer seltsamen Leere. In der Nacht zuvor war es den Ministern nicht gelungen einen bereinigten Textvorschlag zu erarbeiten. Und so arbeitet jetzt die mexikanische Konferenzpräsidentschaft an einem Vorschlag. Die Minister und Klimadiplomaten sind nun nicht mehr gefragt. Todd Stern der Chef der US Delegation schlendert durch den Moon Palace und der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen genehmigt sich ein zweites Frühstück. Und dann kommt der erste der beiden Texte, der zum Kyotoprotokoll. „Wenn dieser Text so verabschiedet wird, ist das der Durchbruch“ sagt Wendel Trio von Greenpeace. Zum ersten Mal steht in einem offiziellen Dokument, dass die Industriestaaten bis 2020 ihre Emissionen um 25 bis 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken müssen, wenn die Welt die Klimaerwärmung auf zwei Grad begrenzen will.
Und dann wieder warten. Mittags um drei kommt dann endlich der zweite Text. Dieser beschreibt, was die Länder machen müssen, die nicht beim Kyotoprotokoll dabei sind, also die USA und die Entwicklungsländer. Und wieder ist die Begeisterung gross: Das Zwei-Grad-Ziel ist darin festgeschrieben. Es soll ein Green Fund geschaffen werden, um den Entwicklungsländer beim Schutz des Klimas und beim Schutz vor dem Klimawandel zu helfen. Der Raubbau an den Regenwäldern soll gestoppt werden. Und der Einsatz klimafreundlicher Technologien in Entwicklungsländern wird gefördert. Noch wichtiger ist aber etwas anderes: Zum ersten Mal werden die Reduktionsziele der Entwicklungsländer in einem offiziellen Dokument der UN Klimakonvention festgehalten. Die Unterscheidung zwischen Industriestaaten, die zu Emissionsreduktionen verpflichtet sind, und Entwicklungsländer, für die der Klimaschutz freiwillig ist, wird aufgeweicht. Nun wird von beiden Gruppen erwartet, dass sie Massnahmen zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen umsetzen. Ausserdem wird kontrolliert, ob die Länder auch machen, was sie sagen- und das sowohl bei Industrie- als auch bei Entwicklungsländern.
Der mexikanische Vorschlag setzt um, was man der Konferenz in Cancun erwartet hatte: Er formalisiert die Zusagen aus der ‚Übereinkunft von Kopenhagen’ aus dem vergangenen Jahr. Damals war die Konferenz de iure gescheitert, denn Länder wie Bolivien hatten damals das Verhandlungsergebnis abgelehnt. Und so wurde es nicht offiziell verabschiedet, sondern von den Mitgliedsländern der UN Klimakonvention nur „zur Kenntnis genommen“. Kurz, der sogennante ‚Copenhagen Accord’ hat keinen rechtlichen Status und Aufgabe von Cancun war es dessen Inhalt rechtlich zu verankern. Aber das mexikanische Papier geht über den ‚Copenhagen Accord’ hinaus. Denn zum ersten Mal gestehen sich die Länder ein, dass ihre Zusagen nicht ausreichen um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Selbst wenn alle Länder ihre anspruchsvollsten Reduktionsziele umsetzen, sind die Emissionen im Jahr 2020 immer noch um zehn Prozent oder fünf Milliarden Tonnen CO2 zu hoch. Das ist ein Problem, denn deshalb droht sich das Klima um mehr als drei Grad zu erwärmen.
Aber ein Textvorschlag ist noch keine Entscheidung. Und so beginnt gegen sechs Uhr abends dann die Alles entscheidende Sitzung. Patricia Espinosa, die mexikanische Aussenministerin und Präsidentin der Klimakonferenz wird mit stehenden Ovationen gefeiert. Die Delegierten haben den Eindruck, dass die jahrelangen Verhandlungen endlich zu einem positiven Abschluss gebracht werden können. Aber dann kommt die erste Wortmeldung: Bolivien. Die Bolivianer sagen klar, was sie von dem mexikanischen Textvorschlag halten, nämlich nichts. Die Reduktionsziele sind zu schwach, der Green Fund hat kein Geld, und überhaupt sollten die Entwicklungsländer nicht auf Reduktionsziele verpflichtet werden, weil die Industriestaaten am Klimawandel Schuld sind. Es stellt sich schnell heraus, dass Bolivien mit dieser Position alleine dasteht. Selbst Venezuela, Kuba und Nicaragua aus der gemeinsamen Verhandlungsgruppe ‚Bolivarische Allianz der Völker von unserem Amerika’, kurz Alba, verweigern den Bolivianern die Gefolgschaft. Aber trotzdem hat die Welt nun ein Problem. Denn eigentlich müssen Entscheidungen der UN Klimakonvention im Konsens getroffen werden. Doch „Konsens“ ist ein dehnbarer Begriff: „Konsens bedeutet nicht, dass ein einziges Land ein Vetorecht hat.“ erklärt Konferenzpräsidentin Espinosa. Bolivien wird angehört und die Ablehnung findet Eingang ins Protokoll. Aber schliesslich sagt Espinosa: „Die Beschlüsse sind hiermit angenommen“ und schlägt mit einem Holzhämmerchen auf den Tisch.
„Espinosa ist mit dem mexikanischen Vorschlag ein extremes Risiko eingegangen“ sagt im Anschluss Staatssekretär Bruno Oberle, der Chef des Bundesamtes für Umwelt Bafu und ranghöchste Schweizer in Cancun. „Sie hat Alles auf eine Karte gesetzt, aber am Schluss ist es gut gegangen.“ Draussen wird es langsam hell. Um sechs Uhr morgens ist die Klimakonferenz von Cancun schliesslich zu Ende. mic
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