Kopenhagener Klimakonferenz vermag Klimaerwärmung nicht auf zwei Grad zu bergrenzen
Kopenhagen war eine Konferenz der Superlative: zwei Jahre Vorbereitung, 45 000 Teilnehmer inner- und ausserhalb des Bella Centers, 120 Staats- und Regierungschefs, der Fokus des weltweiten Interesses. Das Ziel der Konferenz war ebenso grandios wie der Anlass. Die Menschheit sollte zusammenstehen, um sich selbst und den Planeten vor einer unkontrollierten Erwärmung des Klimas zu bewahren. Die seit Beginn der industriellen Revolution ständig steigenden Treibhausgasemissionen sollten auf ein nachhaltiges Niveau zurückgeführt werden.
Doch die Konferenz ist gescheitert. Obwohl das Zwei-Grad-Ziel sogar zweimal im Text der Abschlusserklärung erwähnt wird, ist in keiner Weise sichergestellt, dass dieses Ziel auch erreicht wird. Die wesentlichen fehlenden Punkte sind:
- Reduktionsziel für die Industriestaaten
Der Bericht des Intergovernmental Panels on Climate Change IPCC ist klar. Die Industrieländer müssen ihre Emissionen bis ins Jahr 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Die bislang vorliegenden Angeboten resultieren aber nur in einer Reduktion von unter 20 Prozent. Dies gilt umso mehr, als die EU ihr Angebot nicht auf 30 Prozent erhöhen wird, wie EU Kommissionspräsident Barroso in einer nächtlichen Pressekonferenz klargestellt hat. - Reduktionsziel für Entwicklungsländer
Der IPCC Bericht verlangt, dass die Entwicklungsländer ihre Emissionen um 15 bis 30 Prozent im Vergleich zum „Business as Usual“ Szenario reduzieren. Wie schon die Vorgabe für die Industrieländer ist aber auch dieses Ziel nicht Teil der Abschlusserklärung. Und auch das Jahr, in dem die Entwicklungsländer den Höhepunkt ihrer Emissionen erreichen sollen, fehlt. - Langfristziel
In früheren Entwürfen der Abschlusserklärung stand, dass die Welt die Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 halbieren muss, wie der IPCC fordert. Bei der Endredaktion des Textes ist dieses Ziel aber herausgefallen. - Schlupflöcher
Das Abkommen beinhaltet keinerlei Aussagen zu den Schlupflöchern, wie die Bodennutzung. Werden diese voll ausgenutzt, besteht die Möglichkeit, dass die Emissionen steigen statt fallen. - Rechtliche Verbindlichkeit
In früheren Entwürfen war vorgesehen, dass nächstes Jahr ein rechtlich verbindliches Abkommen verabschiedet wird. Diese Vorgabe wurde gestrichen und der Gastgeber der nächsten Konferenz (Mexiko) einzig darauf verpflichtet „sich für einen Erfolg einzusetzen“.
Da das Ziel der Konferenz verfehlt wurde, ist es nicht verwunderlich, dass die Abschlusserklärung nicht verabschiedet werden konnte. Um einen Eklat zu verhindern, hat man sich schliesslich darauf geeinigt, dass das Plenum der UN Rahmenkonvention über den Klimawandel UNFCCC, die Abschlusserklärung „zur Kenntnis nimmt“. Die Erklärung ist damit weder rechtlich noch politisch bindend. Wer will, hält sich daran; wer nicht will, lässt es bleiben.
Dass die EU, die weltweite Vorreiterin im Klimaschutz diesem Ergebnis dennoch zugestimmt hat, hat einen einfachen Grund: Für die Klimaexperten war Kopenhagen nur ein Zwischenschtritt in einem langen Prozess. Dieser Schritt ist nun kleiner ausgefallen als erhofft, aber der Prozess geht weiter. Mit der Abschlusserklärung wird erstmals ein Register für die Klimaschutzmassnahmen der verschiedenen Länder eingerichtet sowie eine bescheidenes Kontrollsystem. Ausserdem gibt es Geld für die Entwicklungsländer: Je 10 Milliarden Dollar für die Jahre 2010 bis 2012 und 100 Milliarden ab dem Jahr 2020. Da die Abschlusserklärung mit sofortiger Wirkung „zur Kenntnis genommen wurde“, kann somit ab heute mit dem Aufbau der entsprechenden Strukturen begonnen werden. Und dann kann man am Ausbau des Systems arbeiten. Schon in sechs Monaten findet in Bonn die nächste, wenn auch inoffizielle, Klimakonferenz statt.
Der Kampf gegen den Klimawandel soll also Schritt für Schritt gewonnen werden. Die Klimadiplomaten hoffen, dass nächstes Jahr die Rahmenbedingungen für Fortschritte, günstiger sind als in Kopenhagen. Denn die Konferenz ist im Wesentlichen aus drei Gründen gescheitert:
- Versagen der dänischen Regierung
Dem Gastgeberland von internationalen Konferenzen kommt eine besondere Bedeutung zu. So war der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen der Präsident der Konferenz. Doch die Dänen haben die Dynamik der Konferenz völlig falsch eingeschätzt. Sie hatten den Eindruck nur einen Deal zwischen den USA und Europa vermitteln zu müssen, und der Rest der Welt werde dann schon folgen. Dieses antiquierte Weltbild hat sich gerächt und Rasmussen musste in den letzten Stunden der Konferenz als deren Präsident zurücktreten. - Fehlende Handlungsfähigkeit der USA
Da die Amerikaner ohne ein eigenes Klimagesetz nach Kopenhagen gekommen sind, konnten sie bei den Reduktionssenkungen keine Zugeständnisse machen. Barak Obama und Hillary Clinton konnten einzig versprechen, die Entwicklungsländern beim klimafreundlichen Um- und Aufbau ihrer Volkswirtschaften finanziell zu unterstützen. - Angst der Chinesen vor Kontrollen
China möchte keine internationalen Kontrollen seiner CO2 Emissionen und Klimaschutzmassnahmen und war auch bereit die Konferenz an diesem Punkt scheitern zu lassen. Ein derart machtvolles Auftreten Pekings ist neu. Es zeigt aber auch, dass es in Kopenhagen nicht so sehr ums Klima als um Wirtschaft ging. Die Hoffnung ist nun, dass mit Erfolgen beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz, China seine Angst vor einer internationalen Kontrolle seiner Emissionen nach und nach verliert.
Und schliesslich dürfte die Konferenz in vielen Ländern ausserhalb Europas den Klimaschutz überhaupt erst auf die politische Agenda gehoben haben. Alle wichtigen Länder von Australien über Russland bis Brasilien haben Klimaschutzmassnahmen angekündigt. Dadurch wird eine Dynamik ausgelöst, die letztlich kaum zu stoppen ist. Wie die Konferenz in Kopenhagen gezeigt hat, ist Klimaschutz eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Industrie der Zukunft. Somit ist auch klar, wie sich Europa positionieren muss, wenn es von diesem Zukunftsmarkt ein grosses Stück abhaben möchte: Die EU muss sich ehrgeizige Ziele zur Senkung ihrer Emissionen setzen, um der Wirtschaft einen Anreiz zu geben in die Verbesserung der Energieeffizienz und die Entwicklung neuer Produkte zu investieren. Denn der wissenschaftliche Konsens ist klar: Langfristig müssen die CO2 Emissionen auf Null reduziert werden. mic
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