Antiklimax beim Klimagipfel

Die Staats- und Regierungschefs kämpfen sich durch den Text der Abschlusserklärung

Seit zwei Wochen fiebern die 45 000 Klimadiplomaten, Vertreter von NGOs und Journalisten diesem Tag entgegen. Der Tag an dem das „Abkommen von Kopenhagen“ verabschiedet werden soll. Und dann – warten.

In der Nacht auf Freitag hat eine Gruppe von 25 Staats- und Regierungschefs, kurz HoGS (von englisch Heads of Governments and States) einen Entwurf für das Abkommen ausgearbeitet. Der Entwurf ist drei Seiten kurz und reicht niemals aus, um die Klimaerwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Doch zum Glück ist dies nicht das letzte Wort –  im Gegenteil. Am späten Morgen beginnt eine Plenumsdebatte, in der die wichtigsten HoGS nochmals ihren Standpunkt erläutern. Am meisten Aufmerksamkeit erhält die Rede von Obama, der erst am Morgen in Kopenhagen eingetroffen war. Doch er enttäuscht. Er stellt nochmals die US-Position dar und fordert die Welt auf, sich dieser anzuschliessen. Kein neues Angebot, nichts.

Anschliessend zieht sich die Gruppe der 25 wieder zu ihren Beratungen zurück. Hin und wieder findet ein neuer Entwurf seinen Weg ins Pressezentrum. Es ist allerdings nie klar, ob es sich dabei um den letzten Stand der Diskussion oder nur um den Vorschlag eines Landes handelt. Eine Bewertung ist also müssig. Einzigartig ist hingegen die Art und Weise wie diese Papiere zustandekommen: Die HoGS arbeiten selber an den Texten. Zeile für Zeile, Absatz für Absatz quälen sich Merkel und Co. durch die Entwürfe. Lula da Silva, der brasilianische Präsident, meinte denn auch, so etwas habe er noch nie gesehen. Das Gefeilsche erinnere ihn an seine Zeit als Gewerkschaftsführer, wo in Tarifverhandlungen um jedes Wort gerungen wurde. Normalerweise machen Diplomaten und im schlimmsten Fall Minister diese Arbeit. Dass bei der Klimakonferenz die Detailarbeit an den Staatschefs hängen bleibt ist denn auch ein schlechtes Zeichen. Die Vorbereitung der letzten Konferenzphase war schlecht und es wurde viel zuviel Zeit mit prozeduralen Fragen vertrödelt.

Doch jetzt ist die Zeit abgelaufen und die beiden grössten Treibhausgasemittenten der Welt müssen eine Deal machen. Obama und Wen Jiabao, der chinesische Premierminister, sollten sich im Moment in ihrem zweiten Vieraugengespräch befinden. Wen will, dass die Amerikaner ihre Emissionen stärker senken, was Obama aus Angst vor dem US-Senat aber auf keinen Fall versprechen möchte. Und Obama möchte, dass die Chinesen internationale Kontrolle ihrer Emissionen zulassen. Doch dies lehnt Peking ab. Den Chinesen ist das Prinzip der Nicht-Einmischung in ihre internen Angelegenheiten wichtiger als ein Klimaabkommen. Ob sich ein Kompromiss finden lässt, ist völlig unklar. „Wir schwanken zwischen Hopenhagen und Flopenhagen“ sagt Bundesrat Leuenberger.

Und so bleibt warten – die Antiklimax der Klimakonferenz. Delegierte, die noch gestern von Sitzung zu Sitzung hasteten, schlendern nun gelangweilt durch die Gänge des Klimaplaneten, dem Bella Center. Es ist Zeit für Erinnerungsfotos, Zeit für Gespräche, die nichts mit dem Klima zu tun haben. Was macht die Familie? Wie stehen die Weihnachtseinkäufe? Man erinnert sich, dass es eine Welt ausserhalb des Bella Centers gibt. Schade ist nur, dass diese Welt noch immer der Klimakatastrophe zum Opfer zu fallen droht. mic

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS oder Email