Der europäische CO2-Handel ist ein Exportschlager

Gestritten wird derzeit über die zukünftige Versteigerung der Emissionsrechte

Von einem derartigen Kurssturz erholen sich nicht viele: Im April 2006 war eine Tonne CO2 an der European Climate Exchange rund 30 Euro Wert; im Dezember 2007 noch 3 Cents. Die EU Staaten hatten zuviele Emissionsrechte an ihre Industrien ausgegeben. Als die Händler dies merkten, brach der Kurs ein. Gut war es nur die Generalprobe und die überzäligen Verschmutzungsrechte verfielen per Ende 2007.
Seit Anfang dieses Jahres gilt es nun ernst: Der europäische Emissionshandel hat seine erste fünfjährige Handelsperiode begonnen (Anfang 2008 bis Ende 2012). Beteiligt sind 12 000 Stromerzeuger, Zementhersteller und Papierfabriken. Diese Branchen sind für 40 Prozent des europäischen CO2 Ausstosses verantwortlich. Ab Januar 2012 müssen ausserdem alle Fluggesellschaften, die Europa anfliegen, an dem Handelssystem teilnehmen.

Die Zuteilung der Emissionsrechte erfolgt dabei in zwei Schritten: Erst werden Emissionsobergrenzen für die verschiedenen Länder festgelegt und Emissionszertifikate an die Länder verteilt. Anschliessend verteilen die Länder diese Zertifikate im Wert von je einer Tonne CO2 an die beteiligten Firmen. Wer mit seiner Zuteilung an Verschmutzungsrechten nicht auskommt, also zuviel CO2 produziert, muss entweder seine Emissionen senken oder weitere Zertifikate zukaufen. Wer weniger CO2 ausstösst, kann seine überzähligen Zertifikate verkaufen. Die Emissionen werden also erst gedeckelt und dann gehandelt (Cap and Trade). Um die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Klimaprotokoll zu erfüllen, also die Emissionen zu senken, werden kontinuierlich weniger Zertifikate ausgegeben. Diese werden dadurch immer wertvoller.

Derzeit ist das Recht eine Tonne CO2 emitieren zu dürfen 18,45 Euro Wert (siehe Grafik). Das heisst, dass sich Energiesparmassnahmen die weniger als 18,45 Euro pro Tonne CO2 kosten, für die Unternehmen rechnen. Sie können das eingesparte Zertifikat an einer der Klimabörsen verkaufen. So stellt das Handelssystem sicher, dass in allen beteiligten Firmen dort in Energieeffizienz investiert, wo es am billigsten ist. Dadurch werden die Kosten für die Anpassungsmassnahmen massiv reduziert: In den USA wurde bereits in den 90er Jahren ein Handelssystem für Schwefelverbindungen eingeführt, um den Sauren Regen zu bekämpfen. Ökonomen schätzen, dass dadurch die Kosten für die nötigen Anpassungen in der Industrie um 80 Prozent reduziert werden konnten.

Im Fall des europäischen CO2 Handels können ausserdem die erforderlichen Emissionsreduktionen in Drittländern vorgenommen werden. Wer in China Windräder baut oder in der Ukraine eine Stahlfabrik saniert, bekommt für das dadurch eingesparte CO2 ebenfalls Zertifikate. Diese „Kyoto-Zertifikate“ können nun in EU-Zertifikate umgewandelt werden. Zur Freude der Marktteilnehmer sind seit Mitte Oktober die EU und Kyoto Computersysteme integriert, sodass die Transaktionskosten sinken.

Noch ist das erste Jahr der aktuellen Handelsphase nicht um, doch die EU Länder diskutieren bereits die Regeln für die nächste Phase (2013 bis 2017). Der grosse Streitpunkt ist die weitgehend kostenlose Zuteilung der Zertifikate: 90 Prozent der Emissionsrechte werden gratis an die beteiligten Firmen abgegeben und maximal 10 Prozent dürfen versteigert werden. So sollen Nachteile für die Industrie, die sich im Wettbewerb mit Firmen aus Ländern ohne Emissionshandel befindet, vermieden werden. Für die Stromerzeuger hingegen ist das ein Bombengeschäft: Während sie den Zertifikatspreis auf den Strompreis umlegen, bekommen sie die meisten Zertifikate geschenkt.

Vorgesehen ist nun, den Anteil der versteigerten Zertifikate auf mindestens 60 Prozent zu erhöhen. Umstritten ist aber die Auteilung auf Industrie und Kraftwerksbetreiber. Deutschland schlägt vor, der Industrie weiterhin alle Zertifikate zu schenken und dafür die Stromfirmen für die Zertifikate zahlen zu lassen. Dagegen wehrt sich aber insbesondere Polen, das 90 Prozent seines Stroms aus CO2 trächtigen Kohlekraftwerken bezieht.

Noch ist das europäische Emissionshandelssystem also nicht perfekt. Trotzdem ist es mittlerweile das weltweit grösste und ein Exportschlager: Australien, Neuseeland, einzelne amerikanische und kanadische Bundesstaaten sowie Japan haben in den letzten Monaten eigene Handelssyteme vorgestellt. mic

> Der aktuelle CO2 Kurs findet sich auf der Seite der European Climate Exchange: www.europeanclimateexchange.com

Die Schweiz ist nicht dabei

Im Gegensatz zu den EWR Staaten, Norwegen, Island und Liechtenstein, nimmt die Schweiz nicht am europäischen Emissionshandel teil. Seit dem 1. Januar 2008 gibt es in der Schweiz ein nationales Handelssystem. Die Verknüpfung der beiden Systeme könnte aber durch ein entsprechendes Abkommen geregelt werden. Damit würden die Schweizer und die EU-Emissionsrechte für Treibhausgase gegenseitig anerkannt. So können Wettbewerbsnachteile für Schweizer Unternehmen verhindert werden, die dadurch Zugang zu einem sehr viel grösseren Markt bekämen. Die EU strebt eine Verknüpfung ihres Systems mit anderen Systemen an, um auf dieser Basis einen globalen Markt zu schaffen. mic

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