Plötzlich besteht wieder Hoffnung auf einen Erfolg in der Doha-Runde
Der Durchbruch in der Doha-Runde der WTO könnte sich schon nächste Woche abzeichnen. Wirkung zeigen würde er jedoch frühestens in sieben Jahren.
Die Bilder von den kollabierenden Zwillingstürmen in New York waren noch frisch in den Köpfen, als sich die Führer der Welt im November 2001 im Wüstenstaat Katar versammelten. In der Hauptstadt Doha wollten sie ein Zeichen der Hoffnung setzen – die Hoffnung, dass friedlicher Handel und nicht Terror das 21. Jahrhundert bestimmen würde. Seither wird verhandelt, schon sieben lange Jahre. Mehrfach wurde die aktuelle Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO bereits sistiert, weil die Gegensätze unüberbrückbar schienen. Aber immer wieder hat die Aussicht auf einen Wachstumsschub, ausgelöst durch eine weitere Liberalisierung des Welthandels, die Länder zurück an den Verhandlungstisch gebracht. Und doch bestand die längste Zeit kaum Hoffnung auf eine Einigung.
Anfang dieses Jahres kam dann aber plötzlich Bewegung in die festgefahrenen Positionen. Wirtschaftsministerin Doris Leuthard hatte am Rande des World Economic Forums (WEF) in Davos zu einem informellen Teffen über den Stand der WTO-Verhandlungen geladen. «Wir machen das jedes Jahr. Aber diesmal konnte man wirklich spüren, dass die Minister Fortschritte wollten», erzählt Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, die Leiterin Welthandel im Staatssekretariat für Wirtschaft Seco.
Und plötzlich waren Fortschritte in den beiden wichtigsten Dossiers – Industrieprodukte und Agrargüter – möglich. «Warum nun Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist, ist schwer zu sagen. Wir verhandeln jetzt seit bald sieben Jahren und müssen nun Fortschritte machen, die zu einem baldigen Abschluss führen», sagt Ineichen. Eine Möglichkeit, die Verhandlungen weitestgehend abzuschliessen, bietet sich in der kommenden Woche. Dann treffen sich die Handelsminister der 152 WTO-Mitgliedsländer in Genf.
Und was passiert, wenn sich die Minister diesmal tatsächlich einigen? «Dann müssen alle anderen Bereiche von den Dienstleistungen über die Herkunftsangaben bis zu den technischen Handelserleichterungen und Umweltfragen verhandelt werden», sagt Ineichen. Parallel erarbeiten die Länder detaillierte Listen, die aufzeigen, welche Konsequenzen die ministerliche Grundsatzeinigung auf die Zollsätze für einzelne Produkte haben. Und diese Listen müssen dann wieder von allen anderen Ländern geprüft werden. «Das gibt einen unglaublichen Marathon», sagt die Expertin. «Aber wenn alles gut läuft, können wir im Verlauf des nächsten Jahres die Doha-Runde abschliessen. »
Anschliessend haben die Länder ein Jahr Zeit, um das Abkommen zu ratifizieren. In den meisten Ländern reicht dazu ein Parlamentsbeschluss. In der Schweiz besteht zusätzlich die Möglichkeit eines Referendums. Falls es diesmal in Genf zu einer Einigung kommt, könnte das Abkommen also im März 2010 in Kraft treten. Doch dann ändert sich noch immer nichts an den Zollsätzen. Die Übergangsfristen beginnen zu laufen. Wirkung entfaltet «Doha» so frühestens im Jahr 2015 – pünktlich zum 20. Geburtstag der WTO. mic
Aus der Basler Zeitung 16.07.2008