Die Wohltätigkeit geht an die Börse

Im Markt für Projektbörsen konkurrieren drei verschiedene Systeme um Spendengelder

Spenden werden zunehmend als soziale Investitionen verstanden. Über Marktplätze im Internet können Investoren direkt in einzelne gemeinnützige Projekte investieren.

Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer spenden. In der klassischen Wohltätigkeit erwartet der Spender keine Gegenleistung, kein Resultat. Die milde Gabe ist Selbstzweck, die Wirkung, die sie erzielt, zweitrangig.

Dieses Verständnis von Wohltätigkeit hat sich gewandelt. Spenden werden heute als soziale Investitionen verstanden. Der Investor (Spender) will die Welt verändern. Er will Wirkung sehen.

Noch fehlen aber wichtige Instrumente zur Optimierung der sozialen Rendite. Zum einen ist diese nur schwer messbar und es besteht keine allgemein akzeptierte Kennzahl wie der Return on Investment (ROI) an den Finanzmärkten. Zum anderen gibt es nur wenige Märkte, auf denen verschiedene Organisationen ihre Projekte feilbieten und die Investoren diese miteinander vergleichen lassen.

Ein solcher Markt ist die South African Social Investment Exchange, kurz Sasix. Sasix kopiert die regulatorischen Bestimmungen von herkömmlichen Börsen. Organisationen, die ein Projekt listen wollen, werden geprüft (Due Diligence) und die Projekte werden einer Risikoanalyse unterzogen. Der (soziale) Gewinn, der mit dem Projekt erzielt werden soll, wird beschrieben und für jedes Projekt weist Sasix die Kosten pro verbessertem Leben aus.

Hat ein Projekt diese Evaluation bestanden, wird der gesamte Projektbetrag in Aktien mit einem Nennwert von je 50 Rand (8.25 Fr.) gestückelt und auf der Internetseite von Sasix gelistet. Dort können Investoren die Aktien dann zeichnen. Sind alle Aktien verkauft, kann das Projekt starten. Zurzeit sind auf Sasix 30 Projekte gelistet. Seit Gründung der Börse vor anderthalb Jahren hat die Börse mehr als 0,5 Mio. Fr. an Spendengeldern umgeschlagen. 33 Projekte werden derzeit implementiert, nachdem die gesamte Projektsumme gesammelt werden konnte, und vier Projekte sind bereits abgeschlossen.

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt BetterPlace aus Berlin. Auf www.betterplace.org haben Investoren ebenfalls die Möglichkeit direkt in einzelne Projekte zu investieren. Im Gegensatz zu Sasix ist BetterPlace aber keine Börse, sondern ein soziales Netzwerk. Jeder kann Projekte auf der Plattform vorstellen und um Spenden bitten. Die Projekte werden nicht geprüft. Die Idee ist, die Projekte mit einem Netz aus Vertrauensleuten einzuspinnen, erklärt Till Behnke, Gründer und CEO von BetterPlace. Nutzer sind dazu aufgerufen, sich die Projekte selbst anzuschauen und dann darüber zu berichten.

Kosten. Der grosse Vorteil dieses Vorgehens sind die niedrigen Kosten, die BetterPlace dadurch entstehen. Der Dienst ist denn auch kostenlos und garantiert, dass 100% des Spendengeldes tatsächlich für das Projekt aufgewendet wird. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Gruppen von sozialen Investoren, wie beispielsweise die Rotarier oder die Mitarbeiter eines Unternehmens, die Plattform nutzen können. Da sich diese untereinander eher trauen, fällt das Fehlen einer systematischen Kontrolle der Projekte dann nicht so ins Gewicht.

Noch ist BetterPlace ganz neu. Die Seite ist erst seit zwei Monaten online und es muss sich erst noch zeigen, wer wo und wie von der Plattform Gebrauch machen wird. Wie bei sozialen Netzwerken werden sich wohl auch bei BetterPlace unerwartete Nutzungsmuster ergeben. So erfreut sich das soziale Netzwerk von Google, Orkut, grosser Popularität in Brasilien, ist aber andernorts praktisch unbekannt.

Zwischen den beiden Extremen, Börse oder soziales Netzwerk, befindet sich GlobalGiving, das sich selbst mit eBay vergleicht. GlobalGiving akquiriert Projekte über sein Partnernetzwerk. Es besteht also mehr Kontrolle über die Organisationen und Projekte als bei BetterPlace, aber keine derart rigorose Evaluation der Projekte wie bei Sasix. Bislang einzigartig ist das System der Zufriedenheitsgarantie von GlobalGiving. Wer mit der Arbeit der Organisation, für die er gespendet hat, nicht zufrieden ist, bekommt sein Geld in Form von einem Gutschein zurück, den er in andere Projekte investieren kann.

Auf dem noch jungen Markt für Projektbörsen konkurrieren somit drei verschiedene Konzepte miteinander. Alle drei haben ihre Vorzüge und werden sich wohl ihre Marktsegmente schaffen, in denen sie ihre Vorteile ausspielen können. Aus Schweizer Sicht ist bedauerlich, dass noch keiner der drei Marktplätze in der Schweiz als gemeinnützig anerkannt ist. Folglich können Spenden nicht steuerlich abgesetzt werden. Langfristig werden aber auch soziale Investoren aus der Schweiz profitieren, wenn Instrumente für wirkungsorientiertes Spenden entwickelt werden. Denn wie sagte schon Aristoteles: «Geld wegzugeben ist einfach. Jedoch zu entscheiden, wem man es geben möchte, wie viel und wann, wofür und wie, ist nicht einfach.» mic

Aus der Basler Zeitung vom 28.12.2007