Immer mehr Bücher werden digitalisiert und im Internet für die Ewigkeit archiviert
Der Wunsch, alle Bücher der Welt im Volltext über das Internet zugänglich zu machen, ist so alt wie das Internet selbst. Noch gibt es aber kein Portal, auf dem sich die bereits digitalisierten Bücher einfach finden lassen.
Wir schreiben das Jahr 48 v. Chr. Cäsar jagt seinen Gegenspieler Pompeius durch Kleopatras Ägypten. In der Hafenstadt Alexandria angekommen, lässt er alle Boote im Hafen in Brand setzen, damit sie nicht seinem Gegenspieler in die Hände fallen. Das Feuer greift auf die Bibliothek über. Die wohl einzige universelle Bibliothek der Menschheitsgeschichte ist unwiederbringlich verloren. Doch der Traum, alle Bücher der Welt an einem Ort zu sammeln, lebt fort.
Die rund 500 000 Schriftrollen, umgerechnet etwa 100 000 Bücher, der alexandrinischen Bibliothek enthielten zwischen 30 und 70 Prozent des gesamten Wissens der antiken Welt. In der Zwischenzeit ist einiges dazugekommen: Auf 32 Mio. Bücher, 750 Mio. Artikel, 25 Mio. Lieder, 500 Mio. Bilder, 0,5 Mio. Filme, 3 Mio. TV-Sendungen und 100 Mrd. Webseiten schätzt Kevin Kelly von Wired die bisherige kulturelle Leistung der Menschheit.
1971 begann ein Student der Uni von Illinois, digitale Bücher zu sammeln. Michael Hart hatte unlimitierten Zugriff auf einen der 15 ersten Internetknoten der Welt. Um der Menschheit etwas zurückzugeben, startete er die erste digitale Bibliothek, das Projekt Gutenberg (nach dem Erfinder des Buchdrucks). Das erste Werk der Sammlung war eine digitale Kopie der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Bis heute wurden im Rahmen des Projekts über 220 000 Dokumente gesammelt.
Die Idee, eine virtuelle Bibliothek zu schaffen, fand Anklang, und das Projekt Gutenberg ist längst nicht mehr das einzige – im Gegenteil. Hunderte von Universitäten, Bibliotheken, Unternehmen und Privatleuten bieten digitale Bücher an. Viele davon könnten aber nicht mal mit Suchmaschinen gefunden werden, beklagt Michail Jungierek, verantwortlich für Wikisource und Vorstandsmitglied von Wikimedia e.V. Auch besteht kein zentrales Portal, auf dem alle bereits digitalisierten Bücher gefunden werden können. Deshalb würden immer wieder Bücher mehrfach digitalisiert, ärgert sich Gunter Hille, Begründer des unabhängigen deutschen Projekts Gutenberg.
Die meisten Bücher dürfte mittlerweile wohl Google digitalisiert haben. Alle Sprachen zusammengenommen, verfügt der Suchmaschinenprimus über etwa eine Million digitalisierte Werke und strebt weitere neun Millionen an. Für deutschsprachige Bücher arbeitet Google mit der Bayerischen Staatsbibliothek in München zusammen. In der Schweiz hat sich die Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne der Initiative angeschlossen. Neuere Literatur sucht man aber auch bei Google meist vergeblich. Der Urheberrechtsschutz (Copyright) für Bücher erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod des Autors oder Übersetzers. Erst dann sind Bücher «gemeinfrei» und können weiterverbreitet werden.
Wer neue Bücher sucht, kommt somit um einen Besuch in seiner Buchhandlung nicht herum. Doch das wird sich ändern, sobald www.libreka.de, das Portal des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, voll funktionstüchtig ist. Noch ist das Projekt in der Testphase. Ab Mitte 2008 können die derzeit 70 000 Bücher aber sowohl in elektronischer als auch in herkömmlicher Form über Libreka gekauft werden.
Neu zusammengefügt. Ungelöst bleibt aber das Problem des Lesegeräts. Amazon hat zwar ein neues Lesegerät für elektronische Bücher mit dem Namen Kindle entwickelt, vetreibt dieses derzeit aber nur in den USA. Doch selbst wenn elektronische Bücher ihre papiernen Vorgänger nie werden ersetzen können, bleibt der Traum von der universellen, digitalen Bibliothek bestehen. Das wäre dann auch eine grosse Errungenschaft. mic