Regeln macht der Staat, oder?

Wie sich Banken oder die Holzindustrie selbst regulieren

Regeln werden immer öfter von den Betroffenen selber gemacht. Weil die demokratische Kontrolle fehlt, ist eine kritische Öffentlichkeit nötig.

In den letzten Jahren hat die Bedeutung nicht staatlicher Akteure bei der Regelsetzung markant zugenommen, erklärte Prof. Mark Pieth am Donnerstag anlässlich einer Veranstaltung des Basel Institute on Governance. Ein Grund für diese Entwicklung ist die Globalisierung: Viele Probleme lassen sich nur auf internationaler Ebene regeln. So haben sich zwölf grosse Banken Regeln zur Bekämpfung der Geldwäscherei gegeben: die Wolfsberg-Grundsätze. Private kommen aber auch zum Zug, weil staatlichen Organisationen die technische Kompetenz fehlt. Das Internet wird nicht von der UNO, sondern von einem Konsortium aus Unternehmen, Entwicklern und Nutzern «regiert» (ICANN). Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Vertreter der Zivilgesellschaft gewinnen an Bedeutung. So ist Transparency International ein wichtiger Akteur im Kampf gegen Korruption.

Um die Einhaltung von Regeln sicherzustellen, gibt es drei Ansätze: Strafen, Anreize und Transparenz, erläuterte Prof. Dr. Edith Brown Weiss, Vorsitzende des Inspektionskomitees der Weltbank. So sind die Schmiergeldzahlungen von Siemens nicht nur strafrechtlich relevant, sondern haben auch Siemens’ Ruf beschädigt. Immer öfter setzt auch der Staat Vereinbarungen zwischen nicht staatlichen Organisationen durch: Generalarbeitsverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen ausgehandelt und anschliessend vom Staat für allgemeinverbindlich erklärt. Es findet eine Ko-Regulierung statt.

Trotzdem leiden Regelungen nicht staatlicher Akteure aber an einem Demokratiedefizit. Ihnen fehlt die Legitimität von Gesetzen. Bei Selbst-Regulierung von Unternehmen wie im Fall der Wofsberg-Grundsätze der Banken besteht zudem der Verdacht, das sich die Akteure mit einer Minimalregulierung von gesetzgeberischen Initiativen «freikaufen» wollen. Diesem Misstrauen der Öffentlichkeit müssen die Akteure begegnen, indem sie allen Betroffenen die Funktionsweise und die Resultate ihrer Regelung transparent darstellen.

Staatliche und nicht staatliche Regeln ergänzen sich vielfach, wie das Beispiel der Extractive Industry Transparency Initiative (EITI) zeigt. EITI wurde von der britischen Regierung initiiert, um das Finanzgebaren von Minengesellschaften transparenter zu gestalten. Ergänzt wird EITI durch ein NGO, das Minengesellschaften darauf verpflichten will, Zahlungen an Entwicklungsländer offenzulegen («Publish What You Pay»).

Die Bedeutung von Regeln nicht staatlicher Akteure wird also weiter zunehmen. Sie sind ein Instrument, um der zunehmenden Komplexität der Welt zu begegnen. Wichtig ist aber die kritische Anteilnahme der Öffentlichkeit, insbesondere der Medien, um dem Legitimationsdefizit zu begegnen. mic

Aus der Basler Zeitung vom 10.02.2007