Durch Ankündigungen zum Klimaschutz dürfte Gastgeber Tony Abbott blossgestellt werden / Putin und Ukraine drohen den Gipel zu überschatten
Die Führer der 20 grössten Volkswirtschaften haben ein volles Programm bei ihrem Gipfel in Australien. Offiziell steht ein Wachstumspakt im Mittelpunkt. Doch Putin dürfte das heimliche Haupttraktandum des G20 Gipfels werden.
Es kommt selten vor, dass der US-Präsident eine ganze Woche auf der anderen Seite des Pazifiks zubringt. Aber diese Woche jagte ein Gipfel den nächsten: erst der Apec Gipfel in Peking, dann der EAS Gipfel in der burmesischen Hauptstadt Naypyidaw und zum krönenden Abschluss der G20 Gipfel im australischen Brisbane. Letzterer ist mittlerweile gut vorbereitet: In Peking haben die USA und China gemeinsame Klimaschutzmassnahmen angekündigt sowie die Erweiterung eines Handelsabkommens für Elektronikartikel vereinbart und in Naypyidaw haben die USA und Indien eine Lösung für die Blockade bei einem WTO Abkommen über den Abbau von Zollformalitäten gefunden. Damit wurden die internationale Klima- und Handelspolitik auf eine neue, vielversprechende Grundlage gestellt.
Aber auch in Brisbane bleibt noch genug zu tun. Das Hauptziel des G20 Treffens ist die Stimulierung des globalen Wirtschaftswachstums. Dieses soll um zwei Prozentpunkte gesteigert werden. Dazu hat die G20 Vorschläge ihrer Mitglieder gesammelt. Diese Liste umfasst mittlerweile über 1000 Massnahmen, mit denen das Zwei-Prozent-Ziel tatsächlich erreicht werden könnte. „Wenn man alle Ankündigungen zusammen nimmt und davon ausgeht, dass diese perfekt umgesetzt werden, dann könnte uns das sogar auf mehr als zwei Prozent zusätzliches Wachstum bringen.“ sagt Angel Gurria, der Chef des Industrieländerclubs OECD. „Wir haben keinen Spielraum mehr bei der Geldpolitik. Wir haben keinen Spielraum mehr bei der Fiskalpolitik. Was noch übrig bleibt sind Strukturreformen und das (die Liste) ist eine Agenda für Strukturreformen wie sie nicht grösser sein könnte.“ [1] Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass der Wachstumspakt der zunehmenden Ungleichheit in vielen Ländern zu wenig Beachtung schenkt: „Die australische Regierung hat sich geweigert, sich zu einschliessendem (inklusivem) Wachstum zu bekennen und ignoriert den Effekt den Ungleichheit auf das Wachstum hat.“ sagt Claire Spoors, die Specherin der Entwicklungsorganisation Oxfam. [2]
Ein höheres Mass an Gerechtigkeit verspricht ein anderes Thema, das traditionell im Mittelpunkt der G20 Beratungen steht: die Zusammenarbeit bei Steuern. Der G20 Gipfel wird sich hinter die OECD Initiative zum Austausch von Steuerinformationen stellen. Dieses verpflichtet die Länder dazu die Einkünfte von Steuerausländern an deren Heimatländer zu melden. In Brisbane werden aber zusätzlich die Steuern von Unternehmen diskutiert werden: „Was ist mit den multinationalen Firmen? Die bezahlen keine Steuern, weil sie rechtlichen Strukturen nutzen, die wir über die vergangenen 80 Jahre geschaffen haben, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Damit haben wir ein System der perfekten Doppel-Nicht-Besteuerung geschaffen. Das müssen wir zurückdrehen.“ sagt Gurria. [1] Um das zu erreichen, wollen die G20 Führer Multis in Zukunft zwingen ihre Gewinne und Steuerzahlungen Land-für-Land auszuweisen. Bislang ist allerdings vorgesehen, dass die Multis sich nur den Steuerbehörden offenbaren müssen und die ‚Land-für-Land‘ Zahlen nicht veröffentlicht werden. Dies kritisiert Maggie Murphy, von Transparency International, einem NGO, das sich dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat: „Die Veröffentlichung auf Land-für-Land Basis hätte den LuxLeaks Skandal verhindert.“ sagt Murphy mit Verweis auf die geleakten Steuerunterlagen aus Luxemburg. [3] Diese Papiere zeigen, dass das Grossherzogtum Multis ermöglicht hat, die Gewinnsteuer auf unter ein Prozent zu drücken. Der G20 Gipfel bietet somit eine gute Gelegenheit für Jean-Claude Juncker, den Chef der EU-Kommission und früheren Premier- und Finanzminister von Luxemburg, zu erklären, wie es zu dieser Praxis kommen konnte.
Besondere Aufmerksamkeit von seinen Kollegen dürfte Tony Abbott, der Premierminister von Australien, derweil beim Thema Klimaschutz geniessen. Abbott hat soeben die CO2 Steuer in Australien abgeschafft und hat die Klimawissenschaften schon als „Dreck“ verunglimpft. Australien hat sich auch vehement dafür eingesetzt, dass der Klimawandel nicht auf der G20 Agenda steht. Bislang figuriert der Klimaschutz daher in der Rubrik „Energie“ des Abschlussdokuments, wo alle Jahre wieder die Abschaffung von Subventionen für fossile Energien gefordert wird. Doch mit der Klimaschutzübereinkunft zwischen den USA und China vom Beginn der Woche hat das Thema einen sehr viel höheren Stellenwert erhalten. Ausserdem wollen die USA und Japan auf dem G20 Gipfel bekanntgeben, wieviel sie in den Grünen Klimafonds einbezahlen. Derzeit ist die Rede von 2,5 bis 3 Milliarden Dollar von den USA und 1,5 Milliarden Dollar von Japan. [4] Zuvor haben schon Deutschland und Frankreich je eine Milliarde Dollar versprochen und einige andere europäische Länder eine weitere Milliarde. Insgesamt käme der Klimafonds damit auf rund sieben Milliarden Dollar und dem Ziel von zehn Milliarden näher. Die fehlenden Milliarden könnten dann an einer Konferenz in der kommenden Woche in Berlin eingesammelt werden. Für Gastgeber Abbot dürften diese Ankündigungen allerdings peinlich werden. „Wir werden keinen Beitrag zu diesem Fonds leisten.“ hat Abbott letztes Jahr verkündet. Der Fonds sei „Sozialismus, der sich als Umweltschutz tarnt.“ [4]
Juncker und Abbott haben allerdings Glück, denn die grösste Aufmerksamkeit dürfte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Teil werden. Abbott hat bereits angekündigt, sich Putin wegen des Abschusses des malaysischen Flugzeugs MH17 vorknöpfen zu wollen. An Bord der Maschine waren 27 Australier. Hinzu kommt eine befürchtete Eskalation in der Ostukraine: “Wir haben in den letzten Tagen beobachtet, dass Russland erneut Waffen, Ausrüstung, Artillerie, Panzer und Raketen über die Grenze in die Ukraine gebracht hat” sagt Jens Stoltenberg, der neue Nato Chef. [5] Und selbst vor Australien lässt Putin die Muskeln spielen. Pünktlich zum G20 Gipfel sind vor der Küste vier russische Kriegsschiffe aufgefahren, angeblich zu „Forschungszwecken“. Damit dürfte Putin sichergestellt haben, dass er selbst das heimliche Haupttraktandum des Gipfels ist. Wegen der de facto Invasion der Ukraine hat der britische Premierminister David Cameron bereist weitere Sanktionen gegen Russland angedroht: „Ich hoffe immer noch, dass die Russen zu Sinnen kommen und verstehen, dass sie der Ukraine erlauben sollten, sich als unabhängiges und freies Land zu entwickeln. Wenn Russland aber damit fortfährt die Lage immer weiter zu verschlimmern, dann könnten wir eine Verschärfung der Sanktionen sehen.“ [6] Damit ist Putin Teil einer Dreierliste von geopolitischen Gefahren für die Weltwirtschaft geworden. Die anderen beiden sind: der Islamische Staat (ISIS) und Ebola. „Es gibt ein paar geopolitische Gefahren, die Probleme in Russland und der Ukraine, im Mittleren Osten und Ebola. Diese verschärfen die ungewisse Lage, die wir derzeit haben.“ sagt Murria. [1] Trotzdem sieht der OECD Chef die grösste Gefahr noch woanders: im Ausbleiben von Strukturreformen und damit im Ausbleiben von Wachstum. Da trifft es sich gut, dass es dazu schon einer 1000er Liste gibt. mic
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?
Dann abonnieren Sie doch weltinnenpolitik.net per RSS
oder folgen sie der Facebook Seite
[1] Reuters, 14.11.2014: OECD sees plans by G20 nations topping global growth target
[2] The Guardian, 13.11.2014: G20 leaders to meet in Australia under pressure to prove group’s relevance
[3] Sidney Morning Herald, 14.11.2014: Multinational tax details to be kept secret
[5] Jens Stoltenberg in Bild, 14.11.2014: „Putins Bomber gefährden zivilen Luftverkehr“ (Paywall)